UN-Generalversammlung:Europäer beziehen Position gegen Iran

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Im Umgang mit Iran hat der britische Premier Johnson Frankreichs President Macron und Kanzlerin Merkel unter Zugzwang gebracht. (Foto: dpa)
  • Der britische Premier Johnson ist davon überzeugt, dass Iran für die Attacken auf die saudischen Ölanlagen verantwortlich ist.
  • Mit seinem Vorpreschen bringt Johnson Frankreichs Präsident Macron und Kanzlerin Merkel unter Zugzwang.
  • US-Außenminister Pompeo dankt per Twitter "unseren engen Freunden Großbritannien, Frankreich und Deutschland für ihre klare Aussage zu Irans alleiniger Verantwortung für diesen Akt des Krieges gegen Saudi-Arabien".

Von Michael Bauchmüller, New York, Paul-Anton Krüger, Berlin, New York/Berlin

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat in New York wacker seine Pendeldiplomatie fortgesetzt, mit der er die USA und Iran während der UN-Generalversammlung an einen Tisch bringen will. Er traf am Montag erst einmal Präsident Donald Trump, den er am Dienstag erneut sehen wollte. Dann sprach er fast 90 Minuten mit Präsident Hassan Rohani. Macrons Außenminister Jean-Yves Le Drian hatte die Erwartungen schon deutlich gedrückt. Priorität habe nicht ein erstes Treffen der Präsidenten der seit 40 Jahren verfeindeten Staaten, sondern nach den Angriffen auf Saudi-Arabiens Ölanlagen "eine Rückkehr zur Deeskalation".

Dann stand das Treffen der E3 an - Frankreich, Großbritannien und Deutschland, die europäischen Mächte, die weiter Vertragsparteien des Atomabkommens sind und es nach eigenem Bekunden weiter erhalten wollen. Schon auf dem Flug nach New York jedoch hatte der britische Premier Boris Johnson mitreisende Journalisten wissen lassen, dass seiner Einschätzung nach Iran "mit einem sehr hohen Grad an Wahrscheinlichkeit" für die Attacken auf die saudischen Ölanlagen verantwortlich sei. Er wolle eine Eskalation vermeiden und sehe die Rolle des Vereinigten Königreichs darin, in dieser Frage "als Brücke zwischen unseren europäischen Freunden und den Amerikanern zu dienen".

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Johnson prescht vor und bringt so Macron und Merkel in Zugzwang

Die Europäer überlegen schon länger, wie sie auf den Angriff reagieren sollen, wie Diplomaten sagen. Macron allerdings hatte versucht, Zeit zu kaufen - er schickte auf Einladung aus Riad eigene Experten nach Saudi-Arabien, um zu ermitteln. Und die Bundesregierung verwies auf die laufenden Untersuchungen. Dann aber wie ein Donnerschlag eine gemeinsame Erklärung der drei Regierungschefs. "Für uns ist klar, dass Iran Verantwortung für diesen Angriff trägt. Es gibt keine andere plausible Erklärung", heißt es darin.

Macrons Choreografie, mit der er auf dem G7-Gipfel in Biarritz jüngst Hoffnungen auf neue Verhandlungen in New York geweckt hatte, sah das nicht gleich. Zwar hatte er laut dem Elysée-Palast Rohani mit "unserer Lesart der Angriffe" vom 14. September" konfrontiert, und weder in Berlin noch in Paris macht man sich über die Indizienlage Illusionen. Laut US-Medien gibt es Satellitenbilder, die Vorbereitungen für den Angriff auf einem iranischen Flugfeld zeigen. Auf öffentliche Schuldzuweisungen hatte man bislang jedoch verzichtet.

Tatsächlich brachte Johnson mit seinem Vorpreschen Macron und Merkel unter Zugzwang. Wie es aus Diplomatenkreisen in New York hieß, ging es bei der Erklärung maßgeblich auch darum, die Einheit der E3 zu wahren und ein Ausscheren Johnsons zu vermeiden - von dem niemand weiß, wie lange er noch Regierungschef in London sein wird. "Sehr bewusst" habe man in der Erklärung davon gesprochen, dass der Iran "Verantwortung" trage, sagte Merkel - eine indirekte Schuldzuweisung. Zugleich, so hieß es in Diplomatenkreisen, hätten Deutschland und Frankreich erreicht, dass auch Johnson sein Bekenntnis zum Atomabkommen erneuert habe und sich nicht auf die Seite Trumps schlage. Wäre Johnson womöglich ausgestiegen, wäre das Abkommen endgültig hinfällig.

Zumindest schmierte der Brite Trump Honig um den Mund, ganz wie es der Geschmack des Präsidenten ist. "Lasst uns einen besseren Deal mit Iran machen", sagte Johnson im Interview mit dem Fernsehsender NBC. "Ich denke, es gibt einen Typen, der einen besseren Deal erreichen kann", flötete er, "und das ist der Präsident der Vereinigten Staaten. Ich hoffe, es wird einen Trump-Deal geben", um Trump dann auch noch als "sehr, sehr brillanten Verhandler" zu huldigen. Ein erfahrener Diplomat war geneigt, den Auftritt des Briten als "irrationales Verhalten" zu geißeln - bislang waren sich die Europäer einig, dass man zwar Verhandlungen mit Iran will über das Atomprogramm und andere Fragen, dafür aber nicht den eigentlichen Atomdeal von 2015 wieder aufschnürt.

Erwartbar fielen die Reaktionen aus: US-Außenminister Mike Pompeo dankte per Twitter "unseren engen Freunden Großbritannien, Frankreich und Deutschland für ihre klare Aussage zu Irans alleiniger Verantwortung für diesen Akt des Krieges gegen Saudi-Arabien" - die Reihenfolge der Auflistung kann man getrost als Ausdruck der politischen Wertschätzung lesen.

Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif tobte: Seit Mai 2018 sei klar, dass die Europäer ihren Verpflichtungen nicht nachkämen, ohne die Billigung der USA zu haben. Die Lösung dafür sei, "den Willen für einen unabhängigen Weg aufzubringen", nicht "absurde Anschuldigungen und Forderungen der USA nachzuplappern, die nicht mit dem Atomabkommen vereinbar sind". Das Treffen mit seinen europäischen Kollegen sowie den Außenministern Russlands und Chinas an diesem Mittwoch dürfte eine frostige Veranstaltung werden.

Auch Macron nannte die Angriffe "sicher nicht hilfreich"

Johnsons Überrumpelungsmanöver überstrahlt allerdings ernste Probleme mit Macrons Initiative, die nicht der Brite verursacht hat. So lässt man selbst in Berliner Regierungskreisen durchscheinen, dass man die US-Vorwürfe für nicht völlig abwegig erachtet. Auch Macron nannte die Angriffe "sicher nicht hilfreich".

Zudem ist es dem französischen Präsidenten bislang nicht gelungen, Trump zu Sanktionserleichterungen zu bewegen. Nach den Worten seines Außenministers ist das jedoch die Voraussetzung einer diskutierten Kreditlinie von 15 Milliarden Dollar für Iran. Im Gegenteil: Trump hat Irans Zentralbank mit Sanktionen belegt und damit ein neues, nicht zu unterschätzendes Hindernis für diesen Plan geschaffen. Die technischen Details wären ohnehin komplex - die Vorstellungen dazu im Elysée laut Diplomaten noch nicht sehr konkret.

Auch hat Macron von Iran keine Zusagen für umfassende Verhandlungen - geschweige denn für ein Treffen mit Trump. Von beidem erhoffte er sich, die festgefahrene Lage lösen zu können. In der Erklärung findet sich der Rahmen wieder, den Macron schon in Biarritz für neue Verhandlungen skizziert hatte. Neben Gesprächen für eine Anschlussvereinbarung zum Atomabkommen wollte er mit Iran über die Regionalpolitik der Islamischen Republik verhandeln und auch über das Raketenprogramm - für die Hardliner in Iran, die die Sicherheitspolitik bestimmen, eine erklärte rote Linie. Dass man die Hoffnung auf Fortschritte dennoch nicht fahren lassen will, zeigen zwei Termine von Kanzlerin Merkel: Sie traf Trump und Rohani zu Gesprächen, danach nannte sie die Aufhebung von Sanktionen als Gesprächsgrundlage mit Iran unrealistisch.

© SZ vom 25.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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