Naher Osten:Iran droht Israel mit Vergeltung

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Menschen trauern in Teheran um den Hamas-Anführer Ismail Hanija. (Foto: ABEDIN TAHERKENAREH/EPA)

Nach einem gezielten Luftschlag gegen den Hamas-Chef in Teheran wächst die Sorge vor einer Eskalation in der Region. Die Bundesregierung nennt Vergeltungsschläge einen „Irrweg“.

Von Nadja Tausche

Nach dem tödlichen Angriff auf den Hamas-Anführer Ismail Hanija in der iranischen Hauptstadt Teheran droht Iran mit Rache. Der oberste Führer des Landes, Ayatollah Ali Chamenei, kündigte auf seiner Webseite eine „harte Bestrafung“ an. Das „kriminelle zionistische Regime“ habe „unseren Gast auf unserem Gebiet ermordet“. Ähnlich äußerte sich Irans Präsident Massud Peseschkian. Iran werde dafür sorgen, dass „die terroristischen Besatzer ihre feige Tat“ bereuten, sagte er staatlichen Medien zufolge. Die Hamas selbst kündigte ebenfalls Vergeltung an.

Hanija war offenbar am frühen Mittwochmorgen bei einem Luftschlag getroffen worden. Er war der politische Anführer der radikal-islamischen Hamas und lebte in Katar, in Teheran hatte er die Amtseinführung von Peseschkian als neuem iranischen Präsidenten besucht. Zum Zeitpunkt des Luftangriffs hielt er sich offenbar in einem Gebäude im Norden Teherans auf. Die Hamas bestätigte Hanijas Tötung. Am Mittwochabend sagte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu in einer kurzen Ansprache, vor Israel lägen „herausfordernde Tage“ – zum Tod des Hamas-Anführers äußerte er sich israelischen Medien zufolge nicht.

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Ismail Hanija wird mitten in Teheran getötet. Israel erreicht mit dem Tod des politischen Führers der Hamas ein zentrales Ziel. Für die Region bedeutet er eine weitere Eskalation.

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Am Dienstagabend hatte Israel bereits einen Luftangriff in Beirut befohlen

Bereits am Dienstag hatte die israelische Armee in der libanesischen Hauptstadt Beirut einen Vergeltungsschlag ausgeführt. Es habe sich um einen „gezielten Angriff“ auf einen hochrangigen Kommandeur der libanesischen Hisbollah-Miliz gehandelt, teilte das Militär mit. Die Hisbollah hat den Tod von Fuad Schukr mittlerweile bestätigt. Israel macht die Hisbollah-Miliz für einen Raketenangriff verantwortlich, bei dem am Wochenende auf den israelisch besetzten Golanhöhen zwölf Kinder und Jugendliche starben. Nach israelischen Angaben hatte Fuad Schukr diesen Angriff befohlen.

In Ramallah im Westjordanland protestieren zahlreiche Menschen gegen die Ermordung des Hamas-Anführers. (Foto: Mohamad Torokman/REUTERS)

Die Hisbollah bestreitet das. Der libanesische Außenminister äußerte die Sorge, dass die Lage in seinem Land nun eskalieren könnte. Seine Regierung verurteile den Angriff scharf, teilte Abdallah Bou Habib am Mittwoch mit und kündigte an, bei den Vereinten Nationen Beschwerde einzureichen. Israels Verteidigungsminister Joav Gallant teilte in Bezug auf den Angriff in Libanon mit, man wolle keinen Krieg – sagte aber laut israelischen Medien gleichzeitig, man bereite sich auf alle Szenarien vor.

Die Vermittler zwischen Hamas und Israel kritisieren die Eskalation

Die Tötung des Hamas-Anführers auf iranischem Staatsgebiet löste international scharfe Kritik aus. Katar und Ägypten warfen Israel mangelnde Bereitschaft zur Deeskalation vor. Katars Ministerpräsident Scheich Mohammed bin Abdulrahman al-Thani schrieb auf der Plattform X: „Politische Attentate und der fortgesetzte Beschuss von Zivilisten im Gazastreifen während der laufenden Gespräche lassen uns fragen, wie eine Vermittlung gelingen kann, wenn eine Seite den Verhandlungsführer der anderen Seite ermordet.“ Die beiden Länder vermitteln seit Monaten zwischen Israel und der Hamas und versuchen, eine Waffenruhe und die Freilassung weiterer Geiseln zu erreichen.

Die Bundesregierung rief alle Beteiligten auf, sich zurückzuhalten. „Es geht jetzt darum, einen kühlen Kopf zu bewahren“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts. „Die Logik gegenseitiger Vergeltungsschläge ist ein Irrweg“, warnte er – das Ziel müsse ein Abkommen zwischen Israel und der Hamas sein. Ein Regierungssprecher sagte, ein regionaler Flächenbrand müsse verhindert werden. Am Mittwoch tagte nach Angaben des Außenministeriums der Krisenstab der Bundesregierung zur Lage im Nahen Osten.

US-Außenminister Antony Blinken betonte, die Vereinigten Staaten seien nicht an dem Angriff auf Hanija beteiligt gewesen. Sie hätten auch nichts von den Plänen gewusst, sagte er im Gespräch mit dem Nachrichtensender CNA. Iran wiederum ließ wissen, die USA seien Unterstützer Israels und damit für die Tötung mitverantwortlich.

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Die US-Regierung wurde von der gezielten Tötung des Hamas-Anführers offenbar komplett überrumpelt. Das dürfte das angespannte Verhältnis zu Israel nicht leichter machen.

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Die Kassam-Brigaden, der militärische Arm der Hamas, veröffentlichten auf der Nachrichten-Plattform Telegram ein langes Statement zu dem Vorfall. Die Ermordung Hanijas wird darin als „bedeutendes und gefährliches Ereignis“ bezeichnet, das den Kampf „in eine neue Dimension führt und große Auswirkungen auf die gesamte Region haben wird.“ Es sei an der Zeit, dass „der wütende Feind in die Schranken gewiesen wird“. Chalil al-Hajja, der stellvertretende Hamas-Chef im Gazastreifen, erklärte laut der israelischen Zeitung Times of Israel: Weder Hamas noch Iran wollten einen Krieg in der Region. Es gebe jedoch ein Verbrechen, das bestraft werden müsse.

Zurückhaltend äußerte sich einzig der iranische Vizepräsident. Er teilte mit, Iran habe nicht die Absicht, den Konflikt zu eskalieren. Für Hanija soll am Donnerstag eine Trauerfeier in Teheran stattfinden, anschließend wird er übereinstimmenden Angaben zufolge nach Doha überführt.

Seit dem Überfall der vom Iran unterstützten Hamas-Terroristen auf Israel am 7. Oktober des vergangenen Jahres gab es schon mehrfach Anlass für Befürchtungen, dass sich der Konflikt auf die gesamte Region ausdehnt. Zwischen Israel und der Hisbollah kommt es immer wieder zu Luftschlägen. Anfang April hatte Israel außerdem ein iranisches Botschaftsgebäude in Syrien angegriffen.

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