Wortwahl des BundeskanzlersAufräumen nach der „Drecksarbeit“

Lesezeit: 3 Min.

Drastische Worte aus den Rocky Mountains: Bundeskanzler Friedrich Merz während des G-7-Gipfels in Kanada.
Drastische Worte aus den Rocky Mountains: Bundeskanzler Friedrich Merz während des G-7-Gipfels in Kanada. (Foto: Michael Kappeler/AFP)

In deftigen Worten rechtfertigt Friedrich Merz die israelischen Angriffe auf Iran. Damit löst er nicht nur Kritik in Koalition und Opposition aus, sondern wirft auch völkerrechtliche Fragen auf.

Von Daniel Brössler, Berlin

Ein Versehen war es jedenfalls nicht. Er sei der Interviewerin dankbar für diesen Begriff, sagte der Bundeskanzler und CDU-Chef Friedrich Merz, nachdem sie ihn vor der Kulisse der Rocky Mountains gefragt hatte, ob die Israelis gegen die Störenfriede in Teheran gerade die „Drecksarbeit“ verrichteten? „Das ist die Drecksarbeit, die Israel macht für uns alle. Wir sind von diesem Regime auch betroffen. Dieses Mullah-Regime hat Tod und Zerstörung über die Welt gebracht. Mit Anschlägen. Mit Mord und Totschlag“, sagte Merz im Interview mit dem Fernsehsender ZDF vom G-7-Gipfel in Kanada. Er habe „größten Respekt davor, dass die israelische Armee den Mut dazu gehabt hat, die israelische Staatsführung den Mut dazu gehabt hat, das zu machen“. Aus Sicht des Kanzlers ist die Sache klar: Israel tut der Welt einen Gefallen, indem es auf das iranische Regime zielt und auf das Atomprogramm.

Schwer zu sagen ist, was dabei mehr überrascht hat: die drastische Wortwahl oder die deutliche inhaltliche Positionierung. Die beiden Vorgänger von Merz, Angela Merkel (CDU) und Olaf Scholz (SPD), hätten diese Vokabel der Interviewerin jedenfalls vermutlich nicht übernommen und sich wahrscheinlich auch gescheut, sich so eindeutig und zudem in leicht verständlicher Sprache in eine völkerrechtliche Grauzone zu begeben.

MeinungKrieg in Nahost
:„Drecksarbeit“: Darf sich ein Kanzler zu einem Krieg so äußern?

SZ PlusEin Pro und Contra von Sara Maria Behbehani und Georg Ismar

Auch von Fachleuten gibt es schlechte Noten

Kritik seitens des Koalitionspartners SPD und in besonderer Schärfe aus der Opposition ließ denn auch nicht lange auf sich warten. „Merz sollte mal ein Klo putzen. Dann wüsste er, was Drecksarbeit bedeutet. Wenn Menschen getötet werden, nennt Merz das Drecksarbeit. Damit verhöhnt er die Opfer von Krieg und Gewalt“, sagte der Vorsitzende der Linken, Jan van Aken, am Mittwoch der Süddeutschen Zeitung.

„Die iranische Atombombe muss verhindert werden. Das ist durch kluge Verhandlungen möglich. Oder durch einen dreckigen Krieg. Wir können uns noch immer entscheiden, für welchen Weg wir uns starkmachen wollen“, betonte van Aken, der im Bundestag Mitglied des Auswärtigen Ausschusses ist und in den Nullerjahren als Biowaffeninspekteur für die Vereinten Nationen gearbeitet hat. Er sei „immer dafür, den Weg der Diplomatie zu gehen, solange es einen Weg der Verhandlungen gibt“, sagte van Aken. In den vergangenen zwanzig Jahren sei es gelungen, durch „kluge Diplomatie mit dem Atomdeal eine militärische Eskalation und gleichzeitig eine iranische Atombombe zu verhindern“. Als „vollkommen verfehlt“ bezeichnete es der in Iran geborene Vizepräsident des Bundestages, Omid Nouripour (Grüne), im Deutschlandfunk „zu sagen, die israelischen Bomben hätten jetzt dazu geführt, dass auch wir nicht mehr vom iranischen Terror bedroht werden“.

Ähnlich klang es beim SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner, der die Äußerung des Kanzlers „mehr als befremdlich“ nannte. „Gleichzeitig verrät das ein Verständnis, das meilenweit von dem entfernt ist, wie man das als Sozialdemokrat betrachtet“, sagte Stegner der Zeitschrift Spiegel. „Mit einer solchen Diktion suggeriert Herr Merz selbst, dass die militärische Attacke Netanjahus gegen Iran mutmaßlich völkerrechtswidrig war“, kritisierte der SPD-Politiker. „Da ist für einen Vertreter Deutschlands jedwede öffentlich geäußerte Erleichterung völlig unangebracht. Das gilt erst recht, wenn man die fraglos erheblichen Eskalationsgefahren mit einbezieht“, betonte er.

Schlechte Noten erhält Merz auch von außenpolitischen Experten, die ihm vorwerfen, sich zu sehr auf die Seite des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu zu stellen. Merz vermittele „ungewollt den Eindruck, kritiklos die Narrative Netanjahus von Israel als Verteidiger der westlichen Zivilisation zu übernehmen“, sagte Thorsten Benner, Direktor des Global Public Policy Institute in Berlin, der SZ. Damit lenke er „von der klugen Nuancierung ab, die der Kanzler in den letzten Wochen mit Blick auf die Politik der Kriegsverbrechen begehenden und Vertreibungspolitik verfolgenden Regierung Netanjahu vorgenommen hat“.

Hält die Bundesregierung die Militärschläge für völkerrechtlich gedeckt?

Allerdings könnte es dem Kanzler gerade auch darum gegangen sein: nach seiner überraschend unverblümten Kritik an der israelischen Kriegsführung im Gazastreifen deutlich zu machen, dass er in der existenziellen Frage der Bedrohung durch das iranische Atomprogramm auf der Seite Israels steht. Für die Bundesregierung insgesamt wirft das allerdings die Frage auf, ob es die israelischen Militärschläge wegen einer unmittelbaren Bedrohung für völkerrechtlich gerechtfertigt hält. Oder – Stichwort „Drecksarbeit“ – kein Problem darin sieht, über das Völkerrecht hinwegzugehen. Merz’ Äußerungen im ZDF klangen so, als habe er sich da festgelegt.

Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes versuchte allerdings, genau diesem Eindruck entgegenzutreten. Für das Gewaltverbot gelte als Ausnahme nur das in Artikel 51 der UN-Charta verankerte Recht auf Selbstverteidigung. Hier sei es „natürlich an dem Staat, der sich darauf beruft, darzulegen, warum es sich auf diesen Artikel beruft. Für uns hier ist es schwierig, da eine völkerrechtliche Einschätzung zu geben“. Vizeregierungssprecher Steffen Meyer bat, die Äußerungen des Kanzlers im Kontext einer Erklärung der G 7 in Kanada zu verstehen, die ihm „sehr, sehr wichtig“ gewesen sei. In der Erklärung hatten die G-7-Staaten das Selbstverteidigungsrecht Israels betont und erklärt, dass Iran nie in den Besitz von Atomwaffen gelangen dürfe.

Diesem Ziel ist Israel aus Sicht des Kanzlers jedenfalls näher gekommen. „Meine Annahme ist, dass es weitgehend beendet ist“, sagte Merz im ZDF-Interview zum Atomprogramm. Jedenfalls könne es „nicht einfach so weiter fortgesetzt werden“. Und damit, ist Merz überzeugt, hat Israel der Welt einen Dienst erwiesen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Ölpreis
:Was passiert, falls Iran nun die Straße von Hormus blockiert

Sollte Irans Führung, wie vom Parlament gebilligt, die Meerenge dichtmachen, würde das weltweite Erdölangebot um 20 Prozent sinken. Droht eine neue Ölkrise?

SZ PlusVon Markus Zydra

Lesen Sie mehr zum Thema

  • Medizin, Gesundheit & Soziales
  • Tech. Entwicklung & Konstruktion
  • Consulting & Beratung
  • Marketing, PR & Werbung
  • Fahrzeugbau & Zulieferer
  • IT/TK Softwareentwicklung
  • Tech. Management & Projektplanung
  • Vertrieb, Verkauf & Handel
  • Forschung & Entwicklung
Jetzt entdecken

Gutscheine: