Süddeutsche Zeitung

US-Luftangriff im Irak:Trumps Angriff, Irans Drohung

  • In einem von US-Präsident Trump angeordneten Luftschlag haben die USA Qassim Soleimani, den wichtigsten General des iranischen Regimes, getötet.
  • Der Tod des Generals wird spürbare Folgen haben, die Lunte für einen neuen Krieg im ohnehin unruhigen Nahen Osten brennt.
  • Der iranische Revolutionsführer versteht die Attacke als Kriegserklärung und droht mit Vergeltung.
  • In Berlin entbrennt eine Diskussion um die im Irak stationierten Bundeswehrsoldaten.

Von Moritz Baumstieger

Die Drohne, deren Raketen aus der schwelenden Kriegsgefahr zwischen den USA und Iran eine akute machte, trug den bezeichnenden Typennamen "Sensenmann": In der Nacht zum Freitag töteten die USA mit einem von US-Präsident Donald Trump angeordneten Luftschlag den iranischen Generalmajor Qassim Soleimani am Flughafen Bagdad.

Der wichtigste Militärstratege der Islamischen Republik war gerade mit einem Kleinflugzeug aus Syrien kommend in der irakischen Hauptstadt gelandet und in ein Auto umgestiegen, als er und sechs Begleiter von Flugkörpern getroffen wurden. Was von den Fahrzeugen nach dem Angriff übrig blieb, zeigen Fotos, die das Büro von Iraks Premier Adel Abdul al-Mahdi veröffentlichte: verkohlte und bizarr verformte Wracks, deren ursprüngliche Form kaum zu erahnen ist.

Der Tod des Generals wird spürbare Folgen haben, die Lunte für einen neuen Krieg im ohnehin unruhigen Nahen Osten brennt. Die seit 1998 von Soleimani geführte Eliteeinheit, die Quds-Brigaden, deren Stärke auf 5000 bis 15 000 Mann geschätzt wird, unterstehen nicht der Regierung, sondern direkt dem Obersten Führer Ali Chamenei. Sie sind das maßgebliche Instrument, mit dem Iran seinen Einfluss in der Region ausbaut: Durch Unterstützung von Milizen in Libanon und Jemen, durch den Einsatz schiitscher Kämpfer bei der Zerschlagung des IS im Irak und auf Seiten der Armee Baschar al-Assads auf den Schlachtfeldern Syriens, bei verdeckten Operationen weltweit.

Eine zentrale Aufgabe der Geheimdienste: Soleimanis Aufenthaltsort zu kennen

Nicht erst seit den Anschlägen auf Öltanker am Persischen Golf im Jahr 2019, die den Quds-Brigaden zugeschrieben wurden, war die Einheit in den USA unter Beobachtung. Den jeweils aktuellen Aufenthaltsort des Vielfliegers Soleimani zu kennen, war eine zentrale Aufgabe amerikanischer und israelischer Geheimdienste - dass man es aber wagen würde, dieses Wissen für eine gezielte Tötung einzusetzen, galt bis Freitag als unwahrscheinlich.

Der iranische Revolutionsführer nämlich versteht die Tötung seines Vertrauten als Kriegserklärung: "Die Kriminellen, die sein Blut und das der anderen Märtyrer von letzter Nacht an ihren Händen haben, erwartet kraftvolle Rache", ließ Chamenei wissen. Zunächst aber ordnete er in derselben Mitteilung eine dreitägige Staatstrauer an. Irans Außenminister Dschawad Sarif sprach von einer "extrem gefährlichen und dummen Eskalation", Verteidigungsminister Amir Hatami kündigte eine "vernichtende" Reaktion an.

Während Israels Premier Benjamin Netanjahu die Tötung Soleimanis begrüßte, äußerten Russland und China große Besorgnis, dass die Lage in der Region außer Kontrolle geraten könnte. Die Bundesregierung hingegen hielt sich mit Kritik zurück. Das Vorgehen der USA sei eine Reaktion auf militärische Provokationen, für die Iran Verantwortung trage, sagte Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer. Aus Washingtoner Regierungskreisen verlautete, dass die USA 3000 zusätzliche Soldaten in den Nahen Osten verlegen. US-Präsident Donald Trump teilte zunächst auf Twitter mit, Soleimani habe Tausende Amerikaner getötet oder schwer verwundet, aber nun sei er "erwischt worden". Bei einem Auftritt vor Journalisten in Florida betonte Trump später, Soleimani habe weitere "böse Angriffe" auf US-Soldaten und Diplomaten geplant, die unmittelbar bevorgestanden hätten. "Aber wir haben ihn auf frischer Tat ertappt und erledigt." Aber die USA hätten "vergangene Nacht gehandelt, um einen Krieg zu stoppen", und nicht, "um einen Krieg zu beginnen." Trump zollte der iranischen Bevölkerung seinen "tiefen Respekt".

Der Demokrat Joe Biden, der bei der Präsidentschaftswahl im Herbst antreten will, griff den Amtsinhaber an: "Präsident Trump hat soeben eine Stange Dynamit in ein Pulverfass geworfen", sagte der frühere US-Vizepräsident. Mitglieder von Senat und Repräsentantenhaus beschwerten sich, dass der Kongress bei der Entscheidung nicht konsultiert worden sei - laut Verfassung habe das Parlament über Krieg und Frieden zu entscheiden, was Aktionen einschließe, die zum Ausbruch neuer Feindlichkeiten führen könnten.

Nachdem die USA und die Niederlande ihre sich im Irak aufhaltenden Bürger aufgefordert hatten, das Land zu verlassen, debattierte Berlin um die dort stationierten Bundeswehrsoldaten. Dass die Internationale Militärkoalition gegen den IS die Bewegungen auch der dort dienenden 130 Deutschen aus Sicherheitsgründen einschränkte, reichte dem außenpolitischen Sprecher der Grünen im Bundestag nicht. Die Mission müsse "sofort ausgesetzt" werden, forderte Omid Nouripour, auch FDP-Vizefraktionschef Alexander Graf Lambsdorff will eine "neue Bewertung" des Einsatzes. Der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Fraktion, Johann Wadephul, hingegen sieht "keinen Grund, den Einsatz gegen den islamistischen IS-Terror zu beenden".

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4744096
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 04.01.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.