Eine Woche lang behaupteten die iranischen Behörden, sie hätten Jamshid Sharmahd hingerichtet, einen deutschen Staatsbürger und Gegner des Regimes. Jetzt, am Dienstag, widersprach ein Sprecher der iranischen Justiz der eigenen Darstellung. Die Vollstreckung des Todesurteils sei schon geplant gewesen, aber der Verurteilte sei kurze Zeit vorher gestorben. „Das Schicksal hatte keine Gnade“, sagte der Sprecher vor Journalisten in Teheran. Weshalb die Islamische Republik zunächst von einer Hinrichtung sprach, erklärte er nicht. Sharmahd war vor vier Jahren von iranischen Agenten in den Vereinigten Arabischen Emiraten entführt und nach Iran verschleppt worden.
Der 69-Jährige litt an Parkinson und wurde offenbar in iranischer Haft gefoltert. Seine Tochter Gazelle Sharmahd beschrieb, dass er in einem Telefonat im vergangenen Jahr kaum noch sprechen konnte, er hatte seine Zähne verloren. Sharmahd, der mit seiner Familie lange in Deutschland und zuletzt in den USA lebte, hatte sich in der Exilopposition engagiert. Das theokratische Regime der Mullahs lehnte er ab, stattdessen warb er für eine Rückkehr zur 1979 abgeschafften Monarchie. Aus dem Exil betrieb Sharmahd Webseiten, auf denen sich Iranerinnen und Iraner zu Wort melden konnten.
Baerbock ließ alle iranischen Konsulate schließen
Vergangenes Jahr, drei Jahre nach seiner Entführung in Dubai während einer Geschäftsreise, verurteilte ihn ein sogenanntes Revolutionsgericht zum Tode. Dass das Urteil vollstreckt worden sei, meldete das Regime in einer besonders angespannten Zeit – nur wenige Tage nach den israelischen Luftangriffen auf Iran. Erst kürzlich hatte die Europäische Union ihre Sanktionen gegen Iran verschärft.
Sharmahds Tod stürzte das deutsch-iranische Verhältnis in eine schwere Krise. Außenministerin Annalena Baerbock sprach von einer „Ermordung“ und drohte „schwerwiegende Konsequenzen“ an. Am Donnerstag ließ Baerbock alle iranischen Konsulate in der Bundesrepublik schließen, nur die Botschaft in Berlin soll geöffnet bleiben. Außerdem berief Baerbock den deutschen Botschafter in Teheran nach Berlin zurück, zu Konsultationen, wie es hieß.
Unklar ist, ob die neue Version Schadensbegrenzung sein soll
In Deutschland hatte es am Verhalten der Bundesregierung in dem Fall heftige Kritik gegeben. Sie habe zu wenig getan, um den Bürger aus dem iranischen Gefängnis zu befreien. Gerade an der Wortwahl von Bundeskanzler Scholz störten sich viele, er sprach nach Sharmahds Tod von einem „Skandal“. Auch Gazelle Sharmahd, die Tochter, warf der Bundesregierung vor, sie habe sich für ihren Vater nicht genügend eingesetzt. Nach der Todesnachricht forderte sie, Deutschland solle die Beziehungen zum iranischen Regime ganz einstellen. Und nun zumindest sicherstellen, dass der Leichnam ihres Vaters überstellt wird.
Die Reaktionen aus Teheran klangen nicht, als setze man dort noch auf eine Annäherung mit dem Westen. Die hatte der neue Präsident, Massud Peseschkian, versprochen, vor allem wegen der westlichen Sanktionen gegen das Land. Nun griff Außenminister Abbas Araghchi seine Amtskollegin Baerbock scharf an, warf ihr „unprofessionelles“ Verhalten vor und nannte Sharmahd einen „terroristischen Kriminellen“. Unklar ist, ob das Regime jetzt, mit dem nachträglichen Leugnen der Hinrichtung, den diplomatischen Schaden begrenzen will.
Aus dem Auswärtigen Amt hieß es am Dienstag nur, Sharmahds Tod sei Deutschland von iranischer Seite bestätigt worden. Er sei vom iranischen Regime „unter unmenschlichen Bedingungen und ohne die notwendige medizinische Versorgung“ gefangen gehalten worden. Iran sei deswegen „für seinen Tod verantwortlich“.