Die iranische Provinz Khusestan, gelegen am Persischen Golf und der Grenze zum Irak, hat Stätten des Weltkulturerbes zu bieten. Ein deutscher Staatsangehöriger indes soll dort laut dürren Berichten iranischer Staatsmedien Ölanlagen in einem Sperrgebiet fotografiert haben. Allerdings ist der Tourist - anders als es zunächst hieß, nicht verhaftet worden. Nach Rücksprache mit den iranischen Behörden habe sich der Fall nicht bestätigt, hieß es dazu am Mittwochabend aus dem Auswärtigen Amt.
Westliche Diplomaten werfen dem Regime aber ungeachtet dieses glimpflichen Ausgangs Geiseldiplomatie vor. Ausländer würden von den Geheimdiensten, zumeist den Revolutionsgarden, unter fadenscheinigen Vorwänden willkürlich verhaftet und in intransparenten Verfahren wegen Spionage oder anderer Delikte verurteilt. Das Ziel: Verhandlungsmasse gegenüber dem Westen aufzubauen. Iran setzt die Gefangenen als Druckmittel ein, um eigene Staatsangehörige freizupressen, vor allem Mitglieder des Sicherheitsapparates, aber auch um politisch Druck auszuüben.
Gefangene aus Deutschland, USA, Großbritannien
Besonders gefährdet sind laut Auswärtigem Amt Doppelstaatler, die auch eine iranische Staatsangehörigkeit haben. Seit dem Ausbruch landesweiter Proteste im September hat sich die Situation nochmals drastisch verschärft; von einer "Vielzahl willkürlicher Verhaftungen ausländischer Staatsangehöriger" spricht das Ministerium. Irans Justiz teilte Ende November mit, sie habe 40 Ausländer wegen Beteiligung an den Protesten inhaftiert.
Neben Deutschen hält Iran Bürger von mindestens vier weiteren EU-Staaten fest, aber auch Staatsangehörige der USA, Großbritanniens und Kanadas. Das Schicksal dieser Menschen spielt eine erhebliche Rolle bei der Frage nach dem Umgang mit Teheran und der Reaktion auf die Niederschlagung der Proteste, die ihren Ausgangspunkt im Tod der Kurdin Mahsa Amini durch Misshandlungen in Polizeigewahrsam hatten. Sie haben sich zur größten Herausforderung für das Regime der Islamischen Republik mindestens seit der Grünen Revolution im Jahr 2009 entwickelt.
Seit Monaten fordern Vertreter der iranischen Diaspora eine härtere Gangart auch der Bundesregierung. Außenministerin Annalena Baerbock sah sich Vorwürfen ausgesetzt, zwar eine feministische Außenpolitik zu proklamieren, die Proteste aber nicht vorbehaltlos zu unterstützen, etwa um ein mögliches Wiederaufleben des Atomabkommens nicht zu gefährden. Verhandlungen darüber gibt es allerdings seit dem Sommer nicht mehr.
Iran:"Wir sind alle Jina, wir hätten alle Jina sein können"
Der Tod von Mahsa Jina Amini hat in Iran landesweiten Proteste ausgelöst. Mit der Kurdin können sich vor allem die Minderheiten des Landes identifizieren. Wie sich diese nun miteinander solidarisieren.
Konkret fordern viele iranischstämmige Menschen, aber auch Vertreter der Unionsfraktion im Bundestag, wie der Außenpolitiker Norbert Röttgen, es den USA gleichzutun und die Revolutionsgarden in der EU als Terrororganisation einzustufen und mit entsprechenden Sanktionen zu belegen. Auch in den Fraktionen der Ampelkoalition gibt es zunehmend Verfechter, unter ihnen Grünen-Chef Omid Nouripour und FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai, die beide aus Iran stammen.
Auch EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen sprach sich am Dienstag dafür aus. Seit einer Reihe von Hinrichtungen wächst unter den EU-Staaten die Unterstützung. Auch Großbritannien erwägt diesen Schritt, nachdem Iran den Doppelstaater Alireza Akbari gehängt hat. Darüber hinaus gibt es in Deutschland Forderungen, Teherans Botschafter Mahmoud Farazandeh des Landes zu verweisen und die deutsche Vertretung ebenfalls auf Ebene eines Geschäftsträgers zurückzustufen.
Eine härtere Gangart könnte den Inhaftierten schaden
Die Union hat dazu für diesen Donnerstag eine Bundestagsdebatte beantragt, wohl auch um den Druck auf Baerbock zu steigern. Am Mittwoch berieten die Botschafter der EU-Staaten in Brüssel über neue Strafen. Baerbock zeigt sich zwar offen, eine Einstufung der Garden zu prüfen. Das Auswärtige Amt sieht aber die Voraussetzungen nach EU-Recht derzeit nicht gegeben. So müssten zumindest in einem Mitgliedstaat Ermittlungen oder ein Strafverfahren wegen terroristischer Handlungen laufen.
Im Interesse der bestmöglichen konsularischen Betreuung inhaftierter Deutscher sei es zudem wichtig, über eine voll funktionsfähige Botschaft in Teheran zu verfügen, argumentiert das Auswärtige Amt. Die Ausweisung des iranischen Botschafters zöge als Reaktion nach sich, dass auch Deutschlands Botschafter Iran verlassen müsste. Zudem hat die Bundesregierung nicht einmal den Botschafter Russlands aus dem Land geworfen.
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Röttgen verweist allerdings darauf, dass die EU Sanktionen auch auf entsprechende Verfahren in Drittstaaten stützen könne; eine Möglichkeit, die auch das Auswärtige Amt sieht. Der CDU-Politiker verweist darauf, dass der Europäische Gerichtshof entschieden habe, dass "das Anti-Terrorregime der EU auch auf Terrorakte und rechtsstaatliche Strafverfolgung wegen solcher Delikte in Drittstaaten Anwendung findet". Eine solche Verurteilung von Mitgliedern der Revolutionsgarden liege in den USA vor. Im EU-Recht ist dazu eine Prüfung durch die Mitgliedstaaten vorgesehen, so muss die eng gefasste Terrorismus-Definition der EU erfüllt sein.
Überdies wäre für eine Listung ein Konsens aller Mitgliedstaaten erforderlich. Der hatte sich zuletzt noch nicht abgezeichnet, gerade weil Länder wie Frankreich oder Belgien fürchten, dass sich die Lage ihrer inhaftierten Bürger weiter verschlechtern könnte. Tobias Billström, der Außenminister Schwedens, das die EU-Ratspräsidentschaft innehat, verwies darauf, dass die Revolutionsgarden bereits wegen Menschenrechtsverletzungen Sanktionen in der EU unterworfen seien. Diese gingen über die Maßnahmen wegen Terrorismus hinaus. Er verstehe aber, dass eine Terror-Listung symbolischen Wert habe.
Zunächst sollen aber Sanktionen gegen drei Dutzend weitere Personen und Organisationen erlassen werden, die an der brutalen Unterdrückung der Proteste beteiligt waren. Darauf einigten sich einstimmig Vertreter der EU-Staaten am Mittwochabend in Brüssel, bestätigten Diplomaten der dpa. Es geht um Einreiseverbote und Einfrieren von Vermögen, die sich in der EU befinden. Formell beschließen sollen diese Schritte dann nächste Woche die EU-Außenminister.