Süddeutsche Zeitung

Iran:Immer mehr Giftanschläge auf Schülerinnen

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Wer hinter den Attacken auf Hunderte Mädchen steckt, ist unklar. Doch während Irans Präsident auf angebliche ausländische Sabotage verweist, stehen vor allem religiöse Extremisten unter Verdacht.

"Als sich der Geruch ausbreitete, haben alle sofort verstanden, worum es geht und sind aus dem Klassenzimmer gerannt." Die dramatische Szene, die eine Achtklässlerin der iranischen Zeitung Shargh schildert, beschreibt einen der jüngsten Fälle mysteriöser Giftanschläge in iranischen Schulen.

Hunderte Schülerinnen an Dutzenden Orten sind inzwischen betroffen, aber noch immer gibt es keine offizielle Erklärung für die Angriffe. Betroffene erzählen unter anderem von zischenden Geräuschen in den Klassenräumen und Schwefelgeruch. Iranische Ärzte tippen daher auf Giftgase.

Auch viele Schülerinnen sind an den Protesten gegen das Regime beteiligt

Die ersten Fälle wurden bereits Ende November gemeldet. Waren zunächst einige Mädchenschulen in der schiitischen Hochburg Ghom betroffen, wurden in den vergangenen Tagen immer mehr Fälle in anderen Landesteilen bekannt, inzwischen auch aus Teheran. Videos der Zeitung Shargh zeigten Rettungswagen und Feuerwehrautos vor einer Schule im Osten der Millionenmetropole. In den sozialen Medien kursieren zahlreiche Fotos und Videos von Mädchen, die im Krankenhaus liegen. Einige sagten, ihnen sei übel, andere klagten über Kopfschmerzen und Herzrasen.

Politiker in Iran reagierten zu Beginn der Vorfälle zögerlich, dann verkündeten Abgeordnete, es handele sich um gezielte Anschläge. Aus Behördenkreisen wurde bekannt, dass extremistische religiöse Gruppen als Verantwortliche vermutet werden, die die Schulbildung von Mädchen ablehnen. Auch viele Schülerinnen haben sich an den massiven Protesten beteiligt, die sich seit Monaten gegen das iranische Regime richten und gegen Missachtung der Menschenrechte, besonders von Frauen und Mädchen.

Die Angriffe haben mittlerweile viele Eltern im Land veranlasst, ihre Kinder aus Angst um deren Sicherheit von den Schulen zu nehmen. International lösen die Vorfälle massive Kritik aus. Die Berichte über die Vergiftungen seien "zutiefst beunruhigend", die Welt müsse die Ursachen dafür erfahren, sagte etwa der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats der USA, John Kirby, in Washington.

Ähnlich äußerte sich Bundesaußenministerin Annalena Baerbock. "Die Berichte vergifteter Schulmädchen in Iran sind schockierend", so die Grünen-Politikerin auf Twitter. "Mädchen müssen ohne Angst zur Schule gehen können - ganz egal ob in Teheran oder Ardabil", schrieb sie. "Das ist nichts weniger als ihr Menschenrecht. Alle Fälle müssen lückenlos aufgeklärt werden."

Eine Sprecherin des UN-Hochkommissars für Menschenrechte sagte, die Vorwürfe seien besorgniserregend, dass Mädchen unter mysteriösen Umständen absichtlich angegriffen wurden. Die Ergebnisse einer staatlichen Untersuchung müssten veröffentlicht und die Täter vor Gericht gestellt werden.

Irans Präsident beschuldigt das Ausland

Der Vize-Gouverneur des Teheraner Vororts Pardis, Resa Karimi Saleh, sagte der Nachrichtenagentur Tasnim, es sei neben einer Schule ein Tankwagen gesehen worden, der wahrscheinlich in Zusammenhang mit den Vergiftungen stehe. Derselbe Tankwagen sei auch in Kom und Borudsched in der westlichen Provinz Lorestan gewesen. Auch dort hatten Schülerinnen Vergiftungen erlitten. "Wachleute auf einem Parkplatz, auf dem der Treibstofftanker geparkt war, haben ebenfalls eine Vergiftung erlitten", sagte Saleh und bezog sich auf Pardis. Nähere Details nannte er nicht.

Der iranische Präsident Ebrahim Raissi versucht derweil, ausländische Akteure verantwortlich zu machen. Die Vergiftungen seien ein Versuch, Chaos im Land zu verbreiten, behauptete Raissi am Freitag. "Der Feind versucht so, Eltern und Schüler zu verängstigen und zu verunsichern", sagte er in einer Rede. Raissi ließ offen, wer diese Feinde seiner Meinung nach sind. Allerdings werden regelmäßig die USA und Israel als solche bezeichnet.

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