Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Iran aufgefordert, zwei festgenommene deutsche Reporter wieder freizulassen. Die Bundesregierung habe ein "großes Interesse" daran, dass die beiden Staatsbürger freikämen, sagte Merkel während eines Aufenthalts in der rumänischen Hauptstadt Bukarest.
Zuvor hatte sich bereits die deutsche Botschaft in Teheran eingeschaltet. Nach Angaben eines Sprechers des Auswärtigen Amtes in Berlin, sei man gemeinsam mit der deutschen Botschaft in Teheran "auf verschiedenen Ebenen intensiv um Aufklärung der genauen Umstände bemüht".
Iran hat inzwischen bestätigt, dass es sich um zwei deutsche Staatsbürger handelt. Es sei unklar, ob es sich bei den beiden um Journalisten handle, sagte ein Sprecher des Außenministeriums, Raomin Mehmanparast, in Teheran. Die Deutschen waren angeblich ohne Akkreditierung als Touristen eingereist.
Die iranische Staatsanwaltschaft hatte zuvor die Festnahme von zwei Ausländern bekannt gegeben, die ein Interview mit dem Sohn der zum Tod durch Steinigung verurteilten Iranerin Sakine Mohammadi Aschtiani geführt hatten.
Die in Deutschland lebende Sprecherin des Komitees gegen die Steinigung, Mina Ahadi, erklärte, sie habe an dem im Büro von Aschtianis Anwalt geführten Interview am Sonntagnachmittag per Telefonkonferenz teilgenommen. "Plötzlich habe ich Geräusche gehört und eine Stimme, die weder von Aschtianis Anwalt noch ihrem Sohn stammen konnte", so Ahadi im Gespräch mit sueddeutsche.de.
Festnahme live am Telefon
Einer der Journalisten habe "Was ist hier los?" gerufen. "Dann hat er gesagt, er müsse jetzt auflegen." Sie habe wieder und wieder versucht, bei Aschtianis Anwalt anzurufen, allerdings ohne Erfolg. Weder die Journalisten, noch den Sohn von Aschtiani, noch Houtan Kian, den Anwalt, habe sie bisher erreichen können.
Sie habe auch mit Bekannten von Aschtianis Sohn gesprochen, diese hätten ebenfalls keine Neuigkeiten, sagte Ahadi weiter. Daher sei sich sicher, dass die vier festgenommen worden seien. Normalerweise stünde sie "täglich" mit ihnen im Kontakt. Weiter berichtet Ahadi, die Familie der inhaftierten Iranerin habe bereits im Hauptgefängnis von Tabriz vorgesprochen, der Stadt, wo das Interview stattgefunden hatte. "Dort ist ihnen aber gesagt worden, dass keiner der vier Männer dort im Gefängnis ist." Die Familie sei sehr besorgt: "Sie haben seit 24 Stunden keine Nachricht."
Auch der französische Philosoph Bernard-Henri Lévy, der sich seit geraumer Zeit für eine Begnadigung Aschtianis einsetzt, erklärte in der Onlineausgabe seiner Zeitschrift La Règle du Jeu, er habe keinen Kontakt mehr zu Aschtianis Sohn, ihrem Anwalt und den beiden Journalisten. Seinen Angaben nach arbeiten sie für die Bild-Zeitung, einer der beiden Journalisten sei Fotograf.
Der Axel-Springer-Verlag, in dem die Bild-Zeitung erscheint, kann das nicht bestätigen. "Von einer Verhaftung von Mitarbeitern unseres Verlages ist uns nicht bekannt", sagt Pressesprecher Tobias Fröhlich auf Anfrage. Auch ob Reporter der Bild-Zeitung in Iran unterwegs seien, will er nicht bestätigen. "Wir haben weltweit zahlreiche Mitarbeiter im Einsatz", sagt er.
Philosoph Lévy schreibt in seiner Zeitschrift, auch er stehe mit der Familie der Iranerin Aschtiani in Kontakt. Auf diese Weise habe er erfahren, dass kurz nach dem Interview auch ihr Sohn Sajjad Ghaderzadeh verschwunden sei und das Büro des Anwaltes geschlossen worden sei. Zuvor sei der Jurist Kian vom iranischen Informationsministerium zwölf Stunden lang verhört und unter Druck gesetzt worden.
"Sie haben ihm gesagt, dass er sich nicht mit ausländischen Medien sprechen soll", berichtet auch Sprecherin Ahadi. "Sie wollen nicht, dass noch mehr Informationen über den Fall nach außen dringen."
In dem Interview in Tabriz hätten sich die Journalisten nach dem neuesten Stand im Fall Aschtiani erkundigen wollen. "Aschtianis Sohn wollte unbedingt, dass das Interview in dem Anwaltsbüro stattfindet, weil er sich dort sicherer fühlte", erklärt Ahadi. Vor der Festnahme hätten sie über den enormen Druck gesprochen, unter dem Aschtianis Sohn und der Anwalt gestanden hätten. "Sie haben beide gesagt, dass sie Angst haben", so Ahadi. Wie sich jetzt herausstellt, war diese Angst wohl begründet.
Ahadi erwartet, dass die iranische Regierung nun Forderungen an Deutschland stellt, bevor die Journalisten freigelassen werden. "Sie haben jetzt ein Druckmittel", so Ahadi.
Nach Einschätzung von Rechtsexperten in Teheran können die beiden Ausländer auf eine baldige Ausweisung hoffen, falls die iranischen Behörden sie als Journalisten einstufen, die ohne Erlaubnis im Land arbeiteten.
Sollten sie jedoch beschuldigt werden, Menschenrechts- Aktivisten zu sein und darüber hinaus mit einer Dissidentin wie Ahadi zusammengearbeitet zu haben, dürfte sich der Fall weitaus komplizierter entwickeln. Es könne dann in Richtung einer Gefährdung der nationalen Sicherheit gehen. Dann sei eine Anklage wegen Spionage vor dem berüchtigten Revolutionsgericht nicht ausgeschlossen.