Süddeutsche Zeitung

Raketenangriff auf Erbil:Iran bekennt sich zu dem Anschlag

Die iranischen Revolutionsgarden erklären sich verantwortlich für einen Raketenangriff auf die Stadt Erbil im Nordirak. Das Motiv: Vergeltung. Die Verhandlungen über ein neues Atomabkommen mit Iran könnten jetzt scheitern.

Iran hat die Verantwortung für einen Raketenangriff auf Erbil, die Hauptstadt der Autonomen Region Kurdistan, in der Nacht zum Sonntag übernommen. Die iranischen Revolutionsgarden erklärten, es haben einen Raketenangriff auf ein israelisches "strategisches Zentrum" in der nordirakischen Stadt Erbil durchgeführt, heißt es auf dem offiziellen Nachrichtenportal der Gruppe, Sepah News. Zuvor hatte die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) mitgeteilt, dass zwölf ballistische Raketen in ein Gebiet in der Nähe des neuen US-Konsulates in Erbil eingeschlagen sind. Menschliche Opfer habe es keine gegeben.

Unter Berufung auf einen US- und einen irakischen Beamten berichtet AP, die Raketen seien von Iran aus abgefeuert worden. Der Raketenangriff erfolgt Tage, nachdem Iran Vergeltung für die Tötung zweier Führer der Revolutionsgarden Anfang vergangener Woche in Damaskus verkündet hatte. Iran macht Israel für die Tötungen verantwortlich. Der Sepah-Erklärung vom Sonntag zufolge warnt die Garde vor einer "ernsthaften und destruktiven Reaktion" im Falle künftiger Angriffe aus Israel.

Der Gouverneur von Erbil, Omed Khoshnaw, bezeichnete Behauptungen über eine angebliche israelische Geheimdienstbasis im Nordirak als haltlos. "Es gibt keine israelischen Stützpunkte in der Gegend", sagte Khoshnaw dem Sender Rûdaw. Die Raketen hätten ihre Ziele verfehlt. Khoshnaw zufolge wurden zwei Zivilisten leicht verletzt.

US-Präsident Joe Bidens Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan verurteilte den Angriff. Es seien keine US-Ziele getroffen und keine US-Bürger zu Schaden gekommen, sagte er am Sonntag im Gespräch mit dem Sender CBS. Die USA seien im Gespräch mit der irakischen Regierung und jener in Erbil, "zum Teil, um ihnen zu helfen, die Fähigkeit zur Raketenabwehr zu bekommen, um sich und ihre Städte zu verteidigen", sagte Sullivan.

Ein Sprecher des Auswärtigen Amts in Berlin erklärte, Deutschland verurteile die von den iranischen Revolutionsgarden reklamierten Raketenangriffe auf das Schärfste. "Angriffe auf diplomatisches Personal, Vertreter und Einrichtungen der Anti-IS-Koalition sind nicht hinnehmbar. Die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden", sagte er.

Atomabkommen mit Iran steht wieder auf der Kippe

Im Ringen um eine Rettung des Atomabkommens mit Iran haben europäische Verhandler am Samstag vor einem Kollaps des eigentlich schon ausgehandelten Deals gewarnt. Die Verhandlungen mussten gerade nach neuen Forderungen Russlands kurz vor der Ziellinie unterbrochen werden. Russland verlangt Garantien, dass westliche Sanktionen im Zusammenhang mit dem Krieg gegen die Ukraine nicht die wirtschaftlichen und militärischen Beziehungen zwischen Iran und Russland behindern.

Das Atomabkommen heißt offiziell "Joint Comprehensive Plan of Action" (JCPOA). "Niemand sollte versuchen, die JCPOA-Verhandlungen auszunutzen, um Zusicherungen zu erhalten, die unabhängig vom JCPOA sind", hieß es am Samstag aus Kreisen der Verhandler aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Sie vermitteln zusammen mit Diplomaten aus Russland und China seit elf Monaten zwischen Iran und den USA. "Dies birgt die Gefahr, dass der Deal platzt." Die Länder riefen dazu auf, das Abkommen "mit äußerster Dringlichkeit" abzuschließen.

Bidens Nationaler Sicherheitsberater Sullivan sagte dazu am Sonntag: "Die Verhandlungsführer sind wieder zu Hause in ihren Hauptstädten und wir werden sehen müssen, was in Bezug auf die diplomatischen Bemühungen zum Atomabkommen in den kommenden Tagen passiert." Biden sei entschlossen, Iran daran zu hindern, Atomwaffen zu bekommen, sagte er dem TV-Sender CBS.

Die USA waren unter dem früheren Präsidenten Donald Trump aus dem Atomabkommen von 2015 ausgestiegen und hatten Iran mit neuen Embargos in eine Wirtschaftskrise gestürzt. Teheran reagierte unter anderem mit der Herstellung von hoch angereichertem Uran, dass relativ schnell zu waffenfähigem Material weiterverarbeitet werden könnte. Die neue Übereinkunft sieht vor, dass die Vereinigten Staaten ihre Sanktionen gegen Iran aufheben. Im Gegenzug soll die Islamische Republik ihr Atomprogramm wieder einschränken, um die Entwicklung von Nuklearwaffen zu unterbinden.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5547115
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/Bloomberg/kler/bix
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.