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Iran:Entschuldigung erwartet

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Auch die Iraner sind von dem neuen Bericht durch die US-Geheimdienste überrascht worden - nun fordern Politiker, dass das Weiße Haus umgehend um Verzeihung bitten soll.

Rudolph Chimelli

Offensichtlich sind die Iraner von der Neueinschätzung der Lage durch die US-Geheimdienste völlig überrascht worden. Es dauerte fast 20 Stunden, bis sich Außenminister Manutscher Mottaki im staatlichen Rundfunk zu der vorsichtig positiven Einschätzung bereit fand: "Natürlich begrüßen wir es, wenn jene Länder, die Fragen und Zweideutigkeiten verstreuten, ihre Ansichten realistisch korrigieren." Für alle Welt werde dadurch die friedliche Natur des iranischen Atomprogramms deutlich.

Durch Lügen Schaden zugefügt

Regierungssprecher Gholam-Hossein Elham reagierte schärfer. Er sagte, die USA hätten durch ihre Lügen der iranischen Nation viel Schaden zugefügt und die Weltmeinung verstört. "Deshalb sollen sie für ihre Handlungen bezahlen."

Die Abgeordnete Elham Aminzadeh, Mitglied des Parlamentsausschusses für nationale Sicherheit und Außenpolitik, verlangte eine Entschuldigung des Weißen Hauses und die Aufhebung der Sanktionen durch den Weltsicherheitsrat.

Die fünf ständigen Mitglieder des Rats und Deutschland warnte die Abgeordnete vor "schädlichen Folgen", falls sie weiterhin grundlos die Verabschiedung einer Sanktions-Resolution verfolgten.

In der Substanz ändert der Bericht aus Washington an der Haltung Teherans nichts. Die Iraner haben nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass sie alle Zweige einer modernen Atom-Industrie errichten wollen - vom Abbau von Uranerz in eigenen Bergwerken über die Anreicherung von Uran bis zur Wiederaufbereitung verbrauchten Materials. Sie betonen stets, dass sie sich damit im Rahmen dessen bewegen, was ihnen der Nichtverbreitungsvertrag für Atomwaffen erlaubt.

Dies bestätigte im Wesentlichen auch die Internationale Atom-Agentur in Wien in ihrem jüngsten Bericht, nachdem sie ihr Inspektionssystem in den vergangenen Jahren verbessern konnte.

Atomindustrie an Schwelle der Waffenfähigkeit bringen

Ziel der Politik Teherans ist es, seine Atomindustrie an die Schwelle der Waffenfähigkeit zu bringen, die Länder wie Deutschland oder Japan längst erreicht haben, ohne davon Gebrauch zu machen.

Da Iran davon noch Jahre entfernt ist - auch nach dem US-Geheimdienstbericht - , ist es für die Iraner im Augenblick irrelevant, ob sie die Bombe nicht bauen können oder nicht bauen wollen. Das war auch schon im Jahr 2003 so, als sie nach Angaben des amerikanischen Berichts ihr Waffenprogramm zu den Akten legten.

Deshalb konnte sich der geistliche Führer Ali Chamenei auch seinen wiederholt geäußerten Glaubenssatz leisten, der Islam verbiete die Herstellung von Massenvernichtungswaffen. Denn die politische Entscheidung für oder gegen Atomwaffen kann sich erst stellen, wenn man technisch in der Lage ist, sie zu produzieren.

Niemand weiß, wie sich strategische Lage im Nahen Osten entwickelt

Niemand weiß, wer in fünf oder zehn Jahren in Teheran an der Macht sein wird - oder in Washington. Und niemand weiß auch, wie sich die strategische Lage im Nahen Osten und in der Welt entwickelt. Gegen diese Einschätzung der Lage gibt es im Prinzip unter Iranern kaum Widerspruch, auch nicht bei Reformern oder den geistlichen Honoratioren, die den Kurs des Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad scharf missbilligen.

Noch bevor der Bericht in Washington publik wurde, hatte der Präsident auf einem Treffen des Golf-Kooperationsrats den Lärm um Irans Atomprogramm als eine rein politisch motivierte Propagandakampagne bezeichnet. Zum General-Sekretär der Arabischen Liga, Amr Mussa, sagte Ahmadinedschad: "Heute haben sie verstanden, dass ihr Druck und ihre Drohung nicht die geringste Wirkung auf die iranische Nation haben."

In Teheraner Oppositionskreisen wurde am Dienstag als Folge des US-Berichts die Befürchtung laut, viele Iraner könnten darin eine Bestätigung der unnachgiebigen Haltung des Präsidenten sehen. Tatsächlich allerdings spricht die Formulierung des Berichts, Iran lasse sich bei seiner Atom-Politik von Kosten-Nutzen-Rechnungen leiten, das Faktum aus, dass Iran durchaus empfindlich ist, wenn es um Sanktionen geht.

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SZ vom 05.12.2007/dmo
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