Iran:Eklat nach Hinrichtung

Wirtschaftsforum wird abgesagt, nachdem Europäer Vollstreckung der Todesstrafe an Teheran-kritischem Journalisten kritisiert haben. Es gibt weitere Fälle von im Ausland durch iranische Sicherheitskräfte verschleppten Regimegegnern.

Von Paul-Anton Krüger, München

Die Hinrichtung des iranischen Journalisten Ruhollah Zam hat zu einem diplomatischen Eklat zwischen dem Regime in Teheran und europäischen Staaten geführt. Die Organisatoren des europäisch-iranischen-Wirtschaftsforums, unter ihnen die iranische Regierung, gaben am Sonntagabend ohne Nennung von Gründen bekannt, dass die Veranstaltung auf unbestimmte Zeit verschoben wird. Zuvor hatten die Botschafter Frankreichs, Deutschlands, Italiens und Österreichs ihre Teilnahme abgesagt. Sie hätten am Montag zum Auftakt bei einer Podiumsdiskussion sprechen sollen.

Eigentlich sollte die Veranstaltung den Weg zu einer gewissen Annäherung öffnen

Für die dreitägige Veranstaltung, die wegen der Corona-Pandemie online abgehalten werden sollte, hatten sich laut den Veranstaltern 3300 Teilnehmer aus 40 Ländern registriert. Die Regierung von Präsident Hassan Rohani hat dem Forum große Bedeutung zugemessen: Außenminister Mohammed Dschawad Sarif sollte dort sprechen, ebenso der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Sie wollte signalisieren, dass Iran nach dem Machtwechsel in Washington und der möglichen Rückkehr des designierten US-Präsidenten Joe Biden in das Atomabkommen von 2015 wieder zu einem interessanten Handelspartner werden könnte.

Nach der schweren Explosion in Beirut

Ließ den deutschen und französischen Botschafter einbestellen, weil ihre Länder die Hinrichtung des Journalisten Ruhollah Zam kritisiert haben: Mohammed Dschawad Sarif, der iranische Außenminister.

(Foto: -/picture alliance/dpa/Dalati & No)

Rohani will eine Normalisierung der Beziehungen vor allem mit europäischen Staaten noch in seiner Amtszeit bis zur Präsidentenwahl im Juni herbeiführen. Das Außenministerium hatte am Wochenende aber den deutschen Botschafter Hans-Udo Muzel als Vertreter der rotierenden EU-Ratspräsidentschaft und den französischen Botschafter Philippe Thiébaud einbestellt, um gegen Kritik an Zams Hinrichtung zu protestieren.

Unterdessen ist ein britisch-iranischer Doppelstaatler zu mehreren Jahren Haft verurteilt worden

Der Journalist hatte seit 2009 im Exil in Frankreich gelebt und war 2019 unter einem Vorwand mutmaßlich vom iranischen Geheimdienst in den Irak gelockt worden. Von dort entführten ihn die Revolutionsgarden nach Iran, wo ihn ein Revolutionsgericht zum Tode verurteilte. Zam hatte die Proteste in Iran zum Jahreswechsel 2017/2018 dokumentiert und war mit seinem Nachrichtenkanal Amad News zu einer wichtigen Informationsquelle für viel Iraner geworden. Das Regime hatte versucht, die Berichterstattung über die landesweiten Demonstrationen und die Brutalität der Sicherheitsorgane zu unterdrücken.

Die Verstimmung mit den Europäern dürfte sich durch ein Urteil gegen einen britisch-iranischen Doppelstaatler weiter verschärfen. Ein Gericht in Teheran verurteilte den Anthropologen Kamil Ahmadi laut der Nachrichtenagentur Tasnim am Sonntag zu neun Jahren Haft und einer Geldstrafe von umgerechnet 600 000 Euro. Sein Anwalt sprach von acht Jahren Haft. Ahmadi, ein Kurde, wird "subversiver" Tätigkeiten im Zuge seiner Forschungsarbeit beschuldigt, er war im August 2019 verhaftet worden. Teheran hat wiederholt im Ausland inhaftierte Staatsbürger gegen Doppelstaatler ausgetauscht, die in Iran oft unter fragwürdigen Anschuldigungen festgehalten wurden.

Entführt, von Agenten in die Falle gelockt: Auch ein deutscher Staatsangehöriger verschwand und tauchte in Iran wieder auf

Zams Hinrichtung wirft auch ein Schlaglicht auf die Praxis des iranischen Sicherheitsapparates, Regimegegner aus dem Ausland in die Islamische Republik zu verschleppen. Habib Chaab, ein führendes Mitglied der separatistischen Arabischen Kampfbewegung für die Befreiung von Ahvaz (ASMLA), war im Oktober auf einer Reise aus seinem Exil in Schweden nach Istanbul verschwunden und später in Iran aufgetaucht. Nach Einschätzung der türkischen Behörden wurde er von iranischen Agenten in eine Falle gelockt. Iran stuft die Bewegung als terroristisch ein und macht sie für Anschläge verantwortlich.

In Dubai verschwand im Juli der in den USA lebende Deutsch-Iraner Jamschid Scharmahd, der einer wenig bekannten monarchistischen Gruppe der Exil-Opposition angehört. Auch er tauchte später in Iran auf, die Regierung sprach von einer "Geheimdienstoperation". Er war laut seiner Familie via Oman verschleppt worden. Iran wirft der Gruppe namens Tondar ebenfalls terroristische Aktivitäten vor, Scharmahds Familie hingegen sagt, er habe nur publizistisch für die Gruppe gearbeitet. Iran verweigert der deutschen Botschaft eine konsularische Betreuung. Die Regierung in Teheran behandelt Doppelstaatler wie Personen mit ausschließlich iranischer Staatsangehörigkeit. Das Auswärtige Amt rät inzwischen Doppelstaatlern dringend von nicht notwendigen Reisen nach Iran ab.

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