Süddeutsche Zeitung

Iran:Der Wächterrat hat entschieden

Am 19. Mai treten sechs Kandidaten zur Wahl an, Ex-Präsident Mahmud Ahmadinedschad ist nicht dabei.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Iran steht bei der Präsidentenwahl am 19. Mai vor einer Richtungsentscheidung zwischen der auf eine Öffnung des Landes angelegten Politik des moderat-konservativen Amtsinhabers Hassan Rohani und einer Rückkehr zur konfrontativen Agenda der Hardliner. Diese repräsentiert der aussichtsreichste Kandidat der Prinzipalisten, der Kleriker Seyyed Ebrahim Raisi, den der Oberste Führer Ali Chamenei favorisiert. Der Wächterrat hat die beiden und vier weitere Kandidaten zugelassen. Den früheren Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad und dessen Vize, Hamid Baghaie, schloss das Gremium dagegen aus. Es überprüft alle Bewerber für Wahlen. Die Kriterien dafür sind schwammig formuliert, aber Chamenei hat großen Einfluss auf die Entscheidungen.

Ahmadinedschad hatte überraschend entgegen einer öffentlichen Empfehlung Chameneis wieder eine Kandidatur eingereicht. Chamenei habe nur einen Rat erteilt, keine Anordnung, sagte er - ein beispielloser Affront gegen den mächtigsten Mann der Islamischen Republik. Zugelassen wurden zudem der Konservative Mostafa Mirsalim, der ebenfalls zu den Prinzipalisten gehörende Bürgermeister von Teheran, Mohammed Bagher Ghalibaf, sowie der Moderate Mostafa Haschemitaba und Vizepräsident Eshaq Jahangiri. Es wir erwartet, dass sich Kandidaten vor der Wahl zurückziehen, vor allem aus dem Regierungslager. Sie bewarben sich wegen Befürchtungen, der Wächterrat könnte Rohani von der Wiederwahl ausschließen.

Viele Iraner sagen, ihre wirtschaftliche Lage habe sich nicht merklich verbessert

Der Präsident, der sich noch großer Popularität erfreut, sieht sich mit zunehmend heftiger Kritik Chameneis an seiner Wirtschaftspolitik konfrontiert, die bei der überfälligen Modernisierung auf ausländische Investoren setzt und Iran nach Aufhebung der Sanktionen wieder eng mit der Weltwirtschaft vernetzen will, vor allem mit Europa. Chamenei stellt auch den Nutzen des Atomabkommens mit den USA infrage, das Rohani als größten Erfolg betrachtet. Der Oberste Führer bemängelt, der versprochene Aufschwung sei ausgeblieben und beschuldigt die USA, die Sanktionen nicht wie versprochen aufgehoben zu haben. Viele Iraner sagen, ihre wirtschaftliche Lage habe sich nicht merklich verbessert, auch wenn die Inflation von mehr als 40 auf 7,5 Prozent gefallen ist und das Wachstum dank wachsender Ölexporte sieben Prozent übersteigt.

Chamenei und auch Raisi sind Verfechter einer "Widerstandswirtschaft", in der sich das Land möglichst autonom versorgen und von den Weltmärkten abkoppeln soll. Raisi, der als Staatsanwalt Karriere gemacht hat, leitet die Astan Quds Razavi in Maschad, die wichtigste religiöse Stiftung Irans, die bei geschätzt 15 Milliarden Dollar Jahresumsatz als weltweit reichste Organisation dieser Art gilt. Mit ihrem verzweigten Wirtschaftsimperium gehörte sie wie die Revolutionsgarden zu den Gewinnern während des Sanktionsregimes.

Raisi kann auf breite Unterstützung der Konservativen bauen, eine verschiedene Strömungen umfassende Dachorganisation der Prinzipalisten hatte ihn zu ihrem Favoriten gewählt, auch von vielen Fundamentalisten erhält er Zuspruch. Er war von Chamenei an die Spitze der Stiftung befördert worden, und es heißt, dass er zu dessen Nachfolger aufgebaut werden soll. Er ist angesichts der inzwischen weit verbreiteten Frustration in der Bevölkerung ein ernst zu nehmender Gegner für den Präsidenten.

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SZ vom 22.04.2017
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