Iran:Das Regime bleibt das Regime

Die Sanktionen im Atomstreit haben die Iraner hart getroffen. Wenn sie nun fallen, wird das Regime die Lebensbedingungen der Menschen verbessern, um an der Macht zu bleiben. Mehr Freiheit wird es nicht geben.

Von Paul-Anton Krüger

In Iran überbieten sich am Tag nach dem Atomabkommen von Wien die Zeitungen mit Lob: "Der Schlüssel der Weisheit hat das Schloss der Sanktionen geöffnet", titelte ein Blatt in Anspielung auf das Symbol, das Präsident Hassan Rohani im Wahlkampf benutzt hatte. Von der "Explosion der Hoffnung" war zu lesen. Auch etliche Menschen feierten das Abkommen auf den Straßen. Doch zu viel Jubel wollte das Regime nicht - es ließ zentrale Plätze sperren. Polizisten tauchten auf, wo immer sich Iraner in größerer Zahl versammelten. Konservative Kreise wollten demonstrative Euphorie vermeiden - sie könnte ja den Eindruck erwecken, dass Iran das Abkommen nötiger gebraucht habe als der Westen und die Sanktionen der Grund dafür die Einigung gewesen seien.

Doch die Mehrheit in Iran weiß, dass es genau so ist, aller Propaganda zum Trotz. Rohani wurde für sein Versprechen gewählt, die Sanktionen abzuschütteln. Sie schnüren Irans von Korruption und Missmanagement zerrütteter Wirtschaft das Blut ab und haben eine rasende Inflation bewirkt. Wer behaupte, die Sanktionen seien bedeutungslos, der wisse nicht, wie es in den Taschen der Leute aussehe, sagte der Präsident jüngst. Selbst Iraner aus der Mittelschicht brauchen längst mehrere Jobs, um ihren Lebensstandard halten zu können. Direktzahlungen und Subventionen kürzte der Staat. Alles wurde teuerer: Tomaten, Benzin, Wohnungen, Handys, Autos.

Die Menschen hoffen nun vor allem auf ein besseres Leben, einen Wirtschaftsaufschwung. Doch manche Iraner, vor allem die jungen und gut ausgebildeten, hegen auch den Wunsch nach einer Öffnung des Landes. Sie wollen reisen, sie suchen Kontakt zum Rest der Welt, vor allem zum Westen, und streben auch nach mehr Freiheit im eigenen Land. Was sich davon jetzt erfüllt, wird freilich erst noch ausgehandelt werden müssen im komplexen Machtgefüge der Islamischen Republik.

Jetzt auf eine politische Wende in Iran zu hoffen, wäre naiv

Der Oberste Führer Ayatollah Ali Chamenei hat Rohani und den populären Außenminister Mohammad Dschawad Sarif gegen Kritik der Hardliner in Schutz genommen. Er will sich das Abkommen offenbar zu eigen machen und als sein Verdienst darstellen. Dennoch ließ er lange Zeit den radikaleren Kräften und den Revolutionsgarden freie Hand für ihre konfrontative Linie, der die jetzigen Probleme geschuldet sind.

Der Ayatollah steht über der Politik. Er kann seinen Kurs ändern, wenn er dies im Sinne der Revolution für nötig erachtet - oder zum Erhalt der eigenen Macht. Umgekehrt heißt das, dass Rohani nicht frei verfügen kann über die Milliarden, die Anfang nächsten Jahres zu fließen beginnen sollen, gerade noch rechtzeitig vor der Parlamentswahl Ende Februar. Die innenpolitischen Verlierer des Abkommens werden monetären und politischen Tribut fordern: die Revolutionsgarden, die sich unter dem Sanktionsregime weitere Teile der Wirtschaft einverleibt haben, und die Konservativen, die bisher schon verhindert haben, dass die Repression gelockert wird.

Das spielt Chamenei in die Hände. Er hat mit dem Atomabkommen keineswegs sein Misstrauen gegen den Westen abgelegt. Nichts fürchtet das Teheraner Establishment mehr, als dass eine Öffnung die ideologische Abnutzung der Islamischen Republik entblößt und ihre Machtbasis untergräbt. Es ist naiv, von Rohani Änderungen zu erwarten, die am Charakter des Regimes rühren. Er hat dazu weder die Macht noch den Willen: Seit Jahrzehnten zählt er zum innersten Zirkel des Regimes. Er ist ein Pragmatiker, das schon, aber kein grundstürzender Reformer.

Das Regime wird die Lebensbedingungen der Menschen verbessern müssen. Das verspricht Stabilität und ist im Interesse der Herrschenden. Doch hochfliegende Hoffnungen auf Freiheit, so ist zu befürchten, könnten bitter enttäuscht werden.

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