Süddeutsche Zeitung

Iran: Atomwissenschaftler getötet:Mysteriöser Mord in Teheran

Ein Sprengsatz reißt den Atomwissenschaftler Mohammadi in den Tod - für das iranische Regime Anlass, schwere Vorwürfe gegen Israel und Amerika zu erheben.

Rudolph Chimelli

Ein ranghoher iranischer Atomwissenschaftler ist am Dienstag in Teheran durch einen Sprengstoffanschlag getötet worden. Der 50-jährige Professor Massud Ali Mohammadi, der an der Universität der Hauptstadt Neutronen-Physik lehrte, kam nach offiziellen Meldungen ums Leben, als er um 7.30 Uhr sein Auto besteigen wollte und eine Bombe in einem daneben geparkten Motorrad durch Fernzündung explodierte.

Der Forscher wohnte in Kaitarijeh im Norden Teherans - jenem Viertel, in dem einst auch der Revolutionsführer Ayatollah Chomeini lebte.

Noch bevor die Ermittlungen angelaufen waren, beschuldigten staatliche Medien ausländische Geheimdienste oder die oppositionellen Volks-Mudschaheddin, hinter dem Anschlag zu stehen. Das staatliche Fernsehen zitierte Sicherheitsleute, die verwendete Technik deute auf den israelischen Geheimdienst Mossad hin. Der Teheraner Staatsanwalt Abbas Dschaafari Doulatabadi gab bekannt, bisher sei kein Verdächtiger verhaftet worden. Auch hat sich keine Seite zu dem Anschlag bekannt.

"Revolutionärer Wissenschaftler"

Später erklärte das Außenministerium in Teheran, die ersten Ermittlungen hätten gezeigt, dass die USA, Israel und deren Söldner "in diesen terroristischen Akt verwickelt sind". Die USA wiesen die Anschuldigung als "absurd" zurück.

Der Ermordete wird in den offiziellen Veröffentlichungen als "überzeugter Anhänger der Islamischen Republik" oder als "revolutionärer Wissenschaftler" bezeichnet. Ob Mohammadi direkt mit dem iranischen Atomprogramm zu tun hatte, ist nicht bekannt. Auf der Internetseite der Teheraner Universität wird er nicht aufgeführt, obwohl der Staatsanwalt von seiner dortigen Tätigkeit als Kernphysiker sprach.

Irans Atomwissenschaftler stehen unter strikter Überwachung. Ihr Kontakt mit der Außenwelt wird kontrolliert, und sie dürfen nur selten ins Ausland reisen. Umgekehrt beschwert sich Teheran über die Verfolgung seiner Experten durch ausländische Agenten. Sie wird in eine Reihe mit der Androhung von Militärschlägen gegen iranische Atomanlagen gestellt. Immer wieder gab es auch Gerüchte über mysteriöse Todesfälle. Ein Wissenschaftler soll von unbekannten Tätern erwürgt worden sein. Von zwei anderen heißt es, sie seien bei Verkehrsunfällen ums Leben gekommen.

Erst im Dezember hatte Außenminister Manutscher Mottaki Saudi-Arabien beschuldigt, den auf einer Pilgerreise nach Mekka und Medina verschwundenen iranischen Atomwissenschaftler Schahram Amiri zusammen mit den Amerikanern entführt und an diese ausgeliefert zu haben. Danach soll Amiri laut französischen Geheimdienstquellen eine Expertengruppe der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA beraten haben, bevor diese zur Inspektion der im Bau befindlichen Atomanlagen nach Ghom reiste.

Das Geheimtreffen fand zuvor angeblich auf dem Frankfurter Flughafen statt. Derzeit soll sich Amiri unter dem Schutz eines Geheimdienstes in Europa aufhalten. Erste Kontakte der CIA zu Amiri, der angeblich selber in der Anlage bei Ghom gearbeitet hat, sollen 2008 durch einen deutschen Geschäftsmann vermittelt worden sein. Als Amiri den iranischen Delegierten zu einer Sitzung der IAEA nach Wien begleitete, wurden die Beziehungen offenbar enger. Die Saudis verhörten ihn bei seiner Einreise als Pilger vorigen Sommer intensiv.

Seit 2007 verschollen

Es ist bekannt, dass die CIA seit 2005 ein Programm mit dem Decknamen "Brain Drain" zur Verhinderung des iranischen Atomprogramms durch Abwerbung von Fachleuten betreibt. Ihr größter Erfolg war der Absprung des früheren Vize-Verteidigungsministers Ali Resa Asghari, eines Generals der Revolutionsgarden. Er verschwand auf einer Privatreise 2007 in die Türkei. Über das Verschwinden wichtiger iranischer Fachleute beschwerte sich Mottaki im Herbst in einem vertraulichen Gespräch bei UN-Generalsekretär Ban Ki Moon.

Auf einer Liste, die Mottaki übergab, stand neben Amiri und Asghari ein Mann namens Ardebili, angeblich Geschäftsmann, tatsächlich ebenfalls Atomwissenschaftler, der in Georgien festgehalten und an die USA übergeben worden sein soll.

Der entführte oder übergelaufene Amiri war an der Teheraner Malek-Aschtar-Universität für Technik tätig. Nach Angaben seiner Frau war er mit der medizinischen Nutzung atomarer Technik befasst. Rektor dieser Universität war - oder ist immer noch - der General der Revolutionsgarden Mahdi Nadschad Nuri.

Er wird in der UN-Resolution 1737 als einer der Verantwortlichen für das Atomprogramm genannt und soll bei Reisen im Ausland beobachtet werden. An der Malek-Aschtar-Universität arbeitete zeitweise auch der damals 44 Jahre alte Ardeschir Hassanpur, der im Januar 2007 auf ungeklärte Weise in Isfahan an einer Vergiftung starb. Er war ein glänzender Wissenschaftler und hatte 2003 einen Preis als "erfolgreichster Forscher auf dem Gebiet der Verteidigung" erhalten. Ob sein Tod die Folge einer radioaktiven Verstrahlung oder die Folge eines banalen Unfalls war, blieb ungeklärt.

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SZ vom 13.01.2010/bica/ehr
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