Wäre die Lage nicht so gefährlich, die Kriegsgefahr nicht so hoch, man könnte es auch als Metapher lesen. Dafür, wie es um die Macht des iranischen Regimes steht. Bis zu 90 Meter tief unter der Erde soll sich die Anreicherungsanlage befinden, unter einem Berg bei Fordow, zweihundert Kilometer südlich von Teheran, abgeschirmt noch dazu von mehreren Metern Beton. So tief liegt der Ort, an dem das Regime sein Uran anreichert, dass es selbst fraglich ist, ob eine GBU-57-Bombe ihn zerstören könnte, ein tonnenschwerer, bunkerbrechender Sprengkörper, über den nur die US-Luftwaffe verfügt. Und so sicher wie in Fordow, verborgen unter Berg und Beton, dürfte sich das Regime der Islamischen Republik nirgendwo sonst fühlen.
Weswegen es jetzt gerade, im Konflikt um das iranische Atomprogramm, mal wieder um Fordow geht. Und um die zweite Anlage in Natanz, nicht weit von Fordow. Es ist die letzte Drohung des Regimes an die Welt, an Israel im Besonderen, dass es eine Atomwaffe bauen könnte.
Ein Regime, das weiß, dass es im Volk kaum noch Unterstützung hat, dass seine Macht auf der Gewalt seines Sicherheitsapparats beruht. Auf den Straßen der iranischen Städte schaffen es die Sittenwächter kaum noch, die Kopftuchpflicht durchzusetzen. Selbst vor einer Benzinpreiserhöhung schreckt die Führung zurück, wohl aus Furcht vor neuen Protesten. Ein Regime auch, das wegen der israelischen Erfolge im vergangenen Jahr einen Verbündeten nach dem anderen abschreiben musste. Die Hamas, die Hisbollah, das Assad-Regime. Dazu kamen die israelischen Luftangriffe auf Iran selbst, die im Oktober offenbar nahezu die ganze Luftabwehr des Landes zerstörten.
Offiziell sagt das Regime, die Bombe sei „haram“ – also verboten
Was bleibt, ist das Atomprogramm, tief unterm Berg. Dort scheint auch das Selbstbewusstsein der iranischen Führung vergraben zu sein. Ganz aktuell wieder las es sich in der offiziellen Zeitung des Regimes so, gerade am Montag, als US-Präsident Trump in Washington behauptete, man sei in „direkten Gesprächen“ mit Iran über dessen Atomprogramm. Am Samstag treffe man sich in Oman. Es ist die jüngste Runde des jahrzehntelangen Dramas um die atomare Bewaffnung der Islamischen Republik.
Offiziell sagt das Regime, es strebe keine Atombombe an, das nämlich, so formulierte es vor einiger Zeit der Oberste Führer, Ayatollah Ali Chamenei, sei „haram“, also verboten. Allerdings reichert seine Revolutionsgarde, die das Atomprogramm verantwortet, Uran zu einem Grad von 60 Prozent an, für zivile Atomkraft braucht es nicht mehr als drei bis fünf Prozent. Ab 80 bis 90 Prozent dagegen wird das Uran waffenfähig. Davon wäre Iran wohl nur noch ein paar Wochen entfernt, sollte es sich dazu entschließen.
In Iran, der Regierungszeitung, die heißt wie das Land, stand nun am Montag, „haram“ sei vielleicht nur der Einsatz einer Atombombe, nicht aber, sie herzustellen und zu lagern. Sprich, den Menschen in Israel und der ganzen Welt damit zu drohen.
Es wäre die Lebensversicherung fürs Regime, die von Hardlinern in Teheran und den Revolutionswächtern seit Monaten wieder lauter gefordert wird, vor allem seit dem Sturz des Assad-Regimes in Syrien. Seither ist den Iranern der Landweg zur Hisbollah in Libanon und an die israelische Grenze versperrt. Die Idee, den Nahen Osten mittels Milizen zu beherrschen, ist so gut wie gescheitert. Und auf die letzten israelischen Luftschläge antwortete Iran nie, trotz aller Drohungen.
Schwach wirke man, der Oberste Führer sei zu passiv, so sehen es viele in Teheran. Es bleibe nur die atomare Bewaffnung als Mittel, sich gegenüber Israel zu behaupten, aber letztlich auch, um zu verhindern, dass ein amerikanischer Militärschlag das Regime selbst gefährde. Das ist der eine Grund dafür, warum sich der Konflikt ums iranische Atomprogramm gerade zuspitzt. Es ist die Schwäche der Islamischen Republik, die sie gefährlicher macht, weil sie versucht sein könnte, höhere Risiken einzugehen.
Auf der anderen Seite glaubt der israelische Premier Benjamin Netanjahu, in Donald Trump einen Verbündeten zu haben. Jemanden, den er, anders als Joe Biden, zu einem großen Angriff auf Iran bewegen kann. Für den bräuchte Israel die USA, und für Netanjahu ist es so etwas wie ein Lebensprojekt, die iranische Gefahr aus der Welt zu schaffen. Er plädiert seit Jahrzehnten dafür, das Regime militärisch auszuschalten. Nicht mithilfe eines Deals wie jenem aus dem Jahr 2015, in dem Iran sich zum Verzicht auf Atomwaffen verpflichtete. Im Gegenzug wurden damals die Sanktionen gegen das Land gelockert.
Trump stieg während seiner ersten Amtszeit aus dem Deal aus. Die Europäer blieben ihm zwar treu, allerdings hielt sich das iranische Regime immer weniger an das, was es 2015 unterschrieben hatte. Es kehrte zurück zur Drohung mit der Bombe. Das B-Wort ist auch eines, das Donald Trump gern mag. Jüngst drohte er Iran zum Beispiel „mit Bombardierung, wie sie es noch nie gesehen haben“, sollte es keinen neuen Deal geben, einen, der über jenen von 2015 hinausgeht.
Netanjahu hat klare Vorstellungen, was das bedeutet. Am Montag, als er in Washington neben Trump saß, forderte er eine „libysche Lösung“. Libyen hatte sein Atomprogramm 2003 vollständig eingestellt. Woran der israelische Premier denkt, ist wohl, dass Iran sämtliche Anlagen abbaut und seine gesamte nukleare Ausrüstung abgibt. Ins Ausland, etwa an die arabischen Golfstaaten.
Selbst in der aktuellen US-Regierung wissen sie wohl, dass sich die Führung in Teheran kaum auf ein solches Szenario einlassen wird. Andererseits kann es sich die Islamische Republik angesichts ihrer Schwäche auch nicht leisten, ganz stur zu bleiben. Das hat auch wirtschaftliche Gründe, es hat mit den Sanktionen zu tun, die seit 2015 ausgesetzt waren, also seit der Atomdeal galt. Im Oktober dieses Jahres läuft er ab.
Bis dahin können die E-3-Mächte, also Frankreich, Großbritannien und Deutschland, den Snapback-Mechanismus auslösen, das ist der Begriff dafür, dass die Vereinten Nationen die alten Sanktionen wieder einsetzen müssen. Dann nämlich, wenn die IAEA, die Internationale Atomenergie-Behörde, feststellt, dass sich Iran eben nicht an den Deal hält. Diese Sanktionen wären international bindend, das heißt, sie beträfen auch den Handel mit China oder Russland. Für die iranische Wirtschaft wäre es ein harter Schlag.
An diesem Druck dürfte es liegen, dass sich die iranische Führung bewegt hat. Anfangs wollte sie gar nicht mit Donald Trump reden, solange der mit Krieg drohe. Als Trump am Montag im Beisein von Netanjahu wissen ließ, seine Regierung sei in „direkten Gesprächen“ mit Iran, hieß es aus Teheran gleich, davon könne keine Rede sein, von „hochrangigen Gesprächen“ aber durchaus.
Keiner weiß, was Iran den Amerikanern überhaupt anbieten kann
Die sollen nun am Samstag im omanischen Maskat stattfinden. Aus Iran wird Außenminister Abbas Araghchi anreisen, aus Washington Trumps Nahost-Gesandter Steve Witkoff. Die New York Times will von iranischen Offiziellen gehört haben, dass man mit den Amerikanern in Maskat zwar unter Vermittlung Omans reden werde, nicht im selben Raum. Es sei aber vorstellbar, dass Ali Chamenei am Ende doch direkte Gespräche erlaube, je nachdem, wie sich die US-Delegation verhalte.
Noch weiß niemand, wie lange die Gespräche dauern werden, und vor allem nicht, was die iranische Seite den Amerikanern anbieten kann. Wäre Trump bereit zu einer Unterschrift, wenn Iran sein Atomprogramm nicht aufgibt, sondern nur strenger von der IAEA überwachen lässt? Damit gäbe es die Idee von der nuklearen Bewaffnung auf, aus iranischer Sicht ein großer Schritt. Es wäre zwar nichts anderes als eine Fortschreibung des Deals von 2015, allerdings war das Regime damals in einer stärkeren Position.
Heute hieße ein Verzicht auf die Bombe, dass das Regime das Letzte aufgibt, womit es noch abzuschrecken vermag. Und zugleich, was am ehesten einen Krieg mit Israel und den USA auslösen könnte, was sie in Teheran vermeiden wollen. Darin liegt das iranische Dilemma, während das Land eines ganz dringend braucht: eine Lockerung der Sanktionen. Nicht noch zusätzliche.
Das Treffen am Samstag in Maskat dürfte also nur der Auftakt sein. Zu einem Jahr, in dem sich entscheidet, ob es mit Iran zum Krieg kommt oder nicht.