Nukleargespräche in Wien:"Die Zeit läuft davon"

Nukleargespräche in Wien: Die iranische Flagge vor der Internationalen Atomenergie-Organisation in Wien - in der österreichischen Hauptstadt wird derzeit auch über das Atomabkommen verhandelt.

Die iranische Flagge vor der Internationalen Atomenergie-Organisation in Wien - in der österreichischen Hauptstadt wird derzeit auch über das Atomabkommen verhandelt.

(Foto: Leonhard Foeger/Reuters)

Bei den Verhandlungen über eine Rückkehr zum Atomabkommen gebe es Fortschritte, sagt Iran. Europäische Diplomaten dagegen warnen, dass keiner der zentralen Streitpunkte gelöst sei. Und sie wollen nicht mehr lange warten.

Von Paul-Anton Krüger, Berlin

Allzu optimistisch hat sich das Regime in Iran bislang selten eingelassen, wenn es um eine mögliche Rückkehr zum Atomabkommen aus dem Jahr 2015 ging. US-Präsident Joe Biden hat es zum Ziel erklärt, die USA wieder in die Übereinkunft zurückzuführen, aus der sein Vorgänger Donald Trump 2018 ausgestiegen war. Die Verhandlungen waren weit fortgeschritten im vergangenen Mai. Doch seit im Sommer der Hardliner Ebrahim Raisi Präsident geworden ist, waren aus Teheran vor allem Maximalforderungen zu vernehmen.

Am Montag nun meldete sich der Sprecher des iranischen Außenministeriums zu Wort. "Wir haben beachtliche Fortschritte erzielt und auch einige bislang umstrittene Themen ausgeräumt", sagte Saeed Khatibzadeh in Teheran. Trotz verbliebener Differenzen sei eine dauerhafte Einigung auch in Kürze durchaus machbar. Freilich nur, "wenn die USA die dafür notwendigen politischen Entscheidungen" träfen.

Was darunter zu verstehen ist, sagte er nicht, aber offenkundig beharrt die Islamische Republik immer noch auf Forderungen, die zu erfüllen weder Biden noch die europäischen Verhandlungspartner Frankreich, Großbritannien und Deutschland, auch E3 genannt, bereit sind.

Man habe zwar gewisse Fortschritte gemacht, heißt es, seit sich die politischen Direktoren der Außenministerien nach Weihnachten wieder mit dem iranischen Unterhändler Ali Bagheri-Khani zusammengesetzt haben. "Die Verhandlungen kommen aber noch immer zu langsam voran, die Zeit läuft davon", sagte eine hochrangige Quelle aus dem Kreis der E3 der Süddeutschen Zeitung. "Kernfragen im Nuklearbereich sowie mit Blick auf die Aufhebung von Sanktionen sind weiter ungelöst."

Ein paar Wochen wollen die Europäer Iran noch geben

Die Europäer verhandeln mit Iran auf der Grundlage, dass Teheran zur vollständigen Einhaltung des Abkommens zurückkehrt - samt aller Beschränkungen für sein Atomprogramm. Im Gegenzug haben die USA angeboten, alle Sanktionen wieder aufzuheben, die im Kontext der Nuklearaktivitäten von Trump seit 2018 verhängt worden waren. Direkte Gespräche mit den Amerikanern verweigert Iran, auch wenn Khatibzadeh in Aussicht stellte, dass sich dies ändern könnte, wenn die USA "ihre Vorgehensweise ändern".

Iran verlangt dem Vernehmen nach eine weitergehende Aufhebung von Strafmaßnahmen, auch in Bereichen, in denen die USA Sanktionen etwa wegen Terrorunterstützung oder Menschenrechtsverletzungen verhängt haben. Zudem besteht die Islamische Republik auf rechtlich bindenden Garantien, dass die USA nicht noch einmal aus dem Abkommen aussteigen - so etwas kann kein US-Präsident zusichern, wie die Regierung in Washington nachdrücklich klargemacht hat, schon gar nicht, wenn das Abkommen nicht durch den Senat mit Zweidrittelmehrheit ratifiziert wurde.

Auf der anderen Seite liegt eine Schwierigkeit darin, dass Iran in bestimmten Bereichen das Abkommen nicht mehr einhalten kann. So haben Techniker entgegen den Bestimmungen des Abkommens neue, wesentlich leistungsfähigere Zentrifugen getestet. Selbst wenn Iran diese Maschinen wieder außer Betrieb nimmt, bleiben die technischen Erkenntnisse und Fortschritte. Und diese könnte das Regime wiederum nutzen, um die Zeit zu verkürzen, genug spaltbares Material für eine Bombe herzustellen.

Diese Zeitspanne ist im Atomabkommen nicht explizit definiert; zusammengenommen sollten seine Bestimmungen Iran aber mindestens ein Jahr von dieser Schwelle entfernt halten. Während sich in Wien die Gespräche hinziehen, baut Teheran sein Nuklearprogramm weiter ungebremst aus und reichert zunehmend Uran an. Zugleich stellt das Regime Forderungen, die über das Abkommen hinausreichen, ohne diese Vereinbarung selbst wieder vollständig einhalten zu wollen.

Präsident Raisi trifft seinen russischen Kollegen Putin

Aus Sicht der Europäer kann es so nicht weitergehen, wenn das Abkommen noch gerettet werden soll. "Wir müssen jetzt in die finale Phase der Verhandlungen eintreten", heißt es von E3-Diplomaten. "Sonst gelingt es uns womöglich nicht mehr, eine Übereinkunft zu erzielen, die den notwendigen nichtverbreitungspolitischen Mehrwert erbringt" - also Iran wieder auf den erforderlichen Abstand zur Bombe zu bringen.

Wie lange man den Gesprächen noch geben will, will keiner der Beteiligten auf den Tag festlegen. Sollte es aber nicht bald entscheidende Fortschritte bei den Kernfragen geben, werde man nicht umhinkommen, auch andere Möglichkeiten in Erwägung zu ziehen, heißt es. Die Rede ist von mehreren Wochen, aber nicht Monaten.

Im Raum steht die Möglichkeit, dass die Europäer dann im UN-Sicherheitsrat einen Mechanismus auslösen, der die internationalen Sanktionen gegen Teheran wieder in Kraft setzen würde, die mit dem Abkommen 2015 aufgehoben worden waren. Allerdings ist unwahrscheinlich, dass China und Russland einen solchen Schritt mittragen oder sich daran gebunden sehen würden.

Russland hatte in der Vergangenheit aber an entscheidenden Punkten seinen Einfluss in Teheran geltend gemacht. Am Mittwoch empfing der russische Präsident Wladimir Putin den iranischen Regierungschef Raisi. Die Atomverhandlungen sollten dabei ebenso Thema sein wie ein geplantes gemeinsames Marine-Manöver, an dem sich auch China beteiligen will. Es gebe keine Hindernisse für engere Beziehungen zwischen Iran und Russland, zitierten iranische Staatsmedien den Präsidenten.

Außenminister Hossein Amir-Abdollahian sagte der iranischen Nachrichtenagentur Nur, Iran und Russland würden gemeinsam die Sanktionen des Westens neutralisieren, die gegen die Wirtschaft der beiden Staaten gerichtet seien. In Teheran gibt es Stimmen, die fordern, die Kooperation mit China und Russland auszubauen und sich von Europa und dem Westen insgesamt abzukoppeln. Dies geht oft einher mit der Forderung, das Atomabkommen aufzugeben und das Nuklearprogramm drastisch auszubauen.

Auch werden sich die Europäer mit den USA abstimmen, wenn an diesem Donnerstag US-Außenminister Tony Blinken zu einem Treffen mit Bundesaußenministerin Annalena Baerbock nach Berlin kommt. In diese Gespräche, bei denen es vor allem um die Ukraine-Krise geht, würden auch die Außenminister Großbritanniens und Frankreichs einbezogen, hieß es in Washington.

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