Nuklearstreit:Eskalation in Zeitlupe

Irans Präsident besichtigt Tankstellen nach Cyberangriff

Das Nuklear-Programm Irans ist die große Frage, aber Präsident Ebrahim Raisi (Zweiter v. rechts) musste diese Woche auch mit Tankwarten in Teheran sprechen nach dem Cyberangriff auf das Zahlungssystem des Tankstellennetzes.

(Foto: Arman/Iranian Presidency/dpa)

Iran spielt im Ringen um das internationale Atomabkommen auf Zeit, die USA und die Europäer werden ungeduldig. Doch nun will Teheran die Gespräche vor Ende November fortsetzen.

Von Paul-Anton Krüger, Berlin

Eigentlich hätten die Verhandlungen über das internationale Atomabkommen mit Iran in Wien schon längst fortgesetzt werden sollen. Doch seit der Wahl von Präsident Ebrahim Raisi Anfang August liegt die Nukleardiplomatie mit Teheran brach. Am Mittwoch nun machte Irans Vizeaußenminister Ali Bagheri-Kani, der zugleich neuer Atomunterhändler ist, seinem EU-Gegenpart Enrique Mora in Brüssel die Aufwartung - der Mitte Oktober schon nach Teheran gereist war, um die Gespräche wieder in Gang zu bringen.

Offiziell geht es der neuen Regierung in Iran um Klarstellungen über die Resultate der sechs Verhandlungsrunden bis Juni, bei der noch Präsident Hassan Rohani an der Regierung war. Europäische Diplomaten aber vermuten, dass Teheran weiter versuche, Zeit zu gewinnen. Derweil baut das Regime weiter seine atomaren Aktivitäten aus, wie jüngst gerade wieder die Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) dokumentiert haben.

Das Kalkül in Teheran, so vermuten westliche Unterhändler: Verhandlungsmasse aufbauen, um dann in Wien neue Forderungen zu stellen oder alte wieder aufleben zu lassen. Am Verhandlungsprozess seit Längerem beteiligte Diplomaten zweifelten denn auch schon vor dem Treffen in Brüssel daran, dass es dem Regime in Teheran darum gehe "ergebnisorientierte" Gespräche zu ermöglichen, wie es Bagheri-Kani angekündigt hatte.

Iran's Deputy Foreign Minister of Iran, Ali Bagheri meets with Deputy Secretary General of the European External Action Service (EEAS), Enrique Mora, in Tehran

Man beginnt wieder, zu reden: Enrique Mora (li.), zweiter Mann der EU-Außenpolitik, in Teheran mit Irans stellvertretendem Außenminister Ali Bagheri-Kani.

(Foto: WANA NEWS AGENCY/REUTERS)

Das Treffen in Teheran zwei Wochen zuvor war ohne greifbare Vereinbarungen zu Ende gegangen. Und langsam werden die Europäer wie auch die Amerikaner ungeduldig. Niemand will ein Datum nennen, an dem man die Verhandlungen aufgeben würde. Aber der US-Sondergesandte für Iran, Robert Malley, sagte Anfang der Woche, dass der Stillstand in den Verhandlungen eine "kritische Phase" erreicht habe und eine Zeit "intensiverer Diplomatie anbreche".

Er sprach von "tiefer und wachsender Besorgnis über die Geschwindigkeit und die Richtung" der Fortschritte des iranischen Atomprogramms - ein Verweis auf Aktivitäten, die in erster Linie militärische Anwendungszwecke haben. Es gebe keine "unschuldigen Erklärungen" mehr, warum die Rückkehr zu den Gesprächen so lange dauere. Er verband das mit der Warnung, dass die USA auch "andere Mittel" in den Blick nehmen werden, sollten die Bemühungen um eine diplomatische Lösung scheitern. Es gebe eine Reihe von Ideen, was man tun werde, wenn Iran nicht an den Verhandlungstisch zurückkomme - und man habe diese mit den Verbündeten auch besprochen.

Bagheri-Kani hatte vor seiner Reise nach Brüssel noch separate Gespräche mit Frankreich, Großbritannien und Deutschland verlangt und das Angebot zurückgewiesen, dass hochrangige Diplomaten der drei Länder an seinem Gespräch mit Mora teilnehmen. Westliche Diplomaten bestätigten dies. Nun stellte er nach seinem Gespräch mit Mora immerhin auf Twitter in Aussicht, dass die Verhandlungen vor Ende November wieder aufgenommen werden. Darauf habe man sich geeinigt, ein Datum werde noch im Verlauf der kommenden Woche bekannt gegeben.

Allerdings sind auch frühere Ankündigungen für eine Rückkehr nach Wien nicht eingehalten worden. Irans Außenminister Hossein Amir-Abdollahian sagte in Teheran, man akzeptiere das Wiener Format, wolle aber vermeiden, dorthin zurückzukehren und dann einen Stillstand in den Gesprächen zu haben. Das klingt nach neuen Forderungen der Iraner, die auch öffentlich zumindest angedeutet worden sind: bindende Garantien seitens der Amerikaner, dass sie nicht noch einmal aus dem Abkommen aussteigen, aber auch beim Umfang der Sanktionen, die aufgehoben werden sollen.

An Gesprächsstoff wird es also in Wien nicht mangeln, obschon sowohl die USA als auch die Europäer und sogar Russland deutlich gemacht haben, dass die Verhandlungen an dem Punkt fortgesetzt werden müssten, an dem sie im Juni unterbrochen wurden. Die Äußerungen aus Teheran hören sich eher so an, als werde Bagheri-Kani mit dem Auftrag kommen, wichtige Passagen der bereits ausgehandelten Teile einer Vereinbarung wieder aufzuschnüren.

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