Iran:Koalitionsverhandlungen

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Öl und Gas gehören zu den wichtigsten Einnahmequellen des Landes. (Foto: Raheb Homavandi/REUTERS)

Eine Rückkehr zum Atomdeal mit Iran stand kurz bevor. Aber jetzt stellt Russland auch in diesen Gesprächen Forderungen. Könnte ausgerechnet die Erdölknappheit den Konflikt lösen?

Von Paul-Anton Krüger, Berlin

Lange galten die Atomverhandlungen mit Iran als das Beispiel, dass trotz der steigenden Spannungen mit Russland in begrenztem Rahmen noch multilaterale Zusammenarbeit möglich ist. Jetzt, da eine Entscheidung über die mögliche Rückkehr zum Nukleardeal von 2015 unmittelbar bevorsteht, könnte sich das ändern. Zwar steht immer noch in mehreren Punkten eine Einigung aus zwischen den USA und der Islamischen Republik. Vor allem aber erhebt Moskau Forderungen, die einen Abschluss in Wien in absehbarer Zeit zumindest erheblich erschweren könnten.

Außenminister Sergej Lawrow verlangte am Wochenende schriftliche Garantien von den USA, dass die wegen des Angriffs auf die Ukraine gegen Russland verhängten Sanktionen "in keiner Weise unser Recht auf freien und uneingeschränkten Handel, Wirtschafts- und Investitionszusammenarbeit sowie militärisch-technische Zusammenarbeit mit der Islamischen Republik beeinträchtigen". Was das genau bedeutet, wissen offenbar auch die Verhandler in Wien noch nicht genau.

Der russische Botschafter bei den Vereinten Nationen in Wien, Michail Uljanow, twitterte, er habe sich mit dem Koordinator der Verhandlungen, dem EU-Diplomaten Enrique Mora getroffen, und " eine Reihe von Fragen aufgeworfen, die jetzt dringend angegangen werden müssen, um eine reibungslose zivile Zusammenarbeit mit Iran im Nuklearbereich zu gewährleisten". Aus Kreisen europäischer Diplomaten heißt es, wenn es nur darum gehe, dass für das Atomabkommen relevante Dinge nicht durch Sanktionen behindert würden, lasse sich das zweifellos sicherstellen.

Allerdings brachte Uljanow dem Vernehmen nach inzwischen selbst ein breiteres Verständnis von Lawrows Forderungen in Wien in Umlauf. Die US-Diplomatin Victoria Nuland, Nummer drei im Außenministerium und Staatssekretärin für politische Angelegenheiten, sagte bei einer Anhörung im Auswärtigen Ausschuss des Senats, Russland versuche, zusätzliche Vorteile aus seiner Beteiligung an den Verhandlungen über eine Rückkehr zum Atomabkommen zu schlagen, werde damit aber keinen Erfolg haben.

Eigentlich hätte schon am Wochenende eine Entscheidung über die Zukunft des Atomabkommens fallen sollen

Irans Außenminister Hossein Amir-Abdollahian sagte am Montag bei einem Treffen mit Parlamentariern, sein Land werde es keinem "ausländischen Faktor" erlauben, seine nationalen Interessen oder die Aufhebung der Sanktionen bei den Atomgesprächen zu beeinflussen. Er telefonierte am Montag mit Lawrow. Danach zitierten Staatsmedien in Iran Amir-Abdollahian nur mit der allgemeinen Formel, Sanktionen dürften selbstredend die Zusammenarbeit Irans mit keinem anderen Land beeinträchtigen. Am Dienstag schrieb die mit Irans Oberstem Nationalen Sicherheitsrat verbundene Nachrichtenagentur Nour, es werde sich zeigen, ob sich der Fokus des iranischen Unterhändlers von Hindernissen für eine Einigung seitens der USA zu den Forderungen Russlands verschiebe.

Eigentlich hätte schon am Wochenende eine Entscheidung über die Zukunft des Atomabkommens fallen sollen. Von einem möglichen Außenministertreffen war sogar die Rede. Jetzt appellieren die Europäer an Moskau, "keine zusätzlichen Bedingungen für einen Abschluss" aufzustellen. Und Diplomaten debattieren, ob Russland technisch überhaupt eine Möglichkeit hätte, einen Deal zu blockieren. Ali Bagheri-Kani, der Leiter der iranischen Delegation, kehrte jedenfalls nach überraschend angesetzten Konsultationen in Teheran am Mittwoch nach Wien zurück.

Immer noch nicht final geklärt ist nach Angaben europäischer Diplomaten, welche der unilateralen Sanktionen die USA wieder aufheben würden. Iran verlangt, dass etwa auch Strafmaßnahmen gegen die Revolutionsgarden fallen müssen, die Präsident Donald Trump wegen der Unterstützung terroristischer Organisationen durch die Eliteeinheit des iranischen Militärs verhängt hatte. Auch gebe es noch offene Fragen bei Garantien, die Iran von den USA verlangt, dass Washington nicht noch einmal aus dem Abkommen aussteigt, wie es Trump im Mai 2018 getan hatte.

Insgesamt allerdings, so ist aus Kreisen der Unterhändler zu hören, seien diese Hindernisse nicht unüberwindlich, wenn Teheran die politische Entscheidung für die Rückkehr zu dem Deal getroffen habe - sicher ist das nicht, ein Scheitern also weiterhin möglich. Allerdings machen die durch den russischen Angriff auf die Ukraine massiv gestiegenen Öl- und Gaspreise einen Deal für Teheran zu einer sehr attraktiven Option, zumal das Land viel Rohöl in Tanklagern und seiner Tankerflotte vorhält. Auch der Westen hat ein Interesse daran: Die Aussicht, dass Teheran mit seiner Produktionskapazität von nach eigenen Angaben etwa 3,5 Millionen Barrel pro Tag nach einer Umsetzungsphase von drei Monaten auf den Weltmarkt zurückkehrt, dürfte die Preise drücken. In Wien könnten sich so noch unerwartete Koalitionen ergeben.

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