TeheranWas Irans neuer Staatschef vorhat

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Irans designierter Präsident Ebrahim Raisi bei seiner ersten Pressekonferenz nach der Wahl.
Irans designierter Präsident Ebrahim Raisi bei seiner ersten Pressekonferenz nach der Wahl. (Foto: Atta Kenare/AFP)

Wie will der designierte Präsident Raisi die Wirtschaftsmisere bekämpfen? Wie geht es mit dem Atomabkommen weiter? Bei einer Pressekonferenz gibt er erste Antworten.

Von Paul-Anton Krüger, Teheran

Dutzende Mikrofone stehen auf dem Tisch des Konferenzzentrums der iranischen Justiz in Teheran - so viele, dass der designierte Präsident der Islamischen Republik fast dahinter verschwindet. Die Menschen in Iran fragen sich, wie Ebrahim Raisi die Wirtschaftsmisere bekämpfen will. Und die Welt will wissen, ob Teheran jetzt wieder auf einen Konfrontationskurs einschwenkt und wie es mit dem Atomabkommen weitergeht. Die Pressekonferenz am Montagnachmittag ist die erste Gelegenheit, bei der sich der 60 Jahre alte Jurist und Kleriker ausführlicher öffentlich erklärt.

Auf manche Frage hat er klare Antworten, die im Ton härter klingen als beim scheidenden Präsidenten Hassan Rohani. "Nein!", sagt Raisi ohne Zögern, als er gefragt wird, ob er nach einer Aufhebung der US-Sanktionen bereit sei, US-Präsident Joe Biden zu treffen. Das heißt aber nicht, dass der Nukleardeal von 2015 tot ist. Die Ausführungen dazu sind schon gewundener und so allgemein, dass sich noch nicht viel darüber ablesen lässt, wie sich der Machtwechsel in Teheran auf die Verhandlungen in Wien auswirken wird.

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Raisi macht klar, dass die Gespräche fortgeführt werden sollen, relativiert aber die Bedeutung des Abkommens. Es sei "weder Ausgangspunkt unserer Außenpolitik, noch wird sie sich darauf beschränken". Verhandlungen über Irans Regionalpolitik oder das Raketenprogramm der Revolutionsgarden, für die sowohl die USA als auch die Europäer eine Zusage erreichen wollen, schloss er kategorisch aus. Das sei "nicht verhandelbar", sagte er in Einklang mit der Position des Obersten Führers Ayatollah Ali Chamenei.

Raisi ließ offen, ob die derzeitigen Verhandler ihre Arbeit unter seiner Regierung fortsetzen würden. Sein außenpolitisches Team prüfe derzeit die Berichte, die das Team der amtierenden Regierung vorgelegt habe. Am Morgen hatte er Außenminister Mohammed Dschawad Sarif getroffen.

"Vom Dollar und anderen Devisen abkoppeln"

Es bleibe die Politik auch der neuen Regierung, eine Aufhebung der Sanktionen zu erreichen, sagte Raisi, aber Iran dürfe davon nicht das Wohlergehen des Volkes abhängig machen. So kündigte er an, die Versorgung von Grundnahrungsmitteln "vom Dollar und anderen Devisen abzukoppeln" und darauf hinzuarbeiten, dass sich das Land mit allem Nötigen selbst versorgen könne.

Schon eingangs hatte er wie Chamenei die Wahlbeteiligung als Zeichen gewertet, dass sich Irans Bevölkerung weder von äußerem Druck noch von der Corona-Epidemie einschüchtern lasse - auch wenn diese mit 48,4 Prozent so niedrig lag wie nie in der Geschichte der Islamischen Republik. Daran knüpft er nun wieder an: Das Ergebnis zeige, dass die Politik des maximalen Drucks des früheren US-Präsidenten Donald Trump gescheitert sei - Biden müsse nun alle "unmenschlichen Sanktionen gegen das iranische Volk" aufheben. Und auch die europäischen Länder müssten ihren Verpflichtungen nachkommen, statt sich dem amerikanischen Druck zu beugen.

Die Verhandlungen in Wien waren am Sonntag unterbrochen worden, um den Delegationen Zeit für Konsultationen in ihren Hauptstädten zu geben. Irans Verhandlungsführer, Vizeaußenminister Abbas Araghchi, hatte Garantien gefordert, dass die USA nicht noch einmal wie unter Trump das Abkommen verlassen. Rohani gab sich optimistisch, dass es bei der nächsten Verhandlungsrunde, die laut Diplomaten Anfang Juli stattfinden könnte, zu einer Einigung kommen werde - noch vor Raisis Amtseinführung am 3. August.

Gute Beziehungen zu den Nachbarn dagegen, den regionalen Rivalen Saudi-Arabien eingeschlossen, nennt Raisi als Priorität. Der Wiedereröffnung der Botschaften in Riad und Teheran stehe nichts im Wege, sagt er - ganz ähnlich hatte sich Außenminister Sarif jüngst geäußert. Vermittelt vom irakischen Premier Mustafa al-Kadhimi reden beide Seiten miteinander. Für Iran sitzen jedoch die Revolutionsgarden am Tisch, die mit dem klerikalen Establishment eng verflochtene Eliteeinheit des Militärs - nicht das Außenministerium. Allerdings müsse Riad "umgehend seine Einmischung in Jemen beenden".

Amnesty fordert einen Prozess gegen Raisi

Raisi ist derzeit noch Chef der Justiz, das ist eine mächtige Position, die über dem Justizminister angesiedelt und der Kontrolle durch die Regierung entzogen ist. Er redet die meiste Zeit ruhig und leise. Schneidend und laut wird seine Stimme, als er angesprochen wird auf seine Beteiligung an Menschenrechtsverletzungen und außergesetzlichen Hinrichtungen Tausender Regimegegner im Jahr 1988. Die Frage nach seiner Verantwortung lässt er unbeantwortet, er entgegnet vielmehr, er sei als Staatsanwalt und Richter immer ein entschiedener Verfechter der Menschenrechte gewesen und habe diese stets verteidigt.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International fordert, Raisi wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit den Prozess zu machen. Die USA haben ihn 2019 wegen Menschenrechtsverletzungen mit Sanktionen belegt. Ihm wird vorgeworfen, auch an der gewaltsamen Niederschlagung der Grünen Revolution im Jahr 2009 und der landesweiten Proteste Ende 2019 beteiligt gewesen zu sein. Es wird eine Frage sein, der Raisi im Umgang mit dem Westen nicht entkommen kann.

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