Iraks Premier al-Maliki:Korrupt, brutal, skrupellos

Besonders viel hat sich im Irak nach Saddam Hussein nicht verändert: Noch immer ist die Arbeitslosigkeit hoch, der Müll bleibt liegen, Kläranlagen sind defekt, Stromausfälle normal. Und auch Premier Nuri al-Maliki erinnert zunehmend an seinen Vorgänger.

Von Frederik Obermaier

Ein Diktator, korrupt, brutal und skrupellos - ihn wollte jene von den USA geführte Kriegskoalition stürzen, die vor zehn Jahren in den Irak einmarschierte. Und es gelang. Sie entdeckten im Dezember 2003 einen bärtigen Zausel, der sich in einem Erdloch versteckt haben soll. Es war Saddam Hussein. Drei Jahre später, pünktlich zum islamischen Opferfest, wurde er gehängt. Unterhält man sich heute mit Irakern vor allem aus den sunnitischen Teilen des Landes, drängt sich das Gefühl auf, dass sich dennoch nicht viel geändert hat. Wieder ist von einem Autokraten die Rede, von Verfolgung politischer Gegner, von Diskriminierung. Nur ist der Mann mit den Allmachtsphantasien diesmal kein Sunnit, sondern der Schiit Nuri al-Maliki.

Zehn Jahre Krieg im Irak: Opfer in US-Armee und Zivilbevölkerung

Maliki ist der Premier des Irak - seine Geschichte ist die Geschichte eines gescheiterten Versuches, aus einer Diktatur eine Demokratie zu machen.

Am 1. Mai 2003, nach nur sechs Wochen Krieg, verkündete der amerikanische Präsident George W. Bush: "Mission erfüllt." Was er ahnen konnte, aber wohl nicht aussprechen wollte: Der schwierigste Teil der Mission sollte mit dem Sturz des Regimes erst beginnen. Saddam Hussein hatte 24 Jahre lang den Irak regiert, 24 Jahre lang hatte er das Land ausgebeutet und die Schiiten verfolgt. Nun stand ein 30-Millionen-Volk vor den Trümmern einer einst so stolzen Nation.

Legitimer Nachfolger des Königs von Babylon

Saddam Hussein sah sich selbst als den legitimen Nachfolger des Königs von Babylon. Seine Herrschaft stützte der Sunnit auf seine Glaubensbrüder. Schiiten hingegen, die im Irak die Bevölkerungsmehrheit stellen, ließ er verfolgen und verhaften, die Kurden bekämpfte er mit Giftgas. An den Folgen leidet der Irak noch heute. So sahen die Schiiten den Sturz Saddams als die lang erhoffte Chance, an die Macht zu kommen. Die Kurden hofften, nun endlich im ölreichen Norden ihren eigenen Staat zu bekommen. Und die Sunniten sahen sich als unschuldiges Opfer der verhassten Amerikaner - eine explosive Gemengelage.

Die Besatzungstruppen schauten weitgehend untätig zu, wie innerhalb weniger Monate neue Grenzen gezogen wurden. Gebiete, in denen Sunniten und Schiiten einst gemeinsam wohnten, wurden separiert, das Land faktisch dreigeteilt: in die halbautonome Kurdenregion im Norden, die Schiitenprovinzen im Südosten und die Sunniten dazwischen. Und fast überall im Land: Anschläge von Saddam-Anhängern, von al-Qaida, von Gegnern der US-Besatzung. Erst eine massive Aufstockung der Truppen durch die USA im Jahr 2007 konnte dem tagtäglichen Terror ein Ende setzen - zumindest vorübergehend.

Maliki - ein neuer Saddam?

Das Regieren ist nur möglich, weil die großen Volksgruppen die Schlüsselstellen der Macht untereinander aufteilen. So wurde jene Kommission, die Iraks erste Nachkriegsverfassung entwarf, von je einem Kurden, einem Schiiten und einem Sunniten geleitet. Jede künftige Regierung sollte nach gleichem Muster gebildet werden. So lange die amerikanischen Besatzungstruppen im Land waren, funktionierte dies einigermaßen. Der letzte Kampfsoldat zog jedoch im Dezember 2011 ab - und die Spannungen im Irak nahmen schlagartig zu. Noch immer ist die Arbeitslosigkeit hoch, Stromausfälle an der Tagesordnung, der Müll bleibt liegen, Kläranlagen funktionieren nicht. Auch die Ölproduktion liegt zehn Jahre nach dem Krieg hinter den Erwartungen zurück.

Maliki weiß den Sicherheitsapparat für seine Zwecke zu nutzen

Vor allem aber macht sich das Gefühl breit, dass Nuri al-Maliki auf dem Weg ist, ein neuer Saddam zu werden. Die wichtigen Ministerien kontrollieren Maliki und seine Getreuen. Weil die US-Strategen Sunniten pauschal als Saddam-Anhänger und Al-Qaida-Sympathisanten abstempelten, bauten sie einen Sicherheitsapparat aus Schiiten auf. Und Maliki weiß ihn heute für seine Zwecke zu nutzen - zumal der irakische Präsident Dschalal Talabani nach einem Schlaganfall seit Dezember ausfällt und Maliki damit weitgehend freie Hand hat.

Im Streit um Gebiete im ölreichen Norden ließ er vor Kurzem die sogenannten Tigris-Sondertruppen gegen die kurdischen Peschmerga-Milizen aufmarschieren. Nur einen Tag nach Abzug der Amerikaner hatte er wegen angeblicher Anschlagspläne Haftbefehl gegen seinen Vizepräsidenten, den Sunniten Tarik al-Hashemi, erlassen. Im Dezember 2012 folgten die Leibwächter von einem weiteren Sunniten, dem mittlerweile zurückgetretenen Finanzminister Rafa al-Issawi.

Seither kommt es fast täglich zu Protesten und Anschlägen. Nach einem Selbstmordattentat auf das Justizministerium, bei dem vergangene Woche mindestens 25 Menschen getötet wurden, bekannte sich jüngst die irakische Al-Qaida-Gruppe. Sie wirft Malikis Regierung vor, die Minderheit der Sunniten zu unterdrücken. Erst am Wochenende tötete eine Autobombe nahe der Schiiten-Hochburg Basra mindestens zehn Menschen.

Zur Hochburg der Anti-Maliki-Demonstrationen hat sich Anbar entwickelt, die größte Provinz des Landes. Vermehrt schwenken die Protestierenden dort auch wieder rot-weiß-schwarze Flaggen mit drei grünen Sternen darauf - es ist die Flagge des gestürzten Regimes von Saddam Hussein.

Zehn Jahre Krieg im Irak: Opfer in US-Armee und Zivilbevölkerung

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: