Süddeutsche Zeitung

Irakkrieg:Powell zweifelt an Existenz irakischer Chemiewaffen-Labors

Noch im Februar 2003 hatte der US-Außenminister vor dem UN-Sicherheitsrat behauptet, Irak verfüge über mobile Labors zur Herstellung von Biowaffen. Mit seiner Darstellung wollte Powell den späteren Angriff auf Irak rechtfertigen.

Vor Journalisten der Washington-Post stellte Powell jetzt die Existenz mobiler irakischer Chemiewaffenlaboratorien selbst in Frage.

Powell hatte in seiner von der Weltöffentlichkeit mit Spannung erwarteten Rede am 5. Februar 2003 vor dem UN-Sicherheitsrat schwere Vorwürfe gegen Irak erhoben und die internationale Gemeinschaft zum Handeln aufgerufen. Mit seiner Darstellung in der entscheidenden Sitzung des höchsten UN-Gremiums wollte er beweisen, dass Irak Massenvernichtungswaffen besaß, und somit den späteren Angriff auf das Land rechtfertigen.

Zur Untermauerung seiner Ausführungen verwies er unter anderem auf Augenzeugenberichte "aus erster Hand", wonach Irak über mobile Labors zur Herstellung von Biowaffen verfüge. Auch präsentierte Powell Computerbilder von vermeintlichen Labor-Lastwagen.

Quellen weggebrochen

Die Existenz dieser Labors, mit denen Irak die internationalen Kontrollen hätte umgehen können, sei das "dramatischste" Element seiner Darstellung gewesen, sagte Powell. Daher habe er sich vergewissert, dass diese Informationen durch mehrere Quellen abgesichert gewesen seien. "Wenn nun die Quellen weggebrochen sind, dann müssen wir herausfinden, wie wir in diese Situation gekommen sind." Er habe mit dem US-Geheimdienst CIA darüber gesprochen, sagte Powell.

Die US-Tageszeitung Washington Post hatte Anfang März unter Berufung auf ehemalige US-Geheimdienstmitarbeiter berichtet, die Informationen über angebliche Biowaffenlabore in Irak seien von den USA ungeprüft aus zweiter Hand übernommen worden. Washington habe offenbar blind einem irakischen Überläufer vertraut, der den auf Krieg drängenden Exil-Irakern nahe stand. Der Informant sei nicht einmal von US-Geheimdienstlern persönlich befragt worden; vielmehr habe sich Washington auf Berichte des Mannes verlassen, die über andere Geheimdienste übermittelt worden seien.

"Kleiner, letzter Baustein"

Zwei Sattelschlepper, die nach dem Krieg in Irak gefunden wurden und fahrende Labore gewesen sein sollten, dienten nach Ansicht von Experten anderen Zwecken. Massenvernichtungswaffen, die von Washington und London als ein Hauptgrund für den Krieg genannt worden waren, wurden in Irak nicht gefunden.

Im Januar hatte Powell erstmals öffentlich eingestanden, dass Irak vor dem Krieg möglicherweise keine solchen Waffen besessen hat. Anfang Februar hatte er der Washington Post gesagt, er wisse nicht, ob er vor einem Jahr die Militäraktion empfohlen hätte, wenn klar gewesen wäre, dass der damalige irakische Machthaber Saddam Hussein keine verbotenen Waffen besitze.

Dieses angebliche Arsenal habe den "kleinen letzten Baustein" in der Begründung des Krieges dargestellt, durch den Irak als "reale und gegenwärtige Gefahr" für die Region und die Welt erschienen sei. Das Fehlen seines solchen Arsenals verändere aber das "politische Kalkül", sagte Powell.

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AFP/dpa
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