Irak:Zwischen allen Fronten

Der IS tötet in Mossul fliehende Zivilisten - und gerät weiter in Bedrängnis: In Syrien starten Kurden die Offensive auf Raqqa, die wichtigste IS-Hochburg. Unterstützt werden die Truppen von Luftangriffen der Anti-IS-Allianz unter Führung der USA.

Von Moritz Baumstieger

Als es am Dienstag den irakischen Sicherheitskräften gelang, mehreren Hundert Zivilisten die Flucht aus dem immer noch vom sogenannten Islamischen Staat gehaltenen Zanjili-Viertel in West-Mossul zu ermöglichen, war an den Flüchtlingssammelstellen kein Jubel zu hören. Fast apathisch saßen die Menschen da, sie waren zu erschöpft, um sich zu freuen. Und das nicht nur körperlich, auch die geistige Anspannung war für sie enorm: Die Geflohenen wussten, welche Gefahren ihnen jetzt auf den letzten Metern beim Überqueren der Frontlinie gedroht hatten.

Zuletzt hatten die Dschihadisten systematisch Bewohner ermordet, die in von der irakischen Armee kontrollierte Teile Mossuls zu fliehen versuchten. Scharfschützen zielten auf einzelne Fliehende, teils aber wurden auch Gruppen abgefangen: Anfang Juni etwa richteten IS-Kämpfer mindestens 163 Einwohner im Stadtteil al-Shira hin, wie der Menschenrechtskommissar der Vereinten Nationen nun berichtete, Zeid Ra'ad al-Hussein. Die Leichen der Männer, Frauen und Kinder lägen Anfang der Woche immer noch an der Stelle, an der sie die Islamisten erschossen hätten, sagte al-Hussein am Dienstag in Genf. Auch auf im Internet kursierenden Drohnenbildern waren die Körper der Getöteten gut zu erkennen. "Die Brutalität des IS und anderer Terroristen kennt offensichtliche keine Grenzen", so al-Hussein.

Sieben Monate nach dem Beginn der Rückeroberung der einstigen Millionenstadt Mossul hält die Terrormiliz IS noch gut zehn Quadratkilometer in der Stadt. Im Wesentlichen beschränkt sich das von den Dschihadisten kontrollierte Gebiet auf die Altstadt, deren eng besiedelte und verwinkelte Gassen für die Armee nur schwer einzunehmen sind. Nach UN-Angaben befinden sich hier noch etwa 200 000 Zivilisten, von denen die Hälfte wohl Kinder sind, insgesamt 750 000 Bewohner der Stadt sind bisher geflohen. Ursprünglich hatte die Regierung in Bagdad gehofft, Mossul bis zum Beginn des Ramadan vor zwölf Tagen ganz einzunehmen.

Unterdessen haben die von den USA unterstützten kurdisch dominierten Kräfte im Nachbarland Syrien ihre Offensive auf Raqqa offiziell begonnen. Der "große Kampf zur Befreiung" der zweiten großen IS-Hochburg habe in der Nacht zum Dienstag begonnen, teilten die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) am Dienstag mit. Im Morgengrauen kam es vor allem am nördlichen und östlichen Stadtrand zu ersten Gefechten.

Die SDF hatten in den vergangenen Monaten das Umland der inoffiziellen Hauptstadt des IS erobert. Vor einer Woche hatten die USA begonnen, die von ihnen versprochenen Waffen für den Kampf um Raqqa auszuliefern. Die Ankündigung der Trump-Regierung Anfang Mai, bei der Vertreibung des IS aus Raqqa auf die Kurden zu setzen, hatte beim Nato-Partner Türkei für Verstimmung gesorgt. Große Teile der SDF werden von kurdischen Milizen gestellt, die der in der Türkei als Terrororganisation verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK ideologisch und organisatorisch nahestehen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: