Süddeutsche Zeitung

Irak:Todesfalle am Geburtstag

Bei einem Angriff im Irak sterben ein Brite und zwei US-Soldaten. War es Rache?

Von Moritz Baumstieger

Die Statue, die in der iranischen Stadt Bandar Anzali enthüllt wurde, sorgte im Internet für einigen Spott. Die Gesichtszüge des Mannes, den das Werk ehren soll, sind zwar eindeutig zu erkennen. Doch die Proportionen des Körpers stimmen nicht, das Abbild von Qassim Soleimani wirkt deshalb seltsam gedrungen. Der Kommandeur der Quds-Brigaden, der als Architekt der aggressiven iranischen Außenpolitik gesehen wird, wäre am Mittwoch 63 Jahre alt geworden. Wäre - denn nachdem in den letzten Dezembertagen 2019 ein ziviler Mitarbeiter des US-Militärs durch Raketen pro-iranischer Milizen im Irak zu Tode gekommen war, ordnete US-Präsident Donald Trump das bis dahin kaum Vorstellbare an. Er ließ den wichtigsten General des Erzfeindes Iran am 3. Januar dieses Jahres per Drohnenschlag töten.

Im ohnehin fragilen Mittleren Osten fürchtete man daraufhin den Ausbruch des großen Krieges zwischen Iran und den USA, der sich seit Monaten abzuzeichnen schien. Letztendlich beließ es Irans Führung bei symbolischen Angriffen und erklärte ihre Rache nach einem Raketenhagel für beendet, der abgesehen von einigen Verletzten keine größeren Schäden anrichtete. Die spontane Entscheidung des Präsidenten wurde nun nicht mehr als riskanter Akt gesehen; mehrere Experten attestierten Donald Trump, erfolgreich eine rote Linie gezogen zu haben: Wenn Iran US-Bürger tötet, hat das gravierende Folgen.

Wenn die US-Regierung dieser Linie treu bleibt, könnte der auch wegen der Coronakrise zuletzt in den Hintergrund geratene Konflikt zwischen Iran und den USA bald wieder die Schlagzeilen bestimmen: Am späten Mittwochnachmittag trafen nach Angaben der US-geführten Anti-IS-Koalition bis zu 18 Katjuscha-Raketen die Militärbasis Tadschi im Irak. Zwölf Soldaten wurden verwundet, drei verloren das Leben. Neben einem Briten starben Medienberichten zufolge zwei US-Amerikaner. Irakische Sicherheitskräfte fanden wenige Kilometer entfernt von der Basis einen Transporter, der zum Abschuss der Raketen umgebaut worden war. Der Stützpunkt wird von den Koalitionstruppen zur Ausbildung und Beratung irakischer Einheiten genutzt, auch etwa 50 Deutsche sind dort stationiert.

Der Terrormiliz Islamischer Staat, gegen die sich der Einsatz der internationalen Koalition richtet, trauen Terrorismusexperten einen solchen Angriff derzeit nicht zu. Zwar kämpfen im Irak noch versprengte Einheiten, die über Waffen und Geld verfügen. Doch Beschaffung, Transport und das unentdeckte Abfeuern der Raketen erfordern Expertise und Logistik, die von den dezentral im Untergrund agierenden Zellen kaum zu erwarten ist.

Deutlich wahrscheinlicher ist deshalb, dass eine pro-iranische Miliz die Katjuscha-Raketen abgefeuert hat. Nicht nur, weil die Flugkörper auch in Iran unter dem Namen Arash hergestellt werden - sondern vor allem wegen des symbolischen Datums, an dem sie auf der Basis Tadschi einschlugen: am Geburtstag des von den USA ermordeten Generals Qassim Soleimani.

Die schiitschen Milizen der sogenannten "Volksmobilisierungseinheiten" wurden 2014 im Irak aufgestellt, um die überforderte Armee in ihrem Kampf gegen die Terrormiliz IS zu unterstützen. Dabei arbeiteten die Milizen eng mit der US-geführten Koalition zusammen, wurden aber von Iran ausgerüstet, ausgebildet und beraten. Neben Soleimani töteten die USA am 3. Januar auch einen der prominentesten Vertreter dieser Milizen, Abu Mahdi al-Muhandis, als der den Iraner vom Bagdader Flughafen abholte. Dass seine Haschd al-Shaabi genannte Gruppe aber ohne das Wissen Teherans losschlug, um den Kommandeur nun zu rächen, gilt als wenig wahrscheinlich. Auch nach dem Tod des Topkommandeurs gilt die Kontrolle des iranischen Regimes über die von ihm unterstützten Gruppen im Ausland als eng.

Offiziell wollen die USA und Großbritannien bisher nicht Iran beschuldigen. Der britische Premier Boris Johnson sagte am Donnerstag, man werde im engen Kontakt mit den Koalitionspartnern bleiben, um herauszufinden, was genau passiert sei. US-Außenminister Mike Pompeo kündigte an, dass die "für die Angriffe Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden" müssten. Noch am Mittwochabend schlugen bereits mehrere Bomben im irakisch-syrischen Grenzgebiet ein - in jener Gegend, in denen pro-iranische Gruppen ihre Präsenz zuletzt massiv ausgebaut haben. Mindestens 26 ihrer Kämpfer sollen dabei im Weiler Abu Kamal getötet worden sein. Dass es die USA angesichts der Vorgeschichte bei solch einer begrenzten Vergeltungsaktion belassen werden, ist jedoch unwahrscheinlich.

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SZ vom 13.03.2020
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