Süddeutsche Zeitung

Irak:Schüsse in "Dream City"

Ein Attentat auf den türkischen Vizekonsul in Erbil wirft ein Licht auf den Kurdenkonflikt. Die PKK bestreitet, für die Tat verantwortlich zu sein.

Von Moritz Baumstieger

Das "HuQQabaz" im Nordwesten Erbils passt ziemlich genau in das Bild, das die Hauptstadt der kurdischen Autonomiegebiete im Irak gerne von sich zeichnet: Gelegen im einem Glas- und Betonbau im Geschäftsviertel "Dream City", auf halber Strecke zwischen dem Flughafen und der Altstadt Erbils, serviert das Franchiserestaurant eine zeitgemäße Interpretation der regionalen Küche. Ein bisschen Orient, aber sauber und modern.

Was sich im "HuQQabaz" am Mittwochmittag ereignete, passte jedoch eher zum Klischee des gesetzlosen Irak denn zu dem dynamischen und sicheren Businesszentrum, als das Erbil gerne gelten würde: Zwei Männer betraten mit schallgedämpften Waffen die klimaanlagengekühlten Räume und erschossen den dort speisenden türkischen Vizekonsul sowie zwei seiner einheimischen Mitarbeiter. Sekunden nach den Morden waren sie wieder verschwunden, auch eilig errichtete Straßensperren halfen nicht, die Täter zu fassen.

Während kurdische und irakische Politiker sich beeilten, dem türkischen Staat und den Angehörigen der Toten zu kondolieren und die Tat zu verurteilen, lässt ein Bekenntnis zu den Schüssen bisher auf sich warten. Lokale Journalisten spekulierten über einen privaten Hintergrund der Tat, sprachen von Rechnungen für Dienstleistungen, die der Diplomat schuldig geblieben sein könnte. Die Behörden in Erbil und türkische Offizielle äußerten sich bisher nicht zu möglichen Motiven.

Falls sich jedoch herausstellen sollte, dass der Anschlag politische Hintergründe hat, könnte dies einen Konflikt weiter anheizen. Seit Monaten geht Ankara auf irakischem Boden gegen die kurdische Arbeiterpartei PKK vor, die in der Türkei als Terrororganisation gilt und die im grenznahen Bergland versteckte Lager unterhält. Diese versuchen türkischen Spezialkommandos und Kampfjets anzugreifen, zuletzt Anfang der Woche. Mittlerweile unterhält die türkische Armee 15 Stützpunkte in der Region. Während die kurdische Autonomieregierung dies duldet, auch weil sie in der PKK einen Rivalen sieht, protestiert die Zentralregierung in Bagdad immer wieder gegen diese Verletzung der Souveränität.

Die PKK bestreitet, für die Tat verantwortlich zu sein, der türkische Außenminister Mevlüt Çavaşoğlu sagte jedoch nach einem Telefonat mit dem Chef der kurdischen Regionalregierung, dass man sich "als erstes frage, ob das ein Terroranschlag war".

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Quelle:
SZ vom 19.07.2019
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