Süddeutsche Zeitung

Irak:Mehr als 100 Tote bei Protesten

  • Wenige Jobs, schlechte Infrastruktur, Korruption: Seit Tagen wird im Irak gegen die Regierung demonstriert.
  • Tausende Menschen wurden dabei verletzt, mehr als Hundert getötet.
  • Die Regierung macht "böswillige" Kräfte dafür verantwortlich.

Innerhalb von sechs Tagen sind im Irak bei Protesten gegen die Regierung nach Angaben des Innenministeriums 104 Menschen ums Leben gekommen. Zwölf Demonstranten seien am Sonntag umgekommen, 6107 Menschen verletzt worden, teilte der Ministeriumssprecher mit. Darunter seien mehr als 1200 verletzte Sicherheitskräfte.

Die Proteste hatten am Dienstag in Bagdad und in mehreren Städten im Süden des Landes begonnen. Sie richten sich gegen die Regierung und gehen vor allem von jungen Irakern aus, die Jobs, eine verbesserte Strom- und Wasserversorgung und ein Ende der Korruption in dem ölreichen Land fordern. Die Demonstrationen schlugen in blutige Auseinandersetzungen um, die irakische Regierung ging hart gegen die Demonstranten vor, hat aber Probleme, sie zu kontrollieren. Der Ministeriumssprecher sagte, es werde ermittelt, wer hinter der Gewalt stecke, die am Freitag in Bagdad ihren bisherigen Höhepunkt erreicht hatte.

Großajatollah Ali al-Sistani rief die Protestierenden und die Sicherheitskräfte auf, die Gewalt zu beenden. Ministerpräsident Adel Abdel Mahdi forderte die Demonstranten auf, nach Hause zu gehen, und sprach sich dafür aus, sich ohne Sicherheitskräfte mit Vertretern zu treffen, um ihre Forderungen anzuhören. Er verteidigte die Sicherheitskräfte jedoch; diese erfüllten lediglich ihre Pflicht und setzten Gewalt nur in extremen Fällen der Selbstverteidigung ein.

Der Innenministeriumssprecher sagte am Sonntag, die Protestierenden hätten 51 öffentliche Gebäude und acht Parteizentralen in Brand gesetzt. Sicherheitskräfte hätten sich ihnen nicht entgegen gestellt. Er machte "böswillige Hände" verantwortlich, die sowohl Protestierende und Sicherheitskräfte zur Zielscheibe machten.

Demonstrierende und Journalisten berichteten dagegen, sie hätten gesehen, wie Sicherheitskräfte auf Demonstranten feuerten. Demnach seien auch Scharfschützen im Einsatz gewesen. Laut dem Ministeriumssprecher wurden die meisten der Opfer vom Freitag durch Schüsse in den Kopf oder das Herz getötet.

Am Samstagabend hatte Ministerpräsident Mahdi eine Reihe von Maßnahmen angekündigt, darunter Arbeitslosengeld, bezuschusstes Wohnen und Land für Gruppen mit niedrigen Einkommen. Am Sonntag gingen erneut Menschen auf die Straße, jedoch waren es weniger.

Die Unruhen im Irak kommen zu einer kritischen Zeit: Der Irak ist inmitten der erhöhten Spannungen zwischen den USA und dem Iran gespalten. Im Irak sind Tausende US-Soldaten stationiert, ebenso wie mächtige paramilitärische Gruppen, die mit dem Iran verbündet sind.

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SZ.de/ap/lalse
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