Irak:Demonstranten beginnen Sitzstreik im Parlament

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Hunderte Anhänger des schiitischen Geistlichen al-Sadr stehen und sitzen im irakischen Parlament. (Foto: Ameer Al-Mohammedawi/dpa)

Zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage stürmen Anhänger des Schiiten-Predigers al-Sadr die Regierungszone in Bagdad. In dem Machtkampf geht es um einen neuen Premier und eine neue Regierung.

In der irakischen Hauptstadt Bagdad haben Demonstranten das Parlament gestürmt und einen Sitzstreik begonnen. Dies berichtete die staatliche Nachrichtenagentur INA am Samstag. Es ist bereits das zweite Mal innerhalb weniger Tage, dass Anhänger des einflussreichen schiitischen Geistlichen Muktada al-Sadr in das Parlamentsgebäude eindrangen. Sie fordern eine Regierung frei von ausländischem Einfluss und Korruption. Die Demonstranten, die von Sadr und seiner Bewegung angeführt wurden, rissen Betonbarrieren nieder und warfen Steine. Die Polizei setzte Tränengas ein. Nach Angaben der Behörden wurden mindestens 125 Menschen verletzt, darunter Demonstranten und Polizisten. Alle weiteren Sitzungen des Parlaments wurden zunächst abgesagt, wie der Parlamentspräsident mitteilte. Auf TV-Bildern war zu sehen, wie sich überwiegend junge Menschen im Plenarsaal aufhielten und Fotos von al-Sadr in die Kameras hielten.

In einem Machtkampf will die Al-Sadr-Bewegung verhindern, dass ihre politischen Gegner um Ex-Regierungschef Nuri al-Maliki eine Regierung bilden können. Die Rivalen des 47 Jahre alten Religionsführers hatten gut zehn Monate nach der Parlamentswahl vor kurzem einen Kandidaten als Premier vorgestellt. Aus Sicht al-Sadrs steht aber der für das Amt vorgesehene ehemalige Minister Mohammed Schia al-Sudani dem Ex-Premier al-Maliki viel zu nahe. Al-Sadr und al-Maliki sind verfeindet. Außerdem sympathisieren al-Maliki und dessen Allianz offen mit dem Nachbarland Iran.

Sadrs Partei hatte die Wahlen im Oktober gewonnen. Sadr zog seine Abgeordneten aus dem Parlament aber ab, nachdem es ihm nicht gelungen war, eine Regierung zu bilden. Er wollte eine Allianz gegen andere schiitische Parteien bilden, von denen die meisten vom Iran unterstützt werden und über paramilitärische Unterstützergruppen verfügen. Durch den Rückzug gingen Dutzende Sitze an ein Bündnis schiitischer Parteien.

Das Land ist seit fast einem Jahr ohne Präsident und Ministerpräsident, weil die Lage festgefahren ist. Sadr, dem seine Gegner ebenfalls Korruption vorwerfen, verfügt über viel Macht. Seine Gefolgsleute sitzen in einflussreichen Positionen in irakischen Ministerien und staatlichen Einrichtungen. Das Land verfügt über enorme Ölvorräte, leidet aber unter häufigen Stromausfällen, einem schlechten Bildungs- und Gesundheitswesen und einer hohen Arbeitslosigkeit gerade unter jungen Leuten. Nach dem Untergang des Regimes von Langzeitdiktator Saddam Hussein im April 2003 bekämpfte seine Armee US-Truppen, die sie als Besatzer ansahen. Heute gibt er sich gemäßigter. Seine Anhänger leben vor allem in ärmeren Vierteln.

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