Irak-Kriegsveteranen:Die durch die Hölle gingen

Die US-Armee rechnet mit 200.000 traumatisierten Irak-Veteranen. Jeder dritte Soldat braucht während oder nach seinem Einsatz psychiatrische Hilfe. Eine Heilung kann Jahrzehnte dauern.

Von Andrian Kreye

Das Ergebnis einer Studie über die geistige Gesundheit der kämpfenden Truppe, die jüngst von der amerikanischen Armee veröffentlicht wurde, ist dramatisch: Jeder dritte Soldat braucht während oder nach seinem Einsatz in Afghanistan oder im Irak psychiatrische Hilfe.

Irak-Kriegsveteranen: US-Soldaten bei einer Kampfpause im Irak.

US-Soldaten bei einer Kampfpause im Irak.

(Foto: Foto: Reuters)

Nach Schätzungen der Experten muss Amerika mit mehr als 200.000 psychisch geschädigter Veteranen rechnen, die zum Teil bis zu 35 Jahre Betreuung brauchen werden. Die ursprüngliche Studie, die vor einem Jahr im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde, war noch von der Hälfte der Fälle ausgegangen.

Doch die Schlachten um irakische Städte, bei denen US-Infanteristen oft wochenlang im Straßenkampf stehen, haben die Truppen Stress-Situationen ausgesetzt, die es zuletzt im Vietnam-Krieg gegeben hat. Dazu kommt die Belastung durch die so genannten "Stop Loss"-Programme, bei denen die Dienstzeiten an der Front mehrmals verlängert werden.

Das trifft vor allem die Mitglieder der Reserve und der Nationalgarde hart, die ihre Verträge in der Annahme unterzeichneten, ihren Dienst in der Heimat neben ihrem Zivil-Beruf ableisten zu können. Die verlängerten Dienstzeiten und der zivile Verdienstausfall haben bei Tausenden Soldatenfamilien schon zu Bankrott und Scheidungen geführt.

Das Problem des so genannten posttraumatischen Stress-Syndroms ist nicht neu. Früher nannte man das Seelenleiden auch Schützengraben-Neurose, Shell Shock oder "Soldatenherz".

Der Archetyp des psychisch geschädigten Soldaten bevölkert schon lange Literatur und Film - sei es in Sebastian Faulks Gedichten aus dem Ersten Weltkrieg, Erich Maria Remarques Roman "Im Westen nichts Neues" oder in Michael Ciminos Film "Die durch die Hölle gehen".

Nach dem Vietnamkrieg hatten schätzungsweise ein Drittel aller Heimkehrer Schwierigkeiten, wieder in ihr altes Leben zurückzufinden. Die sichtbarsten Folgen waren auch damals Einsamkeit, Armut und Drogensucht.

Mit umfangreichen Programmen werden die Frontsoldaten heute intensiv betreut. Eine neue Generation wirksamer Psychopharmaka kann Abhilfe bei akuten Störungen leisten. Die Nachrichtensendung Night Line interviewte vergangene Woche mehrere Soldaten, denen so geholfen wurde.

Einem Sergeant, der ansehen musste, wie ein irakisches Mädchen von einem Lastwagen zerquetscht wurde, half das Medikament Zoloft über seine Schreckhaftigkeit hinweg. Eine Soldatin, die Opfer einer Landmine wurde, kurierte ihre Heulkrämpfe mit dem Beruhigungsmittel Paxil.

Chronische Fälle des posttraumatischen Stress-Syndroms sind aber viel schwieriger zu behandeln. Vor allem nach der Heimkehr fühlen sich Veteranen von Freunden und Verwandten unverstanden. Die wiederum reagieren oft ratlos.

Für noch intensivere Behandlungen fehlt es an Geld. Die Regierung hat zuletzt massive Haushaltskürzungen im Amt für Veteranen vorgenommen. Experten schätzen, dass bis 2007 allein für die psychologische Betreuung 1,65 Milliarden Dollar fehlen.

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