Irak:Good morning Bagdad

Ein 33-jähriger Berliner gründet mit Hilfe des Auswärtigen Amtes den Sender "Telefone FM" und macht Radio für den Irak. Gesendet wird aus Berlin. Am 10.Juli geht es los.

Von Hajo Schumacher

Wem der Staat heute noch Geld schenkt, der muss schon Vodafone sein, sich als Elite-Uni tarnen, etwas mit Steinkohle zu tun haben - oder Klaas Glenewinkel heißen. Der junge Mann aus Berlin, der seit Jahren zwischen Kunst und Medien balanciert, hat mal eben 200.000 Euro aus dem Auswärtigen Amt besorgt - für ein Projekt, das in seiner ganzen jugendlichen Frische gar nicht passt zum oftmals biestigen Ton des geldgebenden Ministers.

Irak: Ein Radiohörer in Bagdad.

Ein Radiohörer in Bagdad.

(Foto: Foto: AP)

Glenewinkel, 33, will Radio machen für Bagdad und wäre damit nach Fußballtrainer Bernd Stange der zweite Deutsche, der im Irak an prominenter Stelle anpackt. Nun ist es ist nicht so, dass es dort kein Radio gäbe: Etwa 30 Stationen senden allein in der Hauptstadt, zum Beispiel BBC World, Radio Monte Carlo oder Hot FM, das ein Amerikaner namens Jack in Erwartung des großen Geldes aus dem Bagdad Sheraton sendet, und natürlich parolenschweres Parteiradio von allerlei politischen Gruppierungen.

Wenig Bedarf an Ideologischem und Muezzin-Rufen

Der Bedarf an ideologischen Bekenntnissen und Muezzin-Rufen hält sich gerade bei jungen Hörern indes in Grenzen, erfuhr Glenewinkel bei seinen Besuchen im vergangenen Jahr, als er durch die Uni-Mensa streunte und feststellte, "dass die - Krieg hin oder her - ihre Hausarbeiten genauso auf den letzten Drücker fertig kriegen wie wir, gern Eminem hören und von selbstgemachtem Programm träumen".

Good morning Bagdad

Glenewinkel fand, dass der demokratietheoretische Ansatz vom Offenen Kanal hier noch Sinn hat - und fragte bei den Vereinten Nationen nach, wo er hier denn Radio machen dürfte. Die Offiziellen grienten und schickten ihn zu den Amerikanern. Die ließen ihn immerhin zugucken, wie sie Fernsehen für den Irak entwarfen. Aber eine Zusammenarbeit mit US-Vertretern kam nicht in Frage, schon wegen der Unabhängigkeit.

Zurück in Berlin entwarf Glenewinkel ein Konzept für sein Telephone FM. "Wenn der Krieg den Jugendlichen im Irak überhaupt etwas gebracht hat, dann ist es Meinungsfreiheit", sagt Glenewinkel. Und die sollten die jungen Iraker jetzt mal ausprobieren, mit einem eigenen freien Sender, den sie selbst gestalten. Das Konzept hat er dann an Haim Saban und andere einflussreiche Medienmenschen geschickt, aber die reagierten nicht.

Nach vielen vergeblichen Anläufen bei allerlei Institutionen wählte Glenewinkel, kurz vor der Verzweiflung, schließlich die Nummer der Zentrale vom Auswärtigen Amt: einmal die 5, viermal die 0. Er ließ sich zum Nahost-Ressort verbinden, fragte sich durch die Abteilungen und landete schließlich bei einem jungen aufgeschlossenen Nachwuchs-Diplomaten.

Der befragte Glenewinkel und seine Partnerin Anja Wollenberg, 35, eine Psychologin, dreieinhalb Stunden lang zu ihren Motiven, Plänen und den vorherigen Projekten wie dem temporären Radio für die Volksbühne und Experimenten mit interaktivem Fernsehen und ließ sich überzeugen, dass man mit MP3-Streaming über das Internet eine Liveübertragung von Deutschland nach Bagdad hinbekommt.

"Telephone FM"

Die beiden bestanden den Test und hatten wenig später 200000 Euro für Telephone FM - das heißt so, weil im Irak das Handy boomt und Macher und Menschen zusammenhalten soll. Endlich konnte es losgehen. Im Irak wurden Bewerber gecastet, ihr Englisch geprüft, Lebensläufe gesichtet, ihre bisherige Arbeit bei der BBC oder einem früheren Udai-Sender begutachtet.

Bagdad suchte ein paar Tage lang den Super-Moderator. Übrig blieben zwei junge Männer und eine Frau, die sich sogleich diskret erkundigte, ob es vielleicht eine Chance gäbe, ihre kranke Mutter mitzubringen. Gab es leider nicht. So kamen kürzlich drei irakische Radiomacher ohne Verwandtschaft nach Berlin, von wo das Programm vom 10. Juli an ausgestrahlt wird. Aus Sorge um die Sicherheit hat das Auswärtige Amt die Produktion im Irak verboten.

Der Öffentlichkeit wird das Trio noch vorenthalten, schon, um die mentale Akklimatisierung sanft zu gestalten. Weiter als bis Amman im benachbarten Jordanien waren die jungen Iraker bislang nicht gekommen, und schon der Zwischenstopp im feinen Interconti dort geriet wohl zum ersten kleinen Kulturschock. In den kommenden Wochen werden die Pioniere von Berliner Experten von Radio 1 und Radio Multikulti dabei unterstützt, Formate für die 90 Minuten zu entwickeln, die werktäglich als Fenster beim etablierten Sender Bagdad FM laufen.

Die eher krasse Musikfarbe liefert das Berlin-arabische Hiphop-Label Mellowvibes. Einzige Vorgaben der Deutschen: Bitte keine Insider-Debatten, bei denen sich Peter Scholl-Latour mit sich selbst unterhält, am liebsten überhaupt keine Menschen über 40 und schon gar keine Rauschebärte von den Unis, die als Nahostexperten daherkommen und erstmal aus ihrer Dissertation über Gender Mainstreaming im Westjemen zitieren.

Historische Mission zu Iraks Jugend

Dennoch ließ sich nicht verhindern, dass die Fangemeinde im Fachpublikum ordentlich wuchs. Wer auf sich hält in der wissenschaftlichen Arabisten-Community, der findet das Projekt prima und hofft insgeheim, auch mal interviewt und gesendet zu werden, mitten im Forschungsgebiet. In Bagdad selbst besorgt ein furchtloser Freier O-Töne und Interviewpartner.

Wie in der Ministerialbürokratie üblich, muss Glenewinkel jeden Schritt in Berichtsform abfassen und ans Auswärtige Amt schicken. Ginge alles gut, gerieten also die sechs Wochen Testbetrieb zu einem Erfolg, gäbe es Geld für weitere Radio-Tage in Bagdad. Immerhin, sagt Glenewinkel, befände sich das Außenministerium auf historischer Mission: "Die Deutschen wären die ersten, die einen Dialog mit der jungen, modernen Mittelklasse im Irak zustande brächten."

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