Haidar al-Abadi zog den schwarzen Kampfanzug der Anti-Terror-Einheiten der irakischen Armee an, bevor er Montag um zwei Uhr morgens ins Fernsehen ging. Umringt von seinen Generälen verkündete der Premier aus der Kommandozentrale der Armee den lange erwarteten Beginn der Offensive, mit der Mossul aus den Händen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) befreit werden soll. "Die irakische Flagge wird in der Mitte von Mossul gehisst werden, in jedem Dorf und jeder Ecke, und das sehr bald", rief er.
Noch in der Nacht rückten kurdische Peschmerga-Kämpfer im Osten der einst zweitgrößten Metropole des Landes in eine Handvoll Dörfer vor; von den Amerikanern ausgebildete irakische Elitesoldaten waren jüngst nach einem Sonderurlaub bei ihren Familien an die Front im Süden beordert worden, von wo aus der Hauptvorstoß auf die Stadt geführt werden soll. Auch sie machten sich in langen Kolonnen auf den Weg in die entscheidende Schlacht um die letzte große Bastion des IS im Irak.
Kriegsparteien in Syrien und Irak
Unklar ist, ob der IS überhaupt kämpft - oder sich absetzt
In Mossul halten sich laut westlichen Geheimdiensten noch etwa 3000 bis 4500 Kämpfer des IS verschanzt, in manchen Schätzungen ist auch von 6000 oder 8000 die Rede. Ihnen stehen mehr als 20 000 irakische Soldaten und Polizisten gegenüber sowie Tausende Kämpfer verschiedener sunnitischer und schiitischer Milizen. Mehr als 5500 US-Soldaten unterstützen in verschiedensten Funktionen die Operation. Doch bis die irakischen Elite-Einheiten die schwarze Standarte des Dschihadisten von den Masten reißen, könnte es dauern.
"Maßgeblich wird es davon abhängen, ob der IS sich entscheidet zu kämpfen, oder ob sie versuchen, sich aus der Stadt Richtung Syrien abzusetzen", sagt Columb Strack, IS-Experte bei der Analyse-Firma IHS. Der IS wisse, dass er die Schlacht nicht gewinnen könne - die Frage sei, wie viel Ressourcen die Führung zu opfern bereit sei und ob die von Kadern überwachten Kämpfer, oft zwangsrekrutierte sunnitische Stammesleute, in großer Zahl desertieren würden. IS-Konvois aus Mossul seien vergangene Woche nach Raqqa gefahren, der syrischen Hauptstadt des Kalifats. Irakische Kommandeure sagen, sie würden ihnen diesen Weg vorerst offen lassen.
Die Dschihadisten brechen Widerstand mit Massenhinrichtungen
In der ersten Phase des Angriffs, der einige Wochen dauern könnte, werden die irakischen Truppen voraussichtlich den Ring um die Stadt enger ziehen und die Versorgung abschneiden. Dann dürften sie versuchen, in Viertel vorzustoßen, in denen der IS wenig Unterstützung genießt. Es gibt Berichte aus Mossul, dass sich manche Bürger gegen den IS erheben. Die Dschihadisten versuchen, aufkeimenden Widerstand mit Massenhinrichtungen zu brechen.
Zudem haben sie nach Informationen westlicher Geheimdienste in den vergangenen Monaten Verteidigungsanlagen errichtet, um den irakischen Soldaten den Vormarsch zu erschweren. Die wiederum verfügen nicht über die Ausrüstung und Logistik einer modernen Armee und nicht über die Möglichkeit, ihre Verletzten in Krankenhäuser auszufliegen, wie es etwa die USA tun. Sie müssen deswegen vorsichtiger vorgehen - und langsamer.