Irak:Der Frevel von Mossul

  • Die Zerstörung antiker Artefakte durch den IS in Mossul ähnelt dem Beschuss der Bhuddas von Bamian durch die Taliban 2001. Die Schändung des Kulturguts markierte einen Wendepunkt im Verhalten des Westens zum Taliban-Regime. Beim IS könnte es ähnlich sein.
  • Experten klagen über den Verlust unwiederbringlicher knapp 3000 Jahre alter Originale.
  • Mit dem Bildersturm versucht der selbsternannte Kalif des IS den Irakern ihre Identität zu rauben, zu der auch die vorislamische Geschichte des Zweistromlands gehört.

Von Tomas Avenarius und Sonja Zekri

Würde der Chef der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), Abu Bakr al-Bagdadi, gelegentlich zu einem anderen Buch greifen als zum Koran, wäre er vielleicht vorsichtiger. Anzuraten wäre ein Band über die jüngste Geschichte Afghanistans. Als eine Horde Taliban im März 2001 mit Panzern auf die Buddhas von Bamian schoss und die Monumentalfiguren dann mit Dynamit in die Luft sprengte, verlor die Welt die Geduld.

Mullah Omar, Chef der afghanischen Steinzeit-Islamisten und so etwas wie der Vorgänger des irakisch-syrischen IS-Kalifen, hatte die Kulturschändung ausdrücklich befohlen; auf diese Weise ließ er, wohl eher unbeabsichtigt, jeden Gedanken an einen Ausgleich mit den Taliban schlagartig absurd erscheinen.

Zwar löste erst der Terror vom 11. September 2001 eine internationale Intervention aus und beendete so die Taliban-Herrschaft. Aber schon ein halbes Jahr zuvor, nach der Zerstörung der mehr als 1400 Jahre alten Buddhas, wollte keiner mehr etwas zu tun haben mit den frömmelnden Kulturschändern, und es mehrten sich die Stimmen für ein gewaltsames Vorgehen gegen die Taliban.

Der IS zeigt sich erneut als programmatisch primitive Kraft

Den IS und seinen Kalifen hat Geschichte nie interessiert, solange sie nicht seine Weltsicht bestätigt. IS-Milizionäre haben sich nun filmen lassen, wie sie im Museum von Mossul im Irak antike Statuen vom Sockel stürzen, die Bruchstücke mit Vorschlaghämmern und Schlagbohrmaschinen zertrümmern und dabei johlen: "Allahu akbar".

Im Internetvideo hört man dazu Koranrezitationen und religiöse Litaneien, während ein halbwegs wortgewandter Islamist über seine Vorfahren richtet, die alten Mesopotamier. Sumerer, Assyrer und Babylonier hätten "Götzen angebetet, mehr als nur einen Gott verehrt".

Mit der Zerstörung des Museums in der nordirakischen Stadt, in dem vor allem assyrische Artefakte ausgestellt worden waren, hat der IS sich erneut als programmatisch primitive Kraft gezeigt.

Mit dem Bildersturm wird eine ultrasunnitische Islaminterpretation verbreitet

Milizenchef Bagdadi, der sich selbst Kalif Ibrahim nennt, verfolgt mehrere Ziele mit dem Bildersturm. Er verbreitet eine ultrasunnitische Islaminterpretation, sie kennt nur einen Gott und verbietet Darstellungen von Menschen.

Nach den vielen Erschießungen, Enthauptungen und Verbrennungen von Journalisten, nicht-sunnitischen Muslimen, Christen und anderen Geiseln bringt der IS-Führer sich zudem erneut auf schockierende Art ins Gespräch. Die Unesco fordert wegen des IS-Vandalismus eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats, denn der Irak ist ein Hort einmaliger Kulturschätze, sei es im nahe Mossul gelegenen Ninive oder im renovierten Nationalmuseum von Bagdad.

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(Foto: SZ-Grafik)
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