Süddeutsche Zeitung

Irak:Botschaft der Raketen

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Am Sonntagabend schlug eine Katjuscha-Rakete in der Grünen Zone in Bagdad ein, nur etwa anderthalb Kilometer von der amerikanischen Botschaft entfernt. Präsident Donald Trump macht Iran für die Eskalation im Irak verantwortlich.

Von Paul-Anton Krüger, München

Sie haben - teils unterstützt von den USA - im Irak gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gekämpft. Und sie haben Mörsergranaten auf die US-Botschaft in Bagdad gefeuert. Die Rede ist von schiitischen Milizen, die bei den Spannungen zwischen Iran und den USA eine zentrale Rolle spielen. Es ist wahrscheinlich, dass wiederum eine dieser Gruppen verantwortlich ist dafür, dass am Sonntagabend eine Katjuscha-Rakete in der Grünen Zone in Bagdad einschlug, nur etwa 1,5 Kilometer von der US-Botschaft entfernt.

Im Verhalten solcher Milizen sieht Washington eine Bedrohung für die US-Truppen im Irak und diplomatische Vertretungen dort, das machte Präsident Donald Trump in einem Tweet nochmals klar - und ebenso, dass er Iran dafür verantwortlich macht. "Wenn Iran kämpfen will, dann wird dies das offizielle Ende Irans sein. Bedrohen Sie nie wieder die Vereinigten Staaten!", schrieb er. Vergangene Woche hatte das Pentagon die Alarmstufe für die 5200 im Irak stationierten Soldaten erhöht, Außenminister Mike Pompeo ließ Botschafts- und Konsularpersonal abziehen.

Es gibt vielerlei Milizen im Irak: Offiziell unterstehen etwa 40 verschiedene Milizen der Volksmobilisierungseinheiten Premier Adel Abdul Mahdi. Aber es gibt große Unterschiede zwischen den Verbänden mit insgesamt etwa 125 000 aktiven Kämpfern. Darunter sind auch sunnitische und christliche Gruppen; viele nehmen nur lokale Polizeiaufgaben wahr und halten sich an die Anweisungen aus Bagdad. Andere sind in kriminelle Machenschaften verstrickt, werden wegen Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen beschuldigt. Vor allem aber hören manche dieser Milizen, darunter einige der kampfstärksten, auf die Befehle von General Qassem Soleimani, dem ebenso legendären wie berüchtigten Kommandeur der Quds-Brigaden der iranischen Revolutionsgarden, die für Auslandseinsätze zuständig sind. Sie unterstehen Irans Oberstem Führer Ayatollah Ali Khamenei, nicht der Regierung von Präsident Hassan Rohani.

Die Volksmobilisierungseinheiten waren im Juni 2014 nach einem Aufruf des wichtigsten schiitischen Geistlichen im Irak, Großayatollah Ali al-Sistani, aufgestellt worden, um den Vormarsch des IS zu stoppen. Die Dschihadisten standen damals 30 Kilometer vor Bagdad. Allerdings gab es zuvor schon schiitische Milizen mit engen Verbindungen nach Iran. Die älteste und mächtigste von ihnen, die Badr-Organisation, war 1983 in Iran als bewaffneter Arm einer islamistischen irakischen Schiiten-Partei gegründet worden, die im ersten Golfkrieg gegen den sunnitischen Diktator Saddam Hussein aufseiten des iranischen Regimes kämpfte. Andere Iran-treue Gruppen begannen nach dem Sturz Saddams 2003 durch die USA Anschläge gegen deren Truppen im Irak zu verüben.

Der Machtkampf zwischen pro-iranischen Gruppen und ihren Gegnern lähmt die Regierung

Etwa ein halbes Dutzend der eng mit Iran verbundenen Gruppen wie die Badr-Organisation, Asa'ib Ahl al-Haq, Kataib Hisbollah oder Harakat Hisbollah al-Nujaba haben sich schon während des Kampfes gegen den IS weitgehend der Kontrolle Bagdads entzogen. Manche Offensive ordnete General Soleimani entgegen Absprachen des irakischen Militärs mit den USA an. Später kämpften irakische Milizionäre unter dem Kommando der Revolutionsgarden oder der Hisbollah aufseiten des Assad-Regimes im Bürgerkrieg in Syrien.

Manche Gruppen haben den USA offen gedroht, Washington hat manche von ihnen als terroristisch eingestuft und jüngst auch die iranischen Revolutionsgarden. So haben sich die Spannungen hochgeschaukelt. Die irakische Regierung bemüht sich, eine Eskalation zu verhindern. "In den vergangenen Tagen hat es kontinuierlich Treffen mit allen Gruppen gegeben, um die Botschaft der Regierung deutlich zu machen", sagte jüngst Said al-Jayashi, ein Berater des Premiers und Mitglied im Nationalen Sicherheitsrat: "Wenn irgendeine Gruppe etwas macht, dann ist es ihre Verantwortung, und nicht die des Irak." Die Regierung sei verpflichtet, die US-Interessen im Irak zu schützen und werde "zum Feind eines jeden", der diese Interessen gefährde.

Zugleich sind Vertreter der Milizen im Parlament und teils auch in der Regierung präsent. Badr-Chef Hadi al-Ameri etwa wurde 2018 mit seiner Fatah-Allianz mit 48 von 329 Sitzen zweitstärkste Kraft bei den Wahlen. Der Machtkampf zwischen proiranischen Gruppen und ihren Gegnern ist der Grund dafür, dass die wichtigen Posten des Verteidigungs- wie auch des Innenministers vakant sind. Al-Ameri appellierte am Montag an die nationale und religiöse Verantwortung. Sie verlange es, den Irak vom "Geist des Krieges" entfernt zu halten. Wenn ein Krieg ausbreche, werde dieser alle verbrennen, warnte er.

Die Bedrohung durch die Milizen stand im Mittelpunkt eines zuvor nicht angekündigten Besuchs von US-Außenminister Mike Pompeo in Bagdad, für den er Gespräche mit Kanzlerin Angela Merkel und Außenminister Heiko Maas in Berlin hatte ausfallen lassen. Das US-Militär beobachtet die Milizen genau und hat offenbar Pläne für Vergeltungsschläge gegen Gruppen im Irak, sollten sie US-Soldaten oder Einrichtungen dort angreifen. Zugleich könnte der Tod amerikanischer Diplomaten oder Soldaten die rote Linie überschreiten und US-Militärschläge gegen Iran auslösen.

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SZ vom 21.05.2019
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