Irak:Al-Sadr droht mit neuen Angriffen

Der radikale Schiitenführer hat die Interimsregierung von Ministerpräsident Allawi als "illegitim" bezeichnet und gedroht, erneut gegen ausländische Truppen vorzugehen. Eine Auflösung seiner Miliz hat er ausgeschlossen.

Der radikale Schiiten-Prediger Muktada al-Sadr hat mit neuen Angriffen seiner Miliz gegen die ausländischen Truppen im Irak gedroht. El Sadr sagte am Montag in Nadschaf: "Der Kampf gegen die Besatzung wird so lange weitergehen, bis es vollständige Souveränität und faire Wahlen gibt."

In einer am Sonntag von seinem Büro in Nadschaf verbreiteten Erklärung bezeichnete er die Interimsregierung von Ministerpräsident Ijad Allawi als "illegitim".

"Wir geloben dem irakischen Volk und der Welt, dass wir den Widerstand gegen Unterdrückung und Besatzung bis zum letzten Blutstropfen fortsetzen werden", hieß es in der Erklärung.

Eine Auflösung seiner Miliz, der "Mahdi-Armee" schloss al-Sadr aus. Gleichzeitig forderte er die Iraker auf, sich nicht zu sehr auf das Verfahren gegen den früheren Machthaber Saddam Hussein zu konzentrieren: "Dieses sollte Euch nicht davon abhalten, euch um die wirklich wichtigen Fragen zu kümmern, vor allem um die politische Zukunft des Landes."

Die arabische Zeitung Al-Hayat berichtete am Montag, al-Sadr habe in einem Brief an die Übergangsregierung von Ministerpräsident Ijad Allawi die Auflösung der Miliz angeboten.

"Ich unterstütze die neue Übergangsregierung", hatte er angeblich erklärt. Er sei zu einem Dialog bereit, wenn sie auf ein Ende der US-Militärpräsenz hinarbeite.

Dafür habe er allerdings Garantien gefordert, dass die Milizionäre in den Polizeiapparat und die Armee aufgenommen würden. Ein entsprechendes Angebot hatte Allawi vor einigen Wochen den Milizionären anderer politischer Parteien gemacht, die "Mahdi-Armee" hatte er aber davon ausgeschlossen.

Schaden am kämpferischen Image

Beobachter glauben nun, dass al-Sadr mit seiner neuen Drohung auf die "Indiskretion" der Regierung reagiert, die sein Angebot öffentlich gemacht hatte, anstatt diskret darauf einzugehen. Denn damit habe die Regierung al-Sadr kämpferischem Image Schaden zugefügt.

al-Sadr Miliz leistete seit April Widerstand gegen die amerikanischen Besatzungstruppen. Die Kämpfe in der den Schiiten heiligen Stadt Nadschaf wurden vorigen Monat mit einer Waffenruhe beendet. Die US-Truppen erklärten, sie würden das weitere Vorgehen gegen den von ihnen per Haftbefehl gesuchten Al Sadr der Übergangsregierung überlassen.

Unterdessen hat der bisherige Oberkommandierende der US-Bodentruppen in Irak, Ricardo Sanchez, erklärt, man habe nicht mit dem tatsächlichen Ausmaß des irakischen Widerstands gerechnet. "Ich glaube nicht, dass wir uns jemals vorgestellt hätten, ein Jahr danach noch immer kämpfen zu müssen", sagte Sanchez in einem Interview mit der französischen Tageszeitung Le Figaro unter Bezug auf die Einnahme Bagdads im April 2003.

Bei den Widerstandskämpfern sei eine "reale terroristische Komponente" vorhanden. Das heiße jedoch nicht, dass sich die US-geführten Streitkräfte in Irak auf die "Eliminierung einer einzelnen Person" wie dem als Terroristen gesuchten Jordaniers Abu Mussab el Sarqawi konzentrieren sollten.

In Irak werde ein Kampf zwischen Extremisten und Gemäßigten geführt, sagte Sanchez der Zeitung weiter. Anhänger des früheren Präsidenten Saddam Hussein seien noch immer in einigen Regionen aktiv. Dazu seien "extremistische Elemente" nach Irak gelangt, die "die amerikanischen Streitkräfte und das irakische Volk" angreifen wollten.

Sanchez betonte, er "glaube wirklich", dass es einen Unterschied zwischen den einheimischen Aufständischen und "ausländischen islamischen Kämpfern" gebe. Er hoffe, dass es dem irakischen Regierungschef Ijad Allawi gelingen werde, die Aufständischen zu überzeugen, sich neutral zu verhalten.

Irak ist nicht Vietnam

Bei der Wiederherstellung der Sicherheit müssten irakische Streitkräfte vorne stehen und nicht amerikanische. Ricardo plädierte für die Einstellung von 90.000 Polizisten, eine "zivile Eingreiftruppe, eine Nationalgarde mit sechs Divisionen und ein Heer mit drei motorisierten Divisionen"

Einen Vergleich zwischen Irak und Vietnam wies der Drei-Sterne-General zurück: "Wir sind hier nicht mit einer nationalen Erhebung konfrontiert."

Sanchez war zu Monatsbeginn von dem Vier-Sterne-General George Casey in seiner Funktion abgelöst worden. Die Ablösung von Sanchez war Ende Mai angekündigt worden. Das Pentagon bestritt damals, dass der Personalwechsel etwas mit dem Skandal um die Misshandlung irakischer Gefangener zu tun habe.

Sanchez war allerdings unter Druck geraten, nachdem die Washington Post berichtet hatte, er sei möglicherweise während der Misshandlungen im Abu-Ghraib-Gefängnis zugegen gewesen.

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