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Irak: Abzug der US-Kampftruppen:Erfolgsmeldung ohne Triumph-Pose

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"Mission accomplished"? Auch wenn die politische Lage im Irak weiterhin instabil bleibt, kann US-Präsident Barack Obama das Ende des Einsatzes verkünden. Er wird dabei bewusst auf Sachlichkeit setzen.

Reymer Klüver, Washington

Mit einer live aus seinem Amtszimmer, dem Oval Office, übertragenen Rede an die Nation will US-Präsident Barack Obama an diesem Dienstagabend den offiziellen Abzug der US-Kampftruppen aus dem Irak würdigen und die Aufmerksamkeit der Nation auf den Krieg in Afghanistan lenken. Nach Angaben eines Sprechers des Weißen Hauses werde Obama über den Abzug als einen "wichtigen Meilenstein in der amerikanischen Geschichte" sprechen. Zugleich wolle er sich "direkt an das amerikanische Volk" wenden, um zu erklären, "dass der Kampf gegen al-Qaida in Afghanistan nunmehr im Mittelpunkt steht". Erstmals seit Beginn der Invasion im Irak im März 2003 sind dort weniger als 50.000 US-Soldaten stationiert.

In Afghanistan hat Obama dagegen die US-Truppen drastisch verstärkt. Dort sind mittlerweile etwa 95.000 amerikanische Soldaten im Einsatz. Nach Pentagon-Angaben sind im Irak bisher mehr als 4400 US-Soldaten umgekommen, in Afghanistan sind es etwa 1150. Bereits am Samstag hatte Obama in seiner wöchentlichen Radioansprache gesagt, dass der Irak nun in der Lage sei, "selbst seinen Weg zu machen", was den Truppenabzug ermögliche: "Der Krieg geht zu Ende." Die verbleibenden Soldaten würden sich auf die Ausbildung und gelegentliche Unterstützung der irakischen Armee bei Anti-Terror-Einsätzen beschränken. "Ende kommenden Jahres werden alle Soldaten zu Hause sein", sagte Obama.

Der scheidende Befehlshaber der US-Truppen im Irak, General Ray Odierno, wies indes auf die fortgesetzte politische Instabilität in dem Land hin. Seit den Wahlen im März haben sich die streitenden Fraktionen nicht auf eine Koalition einigen können. Er befürchte, dass es noch weitere sechs bis acht Wochen dauern werde, ehe eine Regierung stehe. Auch Neuwahlen schloss der General nicht aus. Es sei zudem zu befürchten, dass die Iraker das Vertrauen in demokratische Prozesse verlieren könnten. "Das ist das Langzeitrisiko", sagte General Odierno. Die USA hatten ursprünglich gehofft, dass eine neue Regierung in Bagdad vor dem 31. August installiert sein würde, für den der Abzug schon seit längerem terminiert worden war.

Obama hat bisher vergleichsweise wenig über die militärischen Engagements im Irak und in Afghanistan gesprochen - im bewussten Gegensatz zu seinem Vorgänger. George W. Bush betrachtete die Kriege als seine zentrale Mission, um eine Weltregion zu befrieden, aus der er die USA bedroht sah. Obama aber will seine Präsidentschaft nicht von den Konflikten bestimmen lassen. Zum Vorgehen in Afghanistan hatte er zwar lange Strategiegespräche anberaumt. Danach hat er eine Rede gehalten in der Militärakademie in Westpoint, der Kaderschmiede der US-Armee - sich seither aber nur einmal aus Anlass des Besuchs des afghanischen Präsidenten Hamid Karsai in Washington ausführlicher zum Krieg geäußert. Auch zum Irak hat er nicht viel in der Öffentlichkeit gesagt.

Obamas Berater waren sich offenbar lange nicht einig, was er nun aus Anlass des offiziellen Endes der Kampfhandlungen machen sollte. Das Weiße Haus wollte der Öffentlichkeit schon verdeutlichen, dass Obama sein Wahlkampfversprechen eingelöst und die US-Kampftruppen aus dem Irak abgezogen hat. In seiner Ansprache am Wochenende sagte er denn auch: "Als Kandidat hatte ich versprochen, den Krieg zu beenden. Als Präsident tue ich genau das." Seit seinem Amtsantritt im Januar 2009 seien schon 90.000 Soldaten abgezogen worden.

Allerdings wollten seine Berater jedes Auftrumpfen vermeiden. Zu oft hatten sie selbst im Wahlkampf höhnisch jenen unglückseligen Moment zitiert, als Bush sich im Mai 2003 in Fliegermontur auf einem Flugzeugträger fotografieren ließ und triumphierend den Sieg im Irak verkündete - "mission accomplished". Doch danach erst nahm das Unheil dort seinen Lauf. Deshalb entschieden sie sich für eine Doppelstrategie. Am Dienstagmorgen sollte Obama nach Fort Bliss in Texas fliegen, um aus dem Irak heimkehrende Soldaten für ihr Engagement zu danken - die obligatorische Verbeugung vor den Truppen. Am Abend dann wollte Obama aus dem Oval Office sprechen.

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SZ vom 31.08.2010/dgr
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