US-Vorwahlen:Raus aus dem Kaff

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Barack Obama feiert mit seinen Anhängern nach seinem Sieg bei den Vorwahlen in Iowa am 3. Januar 2008 in Des Moines. (Foto: Rick Bowmer/AP)

Die Demokraten wollen ihren Wahlkampf für die Präsidentschaft nicht mehr im US-Bundesstaat Iowa beginnen. Eine Entscheidung mit Symbolcharakter - auch für Republikaner.

Von Christian Zaschke, New York

Der Autor Bill Bryson hat eines seiner Bücher mit diesen schönen Sätzen begonnen: "Ich stamme aus Des Moines. Irgendwer muss ja aus diesem Kaff stammen." Im englischen Original klingt das noch etwas lakonischer: "I come from Des Moines. Somebody had to." Des Moines liegt im US-Bundesstaat Iowa, und Bryson ist sehr gut darin, in aller Ausführlichkeit zu erklären, warum es wirklich keinen einzigen Grund gibt, jemals nach Iowa zu reisen.

Dass der Bundesstaat trotzdem alle vier Jahre die Blicke des ganzen Landes auf sich zog, lag daran, dass dort sowohl Demokraten als auch Republikaner traditionell die Auswahl ihrer Präsidentschaftskandidaten begannen. Die Demokraten haben nun verkündet, diese Tradition zu beenden. Iowa wird daher künftig noch weniger Aufmerksamkeit zuteil. Nach dem benachbarten, ähnlich eintönigen Nebraska ist immerhin ein Album von Bruce Springsteen benannt. Aber Iowa?

Alle vier Jahre strömten Politikerinnen und Politiker in Scharen in den Bundesstaat, denn seit 1972 haben beide Parteien den langen Wahlkampf in Iowa begonnen. In den meisten Bundesstaaten stimmen die Parteimitglieder in sogenannten Primaries einfach darüber ab, wer für sie bei den Wahlen antreten soll. In Iowa gibt es hingegen einen Caucus, eine Art nachbarschaftliche Zusammenkunft, in der ausführlich diskutiert wird. Die Parteileute betonen stets, diese Form sei besonders zur Kandidatenauswahl geeignet, weil sie die Politiker zwinge, sich mit den Bürgerinnen und Bürgern direkt auseinanderzusetzen. Iowa, so das Argument der Menschen dort, sei als Staat im Mittleren Westen dafür besonders geeignet, weil er das ländliche Amerika repräsentiere.

Das Image als Swing State ist überholt

Die Frage, wie repräsentativ der Staat tatsächlich ist, hat die Demokraten schon länger umgetrieben. Iowa ist vornehmlich weiß, das bildet die Vielfalt der demokratischen Wählerinnen und Wähler nicht ab. Lange war es zudem ein Swing State, in dem mal die eine Partei gewann und mal die andere. Mittlerweile wählt Iowa eindeutig republikanisch.

Die Demokraten haben daher beschlossen, ihre Kandidatenkür in anderen Staaten zu beginnen. Im Jahr 2024 soll der Weg ins Weiße Haus in South Carolina beginnen. Anschließend soll in Nevada und New Hampshire gewählt werden, gefolgt von Georgia und Michigan. Das wird die demokratischen Wahlkämpfe erheblich verändern, sowohl inhaltlich als auch, was die Folklore angeht.

Wenn die potenziellen Kandidatinnen und Kandidaten im Winter vor der Wahl in Iowa einfielen, durfte auf keinen Fall ein Besuch der Landwirtschaftsmesse fehlen. Dort gehörte es bisweilen zum Programm, sich mit der lebensgroßen Skulptur einer Kuh fotografieren zu lassen, die ganz aus Butter gefertigt war. Unerlässlich war auch das Verspeisen eines "Corn Dogs". Es handelt sich dabei um eine von Maisteig umhüllte Wurst am Stock, die gnadenlos frittiert wird. Der Geschmack ist, gelinde gesagt, gewöhnungsbedürftig, und nach dem Verzehr sind die Cholesterinwerte so hoch, dass sie sich jenseits des Messbaren befinden.

Historisch lag Iowa im Ergebnis oft falsch

Bis heute geht die Mär, dass in Iowa eine Vorentscheidung fallen kann. Als Beispiel wird gern Jimmy Carter angeführt, der 1976 als weitgehend unbekannter demokratischer Ex-Gouverneur aus Georgia antrat, in Iowa gewann und später Präsident wurde. In Wahrheit bekam Carter jedoch nicht die meisten Stimmen. Er erhielt mehr als die Mitbewerber, das schon, aber die meisten Stimmen entfielen auf "noch unentschlossen".

1980 siegte bei den Republikanern George H. W. Bush. Präsident wurde Ronald Reagan, als dessen Vize Bush diente. Acht Jahre später trat Bush wieder an und kam in Iowa nur auf den dritten Platz. Präsident wurde er trotzdem. 1992 holte ein gewisser Bill Clinton lediglich drei Prozent der Stimmen in Iowa. Das Weiße Haus eroberte er wenig später im Sturm.

Auch der amtierende Präsident Joe Biden hatte in Iowa nicht gewonnen. Zudem kam es 2020 zu Problemen bei der Auszählung, sodass die Ergebnisse erst eine Woche später vorlagen, als der ganze Tross bereits zu den Vorwahlen nach New Hampshire weitergezogen war. Auch das ist ein Grund dafür, dass sich die Demokraten für ein neues Verfahren entschieden haben.

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Es waren stets wilde Winterwochen in Iowa. Die Kandidatinnen und Kandidaten heuerten Hunderte Helfer an und investierten Dutzende Millionen US-Dollar in TV-Spots. Die Medien rückten in Legionsstärke an, und es ist schwer vorstellbar, dass es unter den 3,2 Millionen Einwohnern des Staates welche gab, die nicht ausführlich befragt wurden. Für kurze Zeit konnten sie sich fühlen wie der Mittelpunkt der Welt, bevor Iowa wieder in der Bedeutungslosigkeit versank.

Kleiner Trost: Die Republikaner werden ihr Auswahlverfahren wohl weiterhin in dem Staat beginnen. Sie sind überdies gar nicht mal unfroh über die Entscheidung der Demokraten. Jeff Kaufmann, Chef der Republikaner im Bundesstaat, sagte der New York Times zufolge, er gehe davon aus, dass die Vorherrschaft seiner Partei in Iowa damit zementiert sei. Wenn es bei den Republikanern ein spannendes Rennen um die Kandidatur gebe, sagte Kaufmann, würden eben doch viele Blicke eine Weile lang auf Des Moines gerichtet sein.

Bill Bryson schreibt in dem eingangs erwähnten Buch ("Straßen der Erinnerung"), vor der Stadt stehe auf einem großen Schild: "Willkommen in Des Moines. Diese Stadt ist wie der Tod." Allerdings, räumt er ein, habe er dieses Schild erfunden. Es wäre tatsächlich übertrieben, derart harsch über die weitgehend harmlose Hauptstadt Iowas zu urteilen. Wenn auch nur ein bisschen.

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