Süddeutsche Zeitung

USA:Iowa verdeutlicht die tiefe Spaltung der Demokraten

  • Bei der ersten demokratischen Vorwahl in Iowa bekommen Buttigieg und Sanders die meisten Stimmen.
  • Für den früheren Vizepräsidenten Biden ist das Ergebnis ein herber Schlag.
  • Er wollte die Rolle des gemäßigten Mitte-Demokraten übernehmen. Das tat in Iowa Buttigieg.

Von Hubert Wetzel, Davenport

Vielleicht wird es nie eine abschließende Einigung darüber geben, welcher von den demokratischen Präsidentschaftsbewerbern die erste Vorwahl des Jahres im Bundesstaat Iowa tatsächlich gewonnen hat: Bernie Sanders oder Pete Buttigieg. Das liegt nicht nur an den technischen Problemen, die es bei den Wahlversammlungen - den "Caucuses" - gegeben hat. Sondern auch daran, dass man, je nachdem, welches Kriterium man benutzt, um den Begriff "Sieg" zu definieren, zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen kann.

Das sieht man, wenn man sich den Datensatz anschaut, den die Demokratische Partei von Iowa am Dienstag veröffentlicht hat. Er umfasste die Ergebnisse von 71 Prozent der Wahlbezirke. Und nach diesen Daten bekam Sanders in beiden Abstimmungsrunden sowohl absolut als auch relativ gesehen mehr Wählerstimmen als Buttigieg. Nach der zweiten Runde lag der Senator aus Vermont mit 32 673 zu 31 353 Stimmen vor dem früheren Bürgermeister von South Bend in Indiana. Allerdings werden in Iowa die Wählerstimmen in sogenannte Delegiertenäquivalente umgerechnet. Und das hat zur Folge, dass Buttigieg knapp die Führung übernimmt: Nach dieser Umrechnung liegt er mit 26,8 zu 25,2 Prozent vor Sanders. Kein Wunder, dass die Anhänger von Sanders wütend sind und sich betrogen fühlen.

Doch um das Ergebnis der Vorwahl, soweit es bekannt ist, politisch zu bewerten, muss man gar nicht so tief ins Detail gehen. Sicher scheint zu sein, dass sich das Bewerberfeld in drei Gruppen aufgeteilt hat: Auf den Plätzen eins und zwei liegen mit jeweils ähnlich großer Wählerunterstützung Sanders und Buttigieg. Beide erhielten je etwa ein Viertel der Stimmen. Auf Platz drei landete mit einem mittelguten Stimmenanteil von etwa 20 Prozent, also einem Fünftel, die Senatorin Elizabeth Warren. Und die Ränge vier und fünf teilten sich der frühere Vizepräsident Joe Biden sowie Senatorin Amy Klobuchar - wiederum beide mit ähnlich hoher Wählerunterstützung. Ihr Stimmenanteil in den beiden Wahlrunden lag jeweils bei 12 bis 14 Prozent, was einem Achtel respektive einem Siebtel entspricht.

Das war für Klobuchar ein sehr erfreulicher Erfolg. Ihr zweistelliges Ergebnis war deutlich höher, als viele Umfragen es hatten erwarten lassen. Entsprechend erleichtert reiste Klobuchar am Montagabend nach New Hampshire ab, wo in einigen Tagen die zweite Vorwahl stattfindet. Für Biden war das Ergebnis hingegen ein herber Schlag, da er die Erwartungen nicht wie die Senatorin übertroffen, sondern kräftig unterboten hat. Sein Stimmenanteil war enttäuschend niedrig. Noch vor wenigen Wochen hatte er die Umfragen in Iowa angeführt. Um im Rennen zu bleiben, muss er spätestens bei der Vorwahl in South Carolina Ende des Monats einen klaren Sieg schaffen. Sonst könnte ihm die politische und finanzielle Unterstützung wegbröckeln. Und das überleben Kandidaten meist nicht. Auch Warren braucht in absehbarer Zeit einen Sieg, um durchhalten zu können.

Das Spitzenduo Sanders/Buttigieg ist insofern interessant, als die Politiker die beiden Flügel der Demokratischen Partei repräsentieren, die heftig miteinander um den künftigen Kurs der Partei ringen. Anders gesagt: Im Wahlergebnis von Iowa spiegelt sich sehr deutlich die tiefe Spaltung der Demokraten wider.

Buttigieg übernimmt in Iowa Bidens Rolle

Sanders ist zwar kein Parteimitglied der Demokraten, sondern parteilos. Aber er ist eng mit dem linksliberalen, "progressiven" Flügel der Partei verbunden. Sanders strebt einen grundsätzlichen Um- und vor allem drastischen Ausbau des US-Sozialstaats an. Unter anderem will er eine staatliche Krankenversicherung für alle Bürger einführen. Was seine Rhetorik angeht, ist Sanders erheblich radikaler und klassenkämpferischer als etwa Warren.

Buttigieg vertritt dagegen den moderaten Flügel der Demokraten. Seine sozialpolitischen Reformpläne sind bescheidener. Er redet versöhnlicher und betont, dass er auch Amerikaner erreichen wolle, die anderer Meinung als er seien. In den Augen vieler Sanders-Anhänger ist Buttigieg daher kaum besser als die Republikaner.

Ursprünglich hatte Joe Biden darauf gesetzt, dass er diese Rolle des gemäßigten, vernünftigen, kompromiss- und kooperationsbereiten Mitte-Demokraten übernehmen werde, der sich von den linken Ideologen absetzt. Zumindest in Iowa aber hat der erst 38 Jahre alte Buttigieg dem 77-jährigen Biden diesen Part abgejagt. Das muss nicht auf Dauer sein. Aber Buttigiegs Erfolg ist ein Warnzeichen für Biden.

Iowas Wähler mögen Populisten

Das ausgerechnet Sanders und Buttigieg in Iowa gewonnen haben, lässt sich aber auch mit Besonderheiten des Staates erklären. Die Wähler in Iowa mögen Populisten - ideologisch neutral definiert als Politiker, die es im Namen des Volkes mit der Regierung in Washington, großen Konzernen, kurz: dem System, aufnehmen. Das hat dazu geführt, dass aus dem Staat einige der härtesten rechten Parlamentarier, aber auch einige der liberalsten stammen.

Sowohl Sanders als auch Buttigieg haben im Vorwahlkampf ausdrücklich damit geworben, dass sie in Washington Außenseiter sind und nur deswegen dort Dinge ändern könnten. Biden hingegen hat bei jeder Veranstaltung erzählt, wie viele Jahrzehnte Erfahrung er schon im politischen Geschäft hat und wie gut er mit anderen Politikern aller Parteien verbandelt ist. Genau das haben Buttigieg und Sanders als Problem angeprangert. Die Wähler sahen es wohl ähnlich.

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