Covid-19:Bundesregierung will Inzidenzwerte streichen

Moessingen (Kreis Tuebingen) 20.08.2021 Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bei einer politischen Sprechstunde m

Weg vom Inzidenzwert? Jens Spahn bei einer politischen Sprechstunde in Tübingen am vergangenen Freitag.

(Foto: imago images/ULMER Pressebildage)

Neuer Richtwert für den Kampf gegen die Pandemie soll die Auslastung der Krankenhäuser werden. Die Regelung könnte Gesundheitsminister Spahn zufolge noch vor der Wahl den Bundestag passieren.

Von Henrike Roßbach und Rainer Stadler, Berlin/München

Die Inzidenz als wichtigster Maßstab in der Pandemiebekämpfung dürfte bundesweit schon bald ausgedient haben. Stattdessen soll künftig die Zahl der Covid-19-Patienten, die im Krankenhaus behandelt werden, entscheidend sein. Das Corona-Kabinett stimmte am Montag dem Vorschlag von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zu, das Infektionsschutzgesetz entsprechend zu ändern. Zuvor hatte Spahn im ZDF-Morgenmagazin gesagt, die 50er-Inzidenz, die derzeit noch im Infektionsschutzgesetz als Grenzwert für Beschränkungen festgeschrieben ist, habe "ausgedient". Sie habe für eine ungeimpfte Bevölkerung gegolten, viele aber hätten sich schon impfen lassen.

Einen Grenzwert für die neue "Hospitalisierungsinzidenz" nannte Spahn zunächst nicht. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte nach der Sitzung des Corona-Kabinetts, im vergangenen Winter, als die Lage schlimm gewesen sei, habe dieser Wert bei zwölf gelegen - also zwölf covidbedingte Krankenhauseinweisungen je 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen. Am Montag gab das Robert Koch Institut (RKI) den aktuellen Wert mit 1,28 an. "Wir sollten nicht wieder in eine Belastungssituation kommen, wie wir sie erlebt haben", so Seibert. Spahns Sprecher sagte, ein Wert von zwölf wäre "definitiv zu spät, um einzugreifen". Er machte allerdings deutlich, dass es je nach Region unterschiedliche Grenzwerte geben könne, um eine Belastung des örtlichen Gesundheitssystems zu vermeiden. Auf dem Land müsse das anders bewertet werden als in einer Großstadt.

Beschließen müsste die Änderung der Bundestag

Das Gesundheitsministerium soll nun eine Formulierungshilfe für die geplante Änderung des Infektionsschutzgesetzes erarbeiten; das Kabinett solle dann "zügig" zustimmen, so Seibert. Beschließen müsste die Änderung aber der Bundestag. Spahn wies am Montagmorgen darauf hin, dass dies noch vor der Bundestagswahl möglich wäre. An diesem Mittwoch kommt der Bundestag zu einer Sondersitzung zusammen, um unter anderem das Bundeswehrmandat für Afghanistan zu beschließen und über die Verlängerung der epidemischen Lage zu entscheiden.

Auch Unionskanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) hat sich bereits für eine Abkehr von der 50er-Inzidenz ausgesprochen. "Wir brauchen eine Lösung, die die Hospitalisierung ebenfalls misst", sagte er am Sonntagabend dem Sender Bild-TV. "Das muss ins Infektionsschutzgesetz rein." Bisher heißt es darin, dass bei einer bundesweiten Überschreitung des Schwellenwerts von 50 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner über sieben Tage hinweg "umfassende, auf eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens abzielende Schutzmaßnahmen anzustreben" seien.

Das RKI meldete am Montag einen Anstieg der Sieben-Tage-Inzidenz auf 56,4. 64,1 Prozent der Bevölkerung waren einmal geimpft, 59 Prozent vollständig. Seibert sagte mit Blick auf die steigenden Infektionszahlen: "Man kann den Geimpften sagen, dass sich für sie, auch wenn jetzt die Zahlen weiter ansteigen, nichts ändern wird." Spahn warnte: "Jeder nicht Geimpfte wird sich im Herbst und Winter mit nahezu 100 Prozent anstecken."

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