Interview:US-Kolumnist isst Zeitungskolumne auf - wegen Donald Trump

Lesezeit: 4 Min.

Weil er Donald Trumps Chancen falsch eingeschätzt hat, muss Dana Milbank von der "Washington Post" nun seine Zeitungskolumne essen. (Foto: Quelle: The Washington Post)

Trump, Kandidat der Republikaner? Niemals, wettete Dana Milbank im Oktober. Im Interview verrät er, wie er seine Kolumne zubereiten wird - und welche Verantwortung die US-Medien am Aufstieg von The Donald tragen.

Von Matthias Kolb

Als Donald Trump am 15. Juni seine Kandidatur fürs Weiße Haus bekannt gab, nahm ihn kaum jemand ernst. Bis zum Winter sagten fast alle Polit-Analysten, dass Trump NIE von den Republikanern nominiert werde. Der brutale Konkurrenzdruck der US-Medien mit Rund-um-die-Uhr-Berichterstattung verführte viele Kommentatoren zu steilen Thesen. Auch Dana Milbank, einer der bissigsten US-Kolumnisten, legte sich im Oktober fest: "Trump wird verlieren oder ich esse diese Kolumne". Bevor er das Versprechen einlöst, sprach er mit der SZ über die Twitter-Strategie des Milliardärs und die Rolle der Kabel-Sender.

SZ: Mister Milbank, sind die amerikanischen Medien schuld am Erfolg von Donald Trump?

Dana Milbank: Ein Funken Wahrheit steckt in dem Vorwurf, denn Trump ist ein Geschöpf der New Yorker Boulevardmedien. So bekannt wird man nicht in einem Jahr, das wird in Jahrzehnten aufgebaut. Er versteht das Mediengeschäft sehr gut und seine politische Karriere ist ohne Fox News undenkbar. Trump war die bekannteste Figur der "Birther"-Bewegung, die die Geburtsurkunde von US-Präsident Obama anzweifelte. Die Medien sind nicht schuld daran, dass Trump nun der Kandidat der Republikaner ist - sie haben aber jene Figur Donald Trump geschaffen, die Millionen Amerikaner fasziniert.

Im Herbst 2015 war sich die Mehrheit der Polit-Experten einig, dass Trump keine Chance habe. Was haben sie falsch eingeschätzt?

Ich kann nur für mich sprechen, aber ich habe ihn als echte Bedrohung betrachtet. Er ist ein Demagoge und wir Amerikaner haben wenig Erfahrung mit nationalistischen Politikern, die weit rechtsaußen stehen. Ich sah ihn nie als Clown, aber ich war überzeugt, dass sich die Republikaner in den Vorwahlen gegen ihn entscheiden würden. Ich habe argumentiert: 'Wir Amerikaner sind besser als Trump.' Leider hatte Trump keinen einzigen ernsthaften Rivalen, sondern 16 Konkurrenten - und nun ist er Kandidat.

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:Republikaner: Eine Partei liegt in Scherben

Nach dem Trump-Sieg wirken Amerikas Konservative erbärmlich. Die Bush-Familie plant einen Boykott, der Kandidat reagiert beleidigt und zeigt, dass die Republikaner für ihn nur Vehikel sind.

Analyse von Matthias Kolb, Washington 

War diese Überzeugung der Grund, wieso Sie am 2. Oktober in der Washington Post schrieben "Trump wird verlieren oder ich esse diese Kolumne"?

Damals führte Trump seit drei Monaten in den Umfragen und die Leute sagten langsam: "Wir müssen ihn ernst nehmen". Ich sah das genauso, aber mein Vertrauen in das konservative Amerika war zu stark. Ich bin aber immer noch überzeugt, dass meine Mitbürger Trump zurückweisen werden - nun eben bei der Hauptwahl am 8. November. Jetzt bin ich froh, dass ich damals nicht geschrieben habe, dass ich meine Schuhe oder meinen Hut verspeisen werde.

In welcher Form werden Sie denn Ihre Zeitungskolumne zu sich nehmen?

Ich habe mich mit Victor Albisu, dem Koch des Washingtoner Restaurants "Del Campo" zusammengetan. Victor hat ein Acht-Gänge-Menü entworfen: Es gibt Tacos, in Zeitungspapier geräuchertes Lamm und auch der Kaffee wird durch Zeitungspapier gefiltert. Tom Sietsema, unser Gastrokritiker, wird mit mir gemeinsam alles probieren und beurteilen. Dazu trinken wir Trump-Wein - und auf der Facebook-Seite der Washington Post wird alles übertragen.

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Eine Studie ergab jüngst, dass jeder fünfte US-Journalist in New York, Los Angeles und Washington wohnt. Haben die Reporter den Bezug zu den Normalbürgern verloren?

Von diesem oft gemachten Vorwurf halte ich nichts, das erscheint mir zu simpel. Ich habe meine Vorhersage über Trump nicht anhand von Umfragen gemacht, es war vielmehr ein moralisches Argument. Ich glaube, dass die Amerikaner gute Menschen sind und letztlich nicht auf Trump hereinfallen werden. Aber ich bin zutiefst überrascht über das Ausmaß an Verbitterung im Land.

Die Löhne sind seit Jahren nicht gestiegen, viele fühlen sich ignoriert.

Diese Tatsachen waren aber fast jedem Journalisten bewusst, wir kennen diese Statistiken und die Studien über die schrumpfende Mittelschicht. Es spielt in meinen Augen keine Rolle, wo man wohnt. Allerdings haben wir Reporter die Reaktionen der Menschen falsch eingeschätzt. Als wir Obama zum ersten schwarzen Präsidenten wählten, waren wir wohl zu zuversichtlich und dachten, dass die Vorurteile abnehmen würden. Leider kam es anders. Trump bringt einen lange verborgenen Rassismus zum Vorschein, den viele Bürger nun anders als früher offen zeigen.

Sie schreiben eine Kolumne, die in Hunderten Zeitungen abgedruckt wird. Wie beurteilen Sie die Arbeit der Kollegen bei den TV-Sendern?

Die Rolle des Fernsehens ist sehr wichtig. Trump hat nur wenig Geld investieren müssen, um sehr viel Aufmerksamkeit zu bekommen. Für ihn wurden Regeln einfach geändert: Er kann in TV-Shows anrufen und wird zu den Moderatoren durchgestellt, das war früher nicht erlaubt. Oft gibt Trump an einem Morgen fünf oder sechs Interviews. Ich kenne die Lage in Deutschland nicht, aber der TV-Markt in den USA ist zersplittert und es herrscht enorme Konkurrenz. Zu selten wurde gefragt "Werden wir unserer Verantwortung gerecht?" Es geht vor allem darum, die Quoten zu erhöhen.

Gerade CNN überträgt jeden Event von Trump live und die Moderatoren fragen vorher atemlos, was der Milliardär heute Provokantes sagen wird.

Die Profitgier scheint sehr groß zu sein. Die Leute in den Fernsehsendern sollten ihre Rolle kritisch hinterfragen - aber es scheint, dass Moral oder Nachrichtenfaktoren weniger wichtig sind als wirtschaftliche Überlegungen.

Haben die Fernseh-Sender in Zeiten von sozialen Medien überhaupt noch viel Einfluss auf die Menschen? Und braucht ein Politiker wie Donald Trump, der knapp acht Millionen Facebook-Kontakte hat, CNN und Co. überhaupt noch?

Das ist eine spannende Frage. Weil Trump acht Millionen Follower bei Twitter hat, kann er seine Statements über diesen Kanal verbreiten und die Journalisten hecheln hinterher. Niemand nutzt die sozialen Medien besser, er dominiert ständig die Berichterstattung. Wenn das Interesse nachlässt oder ein Konkurrent im Rampenlicht steht, sagt er etwas Skandalöses und alles beginnt von vorn. Man muss ihm gratulieren, dass er die Medien so gut manipuliert.

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Seit Jahrzehnten ist es Tradition, dass Präsidentschaftskandidaten ihre Einkünfte publik machen. Milliardär Trump jedoch findet, aus seinen Unterlagen sei "nichts zu entnehmen".

Wird sich Trumps Medien-Strategie bald ändern?

Das weiß höchstens er selbst. Seine Dauer-Provokationen haben sehr gut funktioniert, um nach und nach alle 16 Republikaner-Konkurrenten auszuschalten. Wenn es nun gegen die Demokraten, aller Voraussicht nach Hillary Clinton, geht, dann verteilt sich die Aufmerksamkeit gerechter und er kann nicht mehr so dominant sein. Clinton wird keine Probleme haben, Gehör zu finden. Aber wer weiß: Die alten Regeln wackeln und mit Prognosen lagen wir alle oft falsch in der Vergangenheit.

In dieser Hinsicht werden sich viele Journalisten wohl zurückhalten. Dennoch: Was erwartet die Amerikaner bis zur Wahl am 8. November?

Der Wahlkampf wird sehr schmutzig werden, mit zahllosen persönlichen Attacken. Trump wird Dinge tun und sagen, die kein Präsidentschaftskandidat jemals wagte. Im Vorwahlkampf haben wir gesehen, wie viele rassistische Vorurteile es gibt und nun dürfte sich zeigen, wie verbreitet Sexismus ist. Wir US-Amerikaner werden wohl wenig Grund haben, auf unser Land stolz zu sein.

Linktipps:

  • Dana Milbanks Kolumne vom 2. Oktober ist hier nachzulesen.
  • Nate Cohn, einer der bekanntesten Daten-Journalisten, schildert bei The Upshot, welche Fehler er bei der Beurteilung von Donald Trump gemacht hat.
  • "Der Journalismus hat verloren": Jim Rutenberg, der Medienkritiker der New York Times, kritisiert die Vorwahl-Berichterstattung der US-Medien scharf.
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