Interview über Blackwater:Erst schießen, dann fragen

Journalist Jeremy Scahill über die Söldner des 21. Jahrhunderts, die Aushöhlung der Demokratie und weshalb auch ein Demokrat als US-Präsident wenig an den Missständen ändern wird.

Matthias Kolb

Der 33-jährige Jeremy Scahill arbeitet als Journalist für die Wochenzeitschrift The Nation und das National Public Radio. Trotz mehrmaliger Anfragen weigerte sich Blackwater, während der Recherche Fragen über das Unternehmen zu beantworten. Scahills Buch "Blackwater. Der Aufstieg der mächtigsten Privatarmee der Welt" ist Ende Januar 2008 im Kunstmann Verlag erschienen und kostet 22 Euro.

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Schwer bewaffnete Blackwater-Söldner im Einsatz im Irak. Sie verdienen etwa 700 Dollar pro Tag.

(Foto: Foto: AP)

sueddeutsche.de: Mister Scahill, was macht den Einsatz von Söldnern für Staaten wie die USA oder Großbritannien attraktiv?

Jeremy Scahill: Blackwater und andere private Militärfirmen sind darauf spezialisiert, einflussreiche Personen in einem feindlichen Umfeld zu bewachen. DynCorp ist für die Sicherheit des afghanischen Präsidenten Karsai verantwortlich, Blackwater schützt die US-Botschaft in Bagdad sowie Botschafter Ryan Crocker. Auch Paul Bremer, den ehemaligen US-Statthalter im Irak, wurde von Blackwater bewacht.

sueddeutsche.de: Aber Blackwater-Kämpfer sind doch nicht nur Bodyguards.

Scahill: Nein, natürlich nicht. Das Entscheidende an diesen Firmen ist vielmehr, dass sie nicht Teil der offiziellen Statistik sind. Die Amerikaner lesen in der Zeitung, dass 165.000 Soldaten im Irak stationiert sind - dass dort 180.000 Angestellte von Militärfirmen arbeiten, wird fast immer verschwiegen. Auf 7200 britische Soldaten kamen im Herbst 2006 mehr als 20.000 Söldner, die für britische Firmen arbeiteten.

Diese bezeichnen sich selbst als Militärdienstleister, ihre Angestellten sind Contractors, also Auftragnehmer. Wenn einer dieser Contractors stirbt, gibt es kein großes Aufsehen. Der Einsatz von Blackwater & Co. hilft, die politischen Kosten des Irak-Einsatzes niedrig zu halten. Die Regierung ist nicht mehr so stark abhängig vom Rückhalt in der Bevölkerung, es geht vor allem ums Geld.

sueddeutsche.de: Wer kam denn auf die Idee, den Militärbereich zu privatisieren?

Scahill: Der Einsatz von Söldnern ist nichts Neues. Schon Alexander der Große, die Römer und Ägypter haben Kämpfer für ihre Dienste bezahlt. In der amerikanischen Politik war es vor allem Vizepräsident Dick Cheney, der sich für eine Privatisierung einsetzte. Schon als Verteidigungsminister unter George Bush Senior war er davon überzeugt, dass der größte Feind des Pentagons die Bürokratie sei. Er wollte alle Dienstleistungen privatisieren - nach dem Motto: "Soldaten sollen sich auf das Kämpfen konzentrieren und nicht Kartoffeln schälen." Donald Rumsfeld hat diese Strategie nach dem Wahlsieg von George W. Bush umgesetzt.

sueddeutsche.de: Blackwater wurde erst 1997 gegründet und hat einen steilen Aufstieg hinter sich. Was bietet das Unternehmen an?

Scahill: Die Entwicklung von Blackwater verlief in Schüben. Die Firma wurde von ehemaligen Elitesoldaten gegründet, die sich zunächst auf die Ausbildung von Polizisten und Soldaten konzentrierten. Sie bauten in North Carolina den größten privaten Militärübungsplatz der Welt auf, auf dessen 2830 Hektar großem Gelände die modernsten Waffen und Geräte zum Einsatz kamen. Nach dem Amoklauf in Columbine konnten Polizisten beispielsweise dort in einer nachgebauten Schule das richtige Verhalten trainieren.

sueddeutsche.de: Wie kam Blackwater von North Carolina in den Irak und nach Afghanistan?

Scahill: Das hat mit al-Qaida zu tun. Nach dem Anschlag auf den amerikanischen Zerstörer USS Cole vor der Küste des Jemen sollten die Matrosen lernen, sich zu verteidigen - die Ausbildung übernahm Blackwater. Die große Wende kam mit dem 11. September: Danach bekam die Firma Aufträge von fast jeder staatlichen Dienststelle. 2002 wurde Blackwater Worldwide gegründet - dies ist das Söldnerunternehmen, das wir heute kennen und in deren Register 21.000 ehemalige Soldaten stehen. Zunächst wurde Blackwater in Afghanistan und dann im Irak eingesetzt.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wer hinter der Firma Blackwater steht und wieso die Söldner im Irak im rechtsfreien Raum agieren können.

Erst schießen, dann fragen

sueddeutsche.de: Ist Blackwater eigentlich die größte dieser Firmen?

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Einer der seltenen Autritte des Blackwater-Chefs: Erik Prince sagt im Herbst 2007 vor dem Kongress aus

(Foto: Foto: dpa)

Scahill: Nein, den meisten Umsatz macht die ehemalige Halliburton-Tochter KBR (Der heutige US-Vizepräsident Dick Cheney war von 1995 bis 2000 Aufsichtsratschef und CEO von Halliburton; Anm. d. Red.). Insgesamt sind 170 private Militärfirmen allein im Irak im Einsatz, aber Blackwater ist die bekannteste und wahrscheinlich auch die beste. Ihr Hauptziel wurde bisher mit großer Brutalität nach dem Motto "Erst schießen, dann fragen" erreicht: Keine der von ihr bewachten Personen wurde ermordet. Von diesem Image lebt die Firma.

sueddeutsche.de: Welche Summen sind im Spiel?

Scahill: Es ist sehr schwer zu schätzen, weil die meisten Verträge unter Verschluss sind, aber es ist definitiv ein Milliardengeschäft. Einige Zahlen gibt es: Blackwater hat Regierungsaufträge in Höhe von 500 Millionen Dollar erhalten - mindestens. Der Einsatz im Irak kostet die USA momentan zwei Milliarden Dollar pro Woche - vierzig Prozent dieser Summe fließen an private Sicherheitsfirmen, die nicht nur Söldner stellen, sondern sich auch um Logistik kümmern.

Ein ehemaliger Elitesoldat bekommt einen Tagessatz von etwa 700 Dollar pro Tag - das ist deutlich mehr, als General Petraeus, der Oberkommandierende der Streitkräfte, verdient. Deswegen sind die Söldner bei den US-Soldaten auch nicht sehr beliebt.

sueddeutsche.de: Blackwater-Chef Erik Prince tritt kaum in der Öffentlichkeit auf. Dokumentiert sind jedoch seine hohe Spenden an die Republikaner. Wer ist dieser Mann?

Scahill: Prince war selbst bei einer Elite-Einheit, den Navy Seals, aber geprägt wurde er durch sein familiäres Umfeld. Die Familie Prince gehört für mich zu den Schattendynastien, jenen wirtschaftlich mächtigen Familienclans, die im Hintergrund die Fäden ziehen. Erik Princes Vater leitete einen Autozuliefererbetrieb und wurde Milliardär, weil er die Sonnenblende mit integriertem Schminkspiegel erfand. Teile seines Vermögens spendete er für christlich-fundamentalistische Vereinigungen und extrem konservative Politiker. Er gehört zu den "Theokonservativen" - diese Gruppe vermengt radikalen, christlichen Glauben, wirtschaftsliberales Denken mit den außenpolitischen Zielen der Neocons.

sueddeutsche.de: Steckt hinter Blackwater auch eine Ideologie?

Scahill: Prince musste vor einigen Monaten vor dem Kongress Rede und Antwort stehen. Damals sagte er: "Wenn Sie Leute fragen, die mich kennen, werden die Ihnen sagen, dass ich diese Arbeit nicht wegen des Geldes mache." Ich glaube, dass dies die Wahrheit ist. Natürlich will Blackwater viel Geld verdienen, aber es geht auch darum, die Religion wieder auf die Tagesordnung zu setzen und Bushs "Krieg gegen den Terror" zu unterstützen.

sueddeutsche.de: Bis vor kurzem kannten nur Experten den Namen Blackwater. Am 16. September 2007 erschossen Angestellte der Firma in Bagdad grundlos 17 Iraker. Zuvor hatte es ähnlich brutale Fälle gegeben. Wieso erregte dieser Vorfall so viel Aufsehen?

Scahill: Das Besondere an diesem Ereignis war die Reaktion des irakischen Premierministers al-Maliki: Er forderte damals, dass alle Blackwater-Leute das Land verlassen müssen und dass die Schützen im Irak vor Gericht gestellt werden. Schnell kam heraus, dass dies nicht möglich ist: Der ehemalige US-Statthalter Paul Bremer hatte kurz vor seiner Abreise in der mittlerweile berühmt-berüchtigten Order 17 festgeschrieben, dass die Angestellten der Sicherheitsfirmen Immunität genießen. Auch die Zivil- und Militärgerichte in den USA sind nicht zuständig.

sueddeutsche.de: Diese Firmen agieren also in einem rechtsfreien Raum?

Scahill: So ist es. Nach dem 16. September 2007 wurden die betroffenen Söldner schnell ausgeflogen. Ähnliches passierte mit Andrew Moonen: Der Blackwater-Mann hatte an Weihnachten 2006 betrunken einen Leibwächter des irakischen Premiers erschossen. Heute lebt Moonen in Seattle, aber er wurde nicht angeklagt. Momentan versuchen mehrere Angehörige von getöteten Blackwater-Söldnern die Firma zu verklagen, weil sie ihnen Fahrlässigkeit vorwirft, doch die Erfolgsaussichten sind minimal. Die Anwälte von Blackwater argumentieren nämlich, die Contractors seien Teil der US-Streitkräfte und deswegen könnten sie nicht belangt werden.

Lesen Sie auf Seite 3, wieso die modernen Söldnerfirmen auch unter einer Präsidentin Hillary Clinton oder einem Präsident Barack Obama mit lukrativen Aufträgen rechnen können.

Erst schießen, dann fragen

Interview über Blackwater: Jeremy Scahill, der Autor des ersten Buches über Blackwater.

Jeremy Scahill, der Autor des ersten Buches über Blackwater.

(Foto: Foto: Jared Rodriguez)

sueddeutsche.de: Blackwater, DynCorp oder KBR wurden nach dem Hurrikan Katrina in New Orleans eingesetzt. Mittlerweile haben die Firmen ganz andere Ziele: Sie bieten an, die Situation in Regionen Darfur zu befrieden oder sogar Friedensmissionen der UN oder der Nato zu übernehmen. Ist das Größenwahn oder berechnendes Kalkül?

Scahill: Es ist beides. Das Jahresbudget der Vereinten Nationen für Friedenseinsätze beträgt mehrere Milliarden Dollar. Die Firmen suchen also nach neuen Einnahmequellen. Zugleich sind die Spitzen dieser Firmen wirklich überzeugt, dass sie diese Konflikte lösen könnten.

sueddeutsche.de: Gibt es ein Land, das angemessen auf dieses Problem reagiert?

Scahill: Südafrika ist ein Vorbild. Mindestens 4000 südafrikanische Söldner sind weltweit im Einsatz, allein 2000 im Irak. Die große Mehrheit gehört der weißen Minderheit an und war schon während der Apartheid aktiv. Das Parlament hat dort 2006 ein Gesetz erlassen, dass den Einsatz von Söldnern verbietet und mit Geld- und Haftstrafen ahndet. Es wäre viel erreicht, wenn möglichst viele Regierungen ähnliche Gesetze erließen, denn Blackwater hat Menschen aus etwa 100 Ländern rekrutiert. Als der Entwurf debattiert wurde, fuhren Vertreter der Militärfirmen nach Pretoria und versuchten, das Inkrafttreten des Gesetzes zu verhindern. Dies zeigt, wie gefährlich solche Regelungen für Blackwater und Co. sind.

sueddeutsche.de: Die USA wählen im November einen neuen Präsidenten. Wird sich unter Barack Obama oder Hillary Clinton etwas an der Situation ändern?

Scahill: Ich rechne mit keiner Veränderung. Ich wäre glücklich, wenn ich mich irren würde. Clinton und Obama haben wie der Republikaner John McCain stets der Finanzierung des Irakkriegs zugestimmt. Während des Blackwater-Skandals im Herbst 2007 hat sich keiner der beiden Demokraten in die Debatte eingeschaltet. Einen Gesetzesentwurf, der den Abzug der Militärfirmen zum 1. Janaur 2009 vorsah, haben sie nicht unterstützt. Die Demokratische Partei will Regeln für diese Firmen einführen, aber nicht deren Einsatz verbieten. Die Kandidaten werfen Bush zwar seine Fehler in der Irak-Strategie vor, aber sie sagen nicht, was sie ändern wollen. Clinton und Obama tragen jetzt mit schönen Worten etwas Make-up auf, aber wenn die Schminke verwischt ist, dann sieht man die hässliche Narbe wieder.

sueddeutsche.de: Die Demokraten fordern eine starke Verringerung der US-Truppen im Irak. Könnten Kriegsdienstleister davon profitieren?

Scahill: Beide Bewerber haben sich darauf festgelegt, die Zahl der im Irak stationierten Soldaten zu verringern. Um glaubwürdig zu bleiben, müssen Obama und Clinton dies umsetzen. Wer die Lage im Irak kennt, weiß, dass man nicht einfach Zehntausende Soldaten abziehen kann und es gibt Aussagen von Blackwater-Vertretern, wonach sie einem Machtwechsel im Weißen Haus gelassen entgegensehen.

sueddeutsche.de: Bedroht eine Firma wie Blackwater die Demokratie?

Scahill: Ja. Diese Firmen stehen über dem Gesetz, sind der Kontrolle des Parlaments entzogen und höhlen das Gewaltmonopol des Staates aus. Für mich ist Blackwater die Speerspitze eines weitverbreiteten Trends in den USA: Nahezu jeder Bereich des öffentlichen Lebens wird privatisiert. Was Blackwater betrifft: Die Firma hat ihre eigene Fluglinie und baut gerade einen eigenen Geheimdienst nach dem Vorbild der CIA auf. Aber leider kennen mehr Amerikaner den Namen der Entziehungsklinik von Britney Spears als den Namen Blackwater.

Ein letzter Punkt: Auch die Souveränität der Nationalstaaten wird untergraben: Die demokratisch gewählte Regierung in Chile hat den Krieg im Irak abgelehnt, doch diese Firmen heuern chilenische Ex-Soldaten an - und die Behörden in Santiago können nichts machen.

sueddeutsche.de: Mister Scahill, Sie beschreiben detailliert den engen Kontakt von Blackwater zu Spitzenbeamten der Bush-Regierung. Einige arbeiten mittlerweile für das Unternehmen. Wird Ihnen nicht manchmal vorgeworfen, ein Verschwörungstheoretiker zu sein?

Scahill: Das passiert mitunter. Ich kann nur sagen, dass alle Fakten in meinem Buch mit Hunderten Fußnoten belegt sind - und dass Blackwater mich noch nie verklagt hat. Die Firma leistet sich die teuersten Lobbyisten und Anwälte, doch offensichtlich können sie mir keinen Fehler nachweisen.

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