Volker Kauder im Gespräch:"Nicht ständig diese Schnellschüsse"

Unions-Fraktionschef Volker Kauder über den rüden Umgangston in der Koalition, die Kritik am Sparpaket und warum die Laufzeit der deutschen Atomkraftwerke verlängert werden wird.

S. Braun und N. Fried

Volker Kauder, 60, sitzt seit fast 20 Jahren im Bundestag, war Generalsekretär der CDU und führt seit dem Jahr 2005 die Unions-Fraktion.

SZ: Herr Kauder, Wildsau, Rumpelstilzchen, Gurkentruppe - schämen Sie sich nicht dafür, wie man in der Koalition übereinander redet?

Kauder: Die Ausdrücke, die in den letzten Tagen gegenseitig verwendet wurden, sind inakzeptabel. Für eine solche Wortwahl gibt es, zumal in einer gemeinsamen Koalition, keine Rechtfertigung.

SZ: Zum Sparpaket ...

Kauder: ... Sie meinen das Zukunftspaket ...

SZ: ... Sie nennen es so. Wieso gibt es bei dieser "Kraftanstrengung" keine Belastung für Besserverdiener?

Kauder: Im Gegensatz zu vielen Regierungen vor uns konsolidieren wir den Haushalt in erster Linie nicht durch Mehreinnahmen, sondern durch Ausgabenkürzungen. So wie es jeder normale Mensch tun muss, wenn das Geld nicht mehr für alles reicht.

SZ: Irritiert es Sie gar nicht, dass neben den Sozialpolitikern in der eigenen Partei auch Wirtschaftsliberale wie der Präsident des CDU-Wirtschaftsrats mehr soziale Balance einfordern?

Kauder: Man hat sich in der Koalitionsspitze darauf verständigt, dass es keine Steuererhöhungen geben wird. Und dabei wird es bleiben. Wir müssen in einer Koalition verlässlich sein. Mir wären auch noch eine ganze Reihe von anderen Maßnahmen eingefallen. Aber in einer Koalition müssen Kompromisse gemacht werden. Jetzt ist der Beschluss gefasst: keine Steuererhöhungen.

SZ: Sie hätten höhere Steuern mitgetragen, gescheitert ist das an der FDP?

Kauder: Ich habe nicht von Steuererhöhungen gesprochen. Ich hätte an anderer Stelle etwas versucht.

SZ: Ist für Sie die Streichung von Steuervergünstigungen, zum Beispiel bei der reduzierten Mehrwertsteuer, eine Steuererhöhung?

Kauder: Wir werden, das steht auch in der Koalitionsvereinbarung, von der Regierung ein Gutachten zur Mehrwertsteuer bekommen. Dieses Gutachten soll in den nächsten Tagen kommen. Und dann werden wir uns in Ruhe mit diesem Thema beschäftigen. Ich kann nur sagen: nicht ständig diese Schnellschüsse. Dies ist auch die Meinung des Bundesfinanzministers.

SZ: Die Banken tragen zur Sparanstrengung zunächst wenig bis gar nichts bei, die Beschlüsse zur Streichung des Elterngeldes für Hartz-IV-Empfänger wirken dagegen sofort.

Kauder: Auch die Banken werden ihren Beitrag leisten, wie bekannt ist. Diese Kritik akzeptiere ich nicht.

SZ: Wir wollen nur wissen, warum Sie es nicht sozialer gestalten.

Kauder: Das Paket ist sozial ausgewogen. Die Wirtschaft und der Bankensektor werden beteiligt. Der öffentliche Dienst wird seinen Beitrag leisten.

SZ: Wollen Sie als Fraktionschef jede Möglichkeit der Korrektur durch das Parlament von vornherein ausschließen?

Kauder: Natürlich nicht. Klar ist aber: Es wird keine Steuererhöhungen geben. Alles andere wird im Bundestag beraten.

SZ: Wie lange gilt die Aussage: keine Steuererhöhungen? Bis zum 30. Juni, an dem die Union die Stimmen der FDP für den CDU-Präsidentschaftskandidaten braucht? Oder länger?

Kauder: Sie gilt auf jeden Fall für den Haushalt 2011. Um den geht es bei dem jetzt gefundenen Kompromiss zunächst. Das Paket beschreibt auch die Richtung für die kommenden Jahre. Eine Steuererhöhung direkt nach dem 30.Juni? Nein.

"Die Laufzeitverlängerung wird kommen"

SZ: Stichwort Brennelementesteuer. Wird da nicht etwas angekündigt, was vielleicht gar nicht kommt? Immerhin wird diese Steuer an eine Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken gekoppelt - und die ist unsicher.

Kauder: Ich gehe davon aus, dass die Laufzeitverlängerung kommt. Das hat auch die Bundeskanzlerin vor der Bundestagswahl gesagt. Und eines ist klar: Wir in der Bundestagsfraktion sehen, anders als momentan die Bundesregierung, eine klare Verbindung zwischen der Steuer und der Laufzeitverlängerung.

SZ: Das heißt: ohne Laufzeitverlängerung auch keine Brennelementesteuer?

Kauder: Das ist die Position von vielen in der Fraktion, mich eingeschlossen. Alles andere würde doch nur zu höheren Energiekosten führen.

SZ: Zur nächsten Baustelle: Wie viel Gift steckt in der Tatsache, dass der FDP-Bundesgesundheitsminister von der CSU total düpiert worden ist?

Kauder: Die FDP fühlt sich da schon beschwert. Das ist gar keine Frage, und das hat sie auch zum Ausdruck gebracht. Das Thema muss jetzt abgeräumt werden, weil es eine ständige Belastung der Koalition darstellt.

SZ: Wie viel Zeit geben Sie den Beteiligten noch?

Kauder: Das muss noch vor der Sommerpause geschehen. Das Thema muss bis dahin abgeräumt werden, sonst vergiftet es uns weiter unsere ansonsten doch ganz erfolgreiche Arbeit.

SZ: Beim Thema Wehrpflicht ist so etwas wie ein Kompromiss allmählich gar nicht mehr möglich. Der letzte hat dazu geführt, dass es bald gerade noch sechs Monate Wehrdienst sein werden. Beim nächsten Mal heißt es ja oder nein. Hat Sie der Vorstoß des Verteidigungsministers gefreut?

Kauder: Es geht nicht, dass überfallartig, von Donnerstag auf Montag, ein Beschluss gefasst werden soll, die Wehrpflicht abzuschaffen. Das sieht die Kanzlerin auch so. Und jetzt nehmen wir uns auch mehr Zeit zur Prüfung. Um es aber deutlich zu machen: Ich bin überzeugt, dass die Wehrpflicht erhalten bleiben muss.

SZ: Ist das ein glasklares: Mit mir gibt es kein Ende der Wehrpflicht?

Kauder: Die Struktur der Wehrpflicht muss sich allein darauf konzentrieren, dass die Bundeswehr ihren Auftrag erfüllen kann. Und deswegen kann eine Strukturreform nicht unter dem Spardiktat geführt werden. Das ist der Grund, warum ich den Zusammenhang zwischen Sparen und Abschaffen der Wehrpflicht nicht akzeptieren kann.

SZ: Sieht das der Verteidigungsminister inzwischen auch so?

Kauder: Die Entscheidung ist im Parlament zu treffen. Ich bin sogar der Auffassung, dass diese Frage, die in den Kernbereich unserer Programmatik als Union insgesamt hineinreicht, ohne Beteiligung der Gesamtpartei nicht entschieden werden kann. So grundsätzlich ist die Frage.

SZ: Könnte die Wehrpflicht noch diese Legislaturperiode abgeschafft werden?

Kauder: Ich bin der Ansicht, dass wir an der Wehrpflicht festhalten sollten. Deshalb freue ich mich sehr, dass Horst Seehofer erklärt hat, die CSU sei und bleibe die Partei der Wehrpflicht. Die Wehrpflicht ist das Instrument, Gesellschaft und Bundeswehr miteinander zu verbinden. Wohin das führen kann, wenn dieses Band nicht vorhanden ist, haben wir in unserer Geschichte mehrmals sehen können.

SZ: Braucht man diese Verbindung noch?

Kauder: Der Staat hat zwei elementare Aufgaben: Er muss die innere und die äußere Sicherheit eines Landes garantieren. Für das eine ist die Polizei und Justiz, für das andere die Bundeswehr zuständig. Zur Erfüllung des Ziels ist die Wehrpflicht ein zentrales Element. Im Übrigen: Wir können in unserem Land viele Ansprüche an den Staat formulieren, aber so gut wie nirgendwo gibt es eine Verpflichtung, dem Staat etwas zurückzugeben. Ausnahme: die Wehrpflicht. Sie ist für die Beschreibung des Verhältnisses von Staat und seinen Bürgern wichtig.

SZ: Müssten Sie dann nicht ein soziales Pflichtjahr für alle schaffen - mit Wehr- oder Zivildienst?

Kauder: Der Zivildienst ist eine sehr wichtige Einrichtung. Aber der Wunsch, den Zivildienst zu erhalten, rechtfertigt nicht die Wehrpflicht. Deswegen bin ich gegen jede Pflichtjahrdiskussion.

SZ: Bei der Auswahl des Kandidaten für das Präsidentenamt lautet der Vorwurf gegen die Union, sie sei nicht bereit gewesen, in der gegenwärtig schwierigen Situation einen gemeinsamen, überparteilichen Kandidaten zu wählen.

Kauder: Mit Verlaub, das finde ich eigenartig. Ja es ärgert mich. Wir leben in einer Demokratie, die maßgeblich von Parteien und ihrem Engagement lebt. Mich stört es zunehmend, dass man immer häufiger die Parteien attackiert und schlechtmacht. Ohne Parteien gäbe es unsere Form der repräsentativen Demokratie nicht und damit auch keine Stabilität. Wenn wir einen schlechten Kandidaten präsentiert hätten, könnte ich ja verstehen, dass man sagt: Wie kann man so etwas machen. Aber Christian Wulff ist über jeden Zweifel erhaben.

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