Süddeutsche Zeitung

Interview mit Salomon Korn:"Leitkultur ist nah dran an Kulturdiktatur"

Zentralrats-Vizepräsident Salomon Korn über Leitkultur, die Sarrazin-Debatte und die normale Anormalität zwischen Juden und nichtjüdischen Deutschen.

Oliver Das Gupta

Salomon Korn, Jahrgang 1943, ist Architekt und Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main sowie Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Die Präsidentschaft lehnte er mehrmals ab. Korn lebt mit seiner Familie in Frankfurt, wo das folgende Gespräch stattgefunden hat.

sueddeutsche.de: Herr Korn, vor vielen Jahren sagten Sie, es gäbe eine Entwicklung vom Juden in Deutschland über den deutschen Juden hin zum jüdischen Deutschen. In welcher Phase befindet sich das Judentum derzeit?

Salomon Korn: Genau lässt sich das nicht bestimmen, schließlich haben wir es mit mindestens drei unterschiedlichen Phasen zu tun: Die wenigen Nachfahren der deutschen Juden sind heute sicherlich weiter als diejenigen, die nach 1945 aus dem Osten Europas einwanderten. Diese wiederum sind inzwischen weiter als jene, die nach 1989 aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion kamen.

sueddeutsche.de: Zu welcher Gruppe zählen Sie sich?

Korn: Zu derjenigen, die auf dem Weg vom Juden in Deutschland zum deutschen Juden ist. Unsere Kinder und Enkel sehen sich vermutlich eher als deutsche Juden. Ob sie eines Tages von sich sagen werden, jüdische Deutsche zu sein, hängt nicht zuletzt davon ab, ob die deutsche Mehrheitsgesellschaft irgendwann jüdische Deutsche als etwas Selbstverständliches akzeptiert.

sueddeutsche.de: Halten Sie das Klima hierzulande für günstig für eine solche Entwicklung?

Korn: Das Klima ist günstig, aber die Umstände sind nicht optimal.

sueddeutsche.de: Was meinen Sie damit?

Korn: In dem Maße, in dem die Zuwanderung von Muslimen zugenommen hat, werden Juden anders betrachtet. Plötzlich ist da die Rede von den "christlich-jüdischen Wurzeln des Abendlandes" - so, als ob man die Juden in eine gemeinsame Front gegen die Muslime einbinden müsste. Manche Umarmungen, die wir derzeit von einem Teil der nichtjüdischen deutschen Gesellschaft erfahren, sind mit Vorsicht zu genießen. Solche Gesten könnten auch funktionalistisch motiviert sein. Gewiss: Die Geschichte der Juden in Deutschland reicht 1700 Jahre zurück: aber Verfolgungen, Ausgrenzungen und Massenmord durchziehen diesen Zeitraum bis in die Neuzeit. "Christlich-jüdische Wurzeln" wird man da schwerlich finden. Es gibt natürlich jüdische Wurzeln in diesem Land, vor allem in der Religion, beispielsweise im - aus christlicher Sicht - Alten und Neuen Testament.

sueddeutsche.de: Und der jüdische Einfluss auf die deutsche Kultur?

Korn: Der ist insgesamt marginal. Sicher: Angesichts des geringen Anteils, den die Juden an der deutschen Gesamtbevölkerung ausgemacht haben - er betrug zu keiner Zeit mehr als ein Prozent -, hat diese Gruppe eine beachtliche Anzahl an renommierten Wissenschaftlern, Künstlern und Intellektuellen hervorgebracht. Doch dieser Umstand ist nicht die Folge von jüdischem Gedankengut, jüdischer Tradition oder Religion, sondern ist der Verweltlichung des Judentums geschuldet. Das geschah während einer relativ kurzen Integrationsphase, in einer Zeit des Übergangs.

sueddeutsche.de: Wann machen Sie diese Zeit fest?

Korn: Zwischen Mitte des 19. Jahrhunderts und 1933. Jüdische Identität rieb sich an deutscher Identität und deutscher Kultur auf. Der daraus resultierende kurzzeitige Funkenflug hatte beachtliche Beiträge von jüdischen Menschen zur deutschen Kultur zur Folge - allerdings auf Kosten eines originären Judentums. Diese Menschen waren dem Judentum entfremdet: Karl Marx, Albert Einstein und Sigmund Freud zum Beispiel haben sich nicht mehr über ihr Judentum definiert.

sueddeutsche.de: Apropos Kultur: Bereitet Ihnen der als Kampfvokabel benutzte Begriff "Leitkultur" Sorge?

Korn: Nein, aber dieses Wort ist eine irreführende Bezeichnung. Kultur ist per se ubiquitär und, wenn sie befruchtend und lebendig bleiben soll, immer auf Austausch mit anderen Kulturen angewiesen.

sueddeutsche.de: Vielen Menschen macht genau diese Vorstellung Angst.

Korn: Sorge sollte uns etwas anderes bereiten: Kulturen, die keine Einflüsse mehr von außen zulassen, erstarren. Beispiele sind das "Dritte Reich", die Sowjetunion oder die DDR, alles Systeme, die sich hermetisch abgeschottet haben. Kultur muss, um sich entwickeln und erneuern zu können, offen und veränderbar bleiben. Von "Leitkultur" zur "Kulturdiktatur" ist es daher nur ein kleiner Schritt.

sueddeutsche.de: Eine Folge der Nazi-Diktatur ist das Ausbleiben von Normalität im Umgang mit Juden in Deutschland. Salomon Korn stehe für diese fehlende Normalität, sagte einmal Marcel Reich-Ranicki. Beginnt nun, da die letzten Zeitzeugen aussterben, diese Normalität?

Korn: In dem Augenblick, in dem wir uns über Normalität unterhalten, zeigt sich, dass noch keine existiert. Nach allem, was 1933-1945 geschehen ist, befinden wir uns in einer anormalen Normalität oder normalen Anormalität, was angesichts der jüngsten Geschichte normal ist.

sueddeutsche.de: Eine Normalität würde einen Verlust an Einfluss für den Zentralrat bedeuten.

Korn: Das wäre der Preis dafür, ja. Die Juden sind nach dem Krieg hierzulande wie rohe Eier behandelt worden. Angesichts des monströsen nationalsozialistischen Menschheitsverbrechens haben vor allem Politiker mit Blick aufs Ausland dieser Minderheit einen Stellenwert eingeräumt, der ihr nach ihrer gesellschaftlichen Bedeutung nicht zukam - wohl aber nach der historischen.

sueddeutsche.de: Finden Sie es gut, wenn die Stimme des Zentralrats aufgrund einer Normalisierung an Gehör verliert?

Korn: Es ist eine Tatsache: Politische Bedeutung nimmt ab, je mehr Zeit vergeht, was auch für den Aufmerksamkeitswert gilt. Aber es wäre an sich kein schlechtes Zeichen, wenn die Umwelt die jüdische Gemeinschaft als völlig normale gesellschaftliche Gruppe wahrnähme, die eine eigene Geschichte, eine eigene Identität und eigene kulturelle Wurzeln hat. Wenn also Normalität darauf hinausliefe, Juden als normale Bevölkerungsgruppe zu empfinden, die selbstverständlicher Teil der Gesellschaft ist, dann wäre ein Verlust an öffentlicher Aufmerksamkeit durchaus begrüßenswert.

sueddeutsche.de: Viele Menschen glauben, der Zentralrat sei der verlängerte Arm der israelischen Botschaft. Was halten Sie diesen Leuten entgegen?

Korn: Das ist schlichtweg falsch. Wir haben eine besondere Beziehung zu Israel, aber wir scheuen uns nicht, uns kritisch zu äußern, wenn wir mit der aktuellen israelischen Politik nicht einverstanden sind.

sueddeutsche.de: Also keine uneingeschränkte Solidarität?

Korn: Eine kritische Solidarität. Wir dürfen nicht den Fehler begehen, an Israel andere Maßstäbe anzulegen als an andere Staaten. Aber wir sollten uns ebenso davor hüten, bei Israel moralische Hürden höher zu setzen. Israel zu kritisieren ist völlig legitim, sofern es sachbezogen und nach allseits anerkannten demokratischen Spielregeln geschieht. Dazu zählt aber auch, die besondere geopolitische Lage Israels zu berücksichtigen.

sueddeutsche.de: Sie meinen die arabischen Nachbarstaaten, von denen einige das Existenzrecht Israels nicht anerkennen.

Korn: So ist es: Wer Israel kritisiert, sollte bei den arabischen Nachbarstaaten die gleichen Maßstäbe anlegen. Es ist auffällig, dass gerade viele derjenigen, die Israel besonders hart angreifen, genau dies versäumen. Manche versuchen, Deutschlands historische Schuld durch den Fingerzeig auf Israel zu kompensieren, nach dem Motto: "Schaut euch die Israelis - in Klammern: die Juden - an, die sind ja auch nicht besser als die Deutschen einst waren: Was diese damals mit den Juden gemacht haben, machen die heute mit den Palästinensern." Auf solche Entlastungsversuche reagieren wir sensibel. Aber es ist wie einst mit den Gänsen auf dem Capitol: Diese haben sich auch bei geringen Anzeichen von Gefahr rechtzeitig lautstark bemerkbar gemacht: Daher lieber einmal zu viel als einmal zu wenig geschnattert.

sueddeutsche.de: Wann immer Rechtsextremisten in Erscheinung treten oder sich Politiker bräunlichen Vokabulars bedienen, richten sich die Blicke zuallererst auf den Zentralrat als moralische Instanz. Ärgert Sie dieser Reflex?

Korn: Es handelt sich hier um eine partielle Selbstentmündigung der Medien und Politiker in moralischen Fragen. Es ist nämlich bequem, in heiklen Situationen nicht selber Stellung beziehen zu müssen. Wenn es um Juden geht, ruft man erst einmal beim Zentralrat an. Nach dem Motto: Selbst, wenn der Zentralrat ins Fettnäpfchen tritt, kann man es ihm nicht übelnehmen. Solange nicht die jeweilige Redaktion, der zuständige Stadtverordnete, Landtags- oder Bundestagsabgeordnete sich selbst eine eigene, öffentlich vertretene Meinung bildet, so lange sind wir von Normalität noch ein gutes Stück entfernt.

sueddeutsche.de: Ihre Prognose: Bleibt das so?

Korn: Es kann sich ändern, soll sich ändern und wird sich ändern. Und es ist völlig in Ordnung, dass noch Sensibilität - manchmal Übersensibilität - in diesen Dingen herrscht. Angesichts der erwähnten anormalen Normalität ist das normal.

sueddeutsche.de: Ist es aus Ihrer Sicht auch normal, dass in Deutschland wieder über Heimat und Patriotismus diskutiert wird?

Korn: Ich begrüße die Debatte darüber und den Versuch, diese Begriffe gedanklich schärfer zu fassen. Ja, es ist normal und natürlich, dass sich ein Volk mit seiner Identität und seiner Geschichte beschäftigt und jene Gemeinsamkeiten sucht, die es als besondere Schicksalsgemeinschaft definiert.

sueddeutsche.de: Bei dieser Debatte schwingt stets die Frage mit: Kann man als Deutscher auf dieses Land stolz sein, darf man es lieben, nach allem, was geschehen ist?

Korn: Wenn man die zwölf braunen Jahre und beide Weltkriege ausklammern könnte, dann hätten die Deutschen durchaus Grund, mit Freude und Genugtuung auf dieses Land und seine Errungenschaften zu blicken. Aber: Stolz ist angesichts der Ambivalenz deutscher Geschichte nicht der passende Begriff.

sueddeutsche.de: Weil er von Rechtsradikalen okkupiert ist?

Korn: Vor allem deswegen, weil die Bedeutung des Wortes missverständlich benutzt wird: Stolz kann man auf eine eigene Leistung sein, nicht aber auf etwas, das einem zum Beispiel durch Geburt nur zugefallen ist. Wir sollten bewusst Deutsche, Russen oder Amerikaner sein, dabei aber nicht vor lauter Nationalstolz jene kritikwürdigen Dinge ausblenden, die es überall gab und gibt. Die Sprache bietet trefflichere Bezeichnungen, um Gefühle auszudrücken, die sich auf nationale Identität beziehen.

sueddeutsche.de: Zu Deutschland gehören in dieser Zeit auch kontrovers ausgetragene Debatten wie die, die Thilo Sarrazin im vergangenen Sommer mit einem Buch und flankierenden Interviews losgetreten hat. Was halten Sie von den Thesen des Ex-Bundesbankers?

Korn: Tatsache ist: Es gibt Integrationsprobleme in Deutschland. Fakt ist aber auch, dass die Mehrheit der Migranten sich gut integriert hat. Ein kleiner Teil hat Probleme und macht auch Probleme, nur fällt dieser Teil überproportional auf und dringt über die mediale Wirklichkeit unverhältnismäßig ins Bewusstsein der Öffentlichkeit. Thilo Sarrazin hat einige zutreffende Probleme angesprochen, nur hat er dabei falsche Begriffe benutzt.

sueddeutsche.de: Unter anderem sprach er von einem "jüdischen Gen" und von erblicher Intelligenz.

Korn: Von Sarrazin, den ich für einen intelligenten Mann halte, hätte ich solche unhaltbaren, biologistisch begründeten Äußerungen nicht erwartet. Das Weltbild, das er zeichnet, ist stark vereinfacht - und damit auch gefährlich.

sueddeutsche.de: Können Sie erklären, warum Sarrazin quer durch politische Lager und Altersgruppen solch einen massiven Zuspruch erhalten hat?

Korn: Der Grund liegt vermutlich in der deutschen Identität, die vergleichsweise schwach ausgebildet ist. Sarrazin hat eine vorhandene Stimmung bei denjenigen getroffen, die sich kompensatorisch nach einem starken deutschen Nationalbewusstsein sehnen. Wer keine gefestigte Persönlichkeit besitzt, sucht Menschen, auf die er hinabschauen kann. Früher waren das vor allem die Juden. Heute greifen in der Causa Sarrazin ähnliche Mechanismen: Hier wir Deutsche, dort die Muslime. Es ist eine Abgrenzung vom "Fremden", durch die man die eigene Identität zu stärken versucht. Nur: Hierzulande wird das heute so nicht funktionieren. Die deutsche Geschichte der letzten 200 Jahre ist vor allem eine Geschichte der Niederlagen: Zuerst als Opfer Napoleons, dann in Gestalt der gescheiterten Revolution von 1848, die erfolgreichen "Einigungskriege" erwiesen sich als Pyrrhussiege angesichts des verlorenen Ersten Weltkriegs, es folgte das Scheitern der Weimarer Republik, darauf das Inferno des "Dritten Reichs" und schließlich der Fall der DDR. Angesichts all dieser Niederlagen ist eine ungebrochene nationale deutsche Identität heute kaum möglich.

sueddeutsche.de: Wenn also eine heile deutsche Welt nicht mehr möglich ist, was kann an ihre Stelle treten?

Korn: Eine kritische deutsche Identität, mit anderen Worten: eine partiell gebrochene Identität, ein Nationalbewusstsein, das sich der Brüche der deutschen Geschichte bewusst bleibt. Eine solch kritische Identität darf sich auch vor aller Welt über den kulturell-historischen Reichtum Deutschlands freuen. Das Problem ist: Die meisten Menschen können eine nationale Identität nur akzeptieren, wenn sie vermeintlich einfach, blütenweiß und fleckenfrei ist. Das aber ist nirgendwo der Fall und schon gar nicht in Deutschland. Der Mensch neigt dazu, das Einfache vorzuziehen, doch so kann Demokratie nicht dauerhaft bestehen: Sie erfordert fortwährende Auseinandersetzung mit Vergangenheit und Gegenwart und muss täglich neu erkämpft werden.

sueddeutsche.de: Dieter Graumann, der neue Präsident des Zentralrats der Juden, sagte mit Blick auf das Identitätsbewusstsein der Juden in Deutschland, man wolle weniger "holocaustzentriert", dafür "holocaustbewusst" in die Zukunft gehen. Was meint er damit?

Korn: Er beschreibt einen Teil des erwähnten Prozesses. Aber machen wir uns nichts vor: Normalität entsteht nicht unter vier Generationen.

sueddeutsche.de: Warum gerade vier Generationen?

Korn: Die erste Generation war unmittelbar am Geschehen beteiligt, die zweite wurde von den traumatischen Erfahrungen der ersten unmittelbar beeinflusst, die dritte ist von der zweiten noch mittelbar beeinflusst. Und erst in der vierten Generation beginnen diese transgenerationell nachwirkenden Traumata sich aufzulösen.

sueddeutsche.de: Das klingt fast nach einem Naturgesetz.

Korn: Einflüsse der Geschichte werden im sozialen Erbgang untergründig weitergegeben. Konkret: Die seelischen Wunden der ersten Generation überdauern in ihren Ausläufern meist unbemerkt viele Jahrzehnte, ob wir das wollen oder nicht.

sueddeutsche.de: Geht es nicht schneller, nun, da bald die letzten Opfer und Täter nicht mehr am Leben sind?

Korn: Nein, es geht nicht, wenn man die dahinter wirkende Dimension begreift: Noch nie gab es in der Menschheitsgeschichte eine Partei, die sich zum Programm gemacht hatte, ein ganzes Volk nicht nur zu besiegen, zu entrechten und zu versklaven, sondern von diesem Planeten zu tilgen. Das Trauma eines nie da gewesenen Geschehens wie das der nationalsozialistischen Judenvernichtung ist nicht schneller zu bewältigen. Das Ereignis war radikal, und so sind auch dessen Folgen. Bemerkenswerterweise ist dieses Trauma in der zweiten Generation mitunter intensiver ausgeprägt als in der ersten.

sueddeutsche.de: Wie das?

Korn: Viele Überlebende sprachen mit ihren Kindern nicht über das, was sie erlitten hatten. Das nicht ausgesprochene Leiden konnte somit nicht rational gebannt werden und wirkte daher destruktiv nach. Ein vergleichbares Phänomen gibt es übrigens auch bei den Nachkommen von NS-Verbrechern, die mehrheitlich über ihre Taten geschwiegen haben. Der Nachwuchs ahnte zwar in beiden Fällen, dass etwas Monströses vorgefallen sein musste, aber das Verbrechen blieb unbewältigt, weil es weder Gestalt noch Namen erhalten hatte und damit seinen Schrecken im Unterbewusstsein der zweiten Generation ungehindert entfalten konnte.

sueddeutsche.de: Sie sind 1943 in der Nähe von Lublin in Polen zur Welt gekommen. Haben Ihre Eltern Ihnen von dieser Zeit erzählt?

Korn: Manches, anderes haben sie vermutlich ausgespart.

sueddeutsche.de: Zählen Sie sich also auch zu dieser verstärkt traumatisierten Gruppe der zweiten Generation?

Korn: Nein. Wir haben uns mit unserer Familiengeschichte beschäftigt. Ich hatte ohnehin das Glück im Unglück, dass meine Eltern den Krieg auf russischer Seite überlebt haben. Sie wurden auch in Arbeitslager gesperrt, aber ihr Schicksal war nicht so schwer wie beispielsweise das der Eltern von Dieter Graumann, die mehrere Konzentrationslager durchlitten haben.

sueddeutsche.de: Sie haben vorhin über die gebrochene nationale Identität der Deutschen gesprochen, über deutsche Geschichte und deutsche Kultur, über den Prozess vom Juden in Deutschland zum jüdischen Deutschen. Mitunter klang viel Nähe durch. Herr Korn, sind Sie gerne Deutscher?

Korn: Deutscher ... das ist ein großes Wort, da steckt so viel drin. Als Deutschen würde ich mich noch nicht betrachten, aufgrund der leidvollen Geschichte meiner Familie halte ich das für schwierig. Ich liebe die deutsche Kultur, ich liebe dieses Land, ich liebe viele seiner historischen Städte, seine Architekturen und ich habe viele deutsche Freunde. Ich fühle mich mit Deutschland sehr verbunden - aber eben nicht identisch.

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