sueddeutsche.de: Der Bundespräsident müsste doch über diesen Dingen stehen.
Christian Wulff im Sommer 2010 beim Besuch des Wolfcenters in Dörverden
(Foto: Regina Schmeken)Gauck: Ja, das müsste er. Und das wird er auch sicher wollen. Er steht nicht unter dem Zwang, wiedergewählt zu werden.
sueddeutsche.de: Christian Wulff hat sich bisher mit keinem Wort in die Debatte eingebracht. Sie werden sich schwertun ein Urteil über ihn zu fällen, er ist noch keine 100 Tage im Amt ...
Gauck: ... richtig.
sueddeutsche.de: Aber Sie haben beschrieben, die Menschen erwarten von Politikern, dass sie authentisch sind. Die erste Person in diesem Land, die das erfüllen müsste, ist der Bundespräsident. Aber Wulff hat inhaltlich nichts zur Sarrazin-Debatte gesagt. Er hat am falschen Ort Urlaub gemacht, zum falschen Zeitpunkt den Duisburger Bürgermeister Sauerland zum Rücktritt aufgefordert und indirekt der Bundesbank empfohlen, Sarrazin zu entlassen.
Gauck: Wer wäre ich, wenn ich einem, mit dem ich vor ganz kurzer Zeit noch in einem konkurrierenden Verhältnis um das höchste Staatsamt war, nun die gesammelten Kritikpunkte der Medien vortrage? Das mache ich selbstverständlich nicht.
sueddeutsche.de: Ist die Kritik an Wulff überzogen? Überreagieren die Medien? Sind sie sogar gemein zum Präsidenten?
Gauck: Das immer mal wieder, ja.
sueddeutsche.de: Aber ist das nicht Aufgabe der Medien, den Finger in Wunden zu legen?
Gauck: Eben das ist die gute Frage, die Sie anschließen müssen. Herzlichen Glückwunsch! (lacht) Dass die Instanzen in einer Demokratie eine andere mediale Begleitung haben als in Diktaturen und in Fürstentümern, das ist richtig so. Es wechseln sich seriöse Betrachtungen ab mit Satire, Ironie und manchmal auch Gemeinheiten. Wenn es um das Staatsoberhaupt geht, wollen wir hoffen, dass es weniger um Gemeinheiten geht, als um berechtigte Kritik.