Süddeutsche Zeitung

Interview mit Ban Ki Moon:"Deutschland spielt eine wichtige Rolle"

Lesezeit: 4 min

Der künftige Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki Moon, spricht über seine Pläne. Der frühere südkoreanische Außenminister sieht den Schwerpunkt seiner Arbeit darin, die unter Kofi Annan festgefahrene Reform der UN wieder anzupacken.

Christoph Schwennicke

Die Wiedervereinigung Deutschlands hat für Ban Ki Moon Modellcharakter für seine Heimat Korea. Dort sind der Norden und Süden geteilt.

Als künftiger Generalsekretär der Vereinten Nationen wird der 62-Jährige ein besonderes Augenmerk auf den Atomkonflikt mit Nordkorea haben, wie er in seinem ersten Interview in Deutschland nach seiner Nominierung sagte.

Von Deutschlands Vorsitz bei den wichtigsten Industrienationen, G 8, und der EU-Ratspräsidentschaft zu Beginn des neuen Jahres erwartet sich Ban Rückenwind für den zeitgleichen Start seiner Amtszeit.

SZ: Warum besuchen Sie jetzt Deutschland?

Ban: Ich besuche Deutschland als Teil meiner Bemühungen, mit den Staats- und Regierungschefs wichtiger Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen die anstehenden Themen der UN zu besprechen.

SZ: Erwarten Sie von Deutschland eine größere Rolle in den Vereinten Nationen, auch in den Einsätzen der UN, die der Erhaltung des Friedens dienen?

Ban: Ich hoffe, dass Deutschland als drittgrößter Beitragszahler weiterhin eine wichtige Rolle spielen wird. Tatsächlich hat Deutschland schon große Beiträge geleistet, indem es sich engagiert in vielen Bereichen der humanitären Hilfe und Entwicklungsstrategien erarbeitet für Entwicklungsländer einschließlich Afrika, gerade auf den Gebieten der Menschenrechte und des Umweltschutzes.

Über die Präsidentschaft in der EU und der G 8 zu Beginn des neuen Jahres spielt Deutschland demnächst eine wichtige internationale Rolle, was auch Auswirkungen auf die Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen hat. Selbst wenn es Zufall ist, dass der Beginn meiner Amtszeit mit dieser Doppelrolle Deutschlands zusammenfällt, wird das eine große Quelle der Hilfe für mich sein.

SZ: Sie haben mit Kanzlerin Merkel über die Reform der UN gesprochen. Sehen Sie Deutschland bald als ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates?

Ban: Die Reform des Sicherheitsrates ist die wichtigste und die heikelste institutionelle Reform der Vereinten Nationen. Wir haben bereits gute Fortschritte erzielt bei der Gründung des Menschenrechtsrats und einer Kommission für Friedensaufbau.

Ich denke, was den Sicherheitsrat anlangt, dass es nach sechs Jahrzehnten und einer Vergrößerung der UN von 51 auf 192 Mitgliedstaaten notwendig ist, dass der Sicherheitsrat reformiert und erweitert wird. Er hat sich operativ schon verändert, aber strukturell brauchen wir weitere Beratungen unter den Mitgliedstaaten.

SZ: Werden Sie dabei Deutschlands Bemühen um einen Sitz unterstützen?

Ban: Als künftiger Generalsekretär bin ich zu einer neutralen Rolle verpflichtet und darf keine Präferenzen haben für einzelne Aspiranten.

SZ: Allgemeiner gefragt: Um wie viele ständigen Sitze sollte der Sicherheitsrat denn erweitert werden?

SZ: Allgemeiner gefragt: Um wie viele ständigen Sitze sollte der Sicherheitsrat denn erweitert werden?

Ban: Der Generalsekretär wird die Vorschläge der Mitgliedstaaten respektieren. Wie Sie wissen, hat es bereits Vorschläge gegeben. Aber wir brauchen noch mehr Konsultationen zu diesem Thema. Als Generalsekretär ist es nicht an mir, eine Anzahl von Sitzen vorzuschlagen oder festzulegen.

SZ: Gibt es ein Zeitfenster für die Reform?

Ban: Die Reform sollte so schnell wie möglich umgesetzt werden. Wir müssen die gesamte Kultur der Organisation verändern. Wir müssen sie transparenter, relevanter und effizienter machen. Die Belegschaft muss mobiler sein. Ich bin sehr entschlossen, so schnell wie möglich Fortschritte zu erzielen. Dafür brauche ich die Unterstützung und den Rückhalt aller Mitgliedstaaten.

SZ: Was sind weitere Prioritäten Ihrer Amtszeit?

Ban: Es geht vor allem darum, wieder Vertrauen in die UN herzustellen. Leider gibt es ein weitverbreitetes Misstrauen unter den Mitgliedstaaten und zwischen den Mitgliedsstaaten und dem Sekretariat der UN. Ich werde alles versuchen, Harmonie herzustellen und Meinungsverschiedenheiten zu überbrücken.

Ich möchte das Vertrauen jedes einzelnen Staates gewinnen. Ich verstehe mich als Brückenbauer. Ein weiteres Ziel wird sein, die begrenzten Mittel der UN effektiver und effizienter einzusetzen. In den meisten Ländern ist es zum Beispiel so, dass viele Einrichtungen der Vereinten Nationen ähnliche Aufgaben übernehmen.

Dies führt zu Doppelstrukturen, Überlappungen und zu einer Verschwendung der Mittel. Dafür gibt es bereits Empfehlungen. Ich hoffe, dass sie bald umgesetzt werden. Während die Aufgaben stets ausgeweitet wurden, blieben ihre Ressourcen begrenzt. Wir brauchen ein schlankeres Management.

SZ: Wie bekommen Sie eine einhelligere Betrachtungsweise im Sicherheitsrat hin, etwa bezogen auf das Nuklearprogramm Irans?

Ban: Es gibt eine gute Resolution zu Iran. Iran ist gefordert, diese umzusetzen. Die Schlüsselfrage in der iranischen Nuklearfrage ist Vertrauen. Die internationale Gemeinschaft ist noch nicht überzeugt von den Erklärungen der iranischen Regierung, dass ihr Atomprogramm friedlichen Zwecken dient.

Ich hoffe, dass die Verhandlungen zwischen Teheran und dem EU-Trio weitergehen. Als Generalsekretär werde ich ein großes Augenmerk auf dieses Thema richten.

SZ: Ist die Zeit für Sanktionen bereits gekommen?

SZ: Ist die Zeit für Sanktionen bereits gekommen?

Ban: Es ist immer wichtig, die Tür für Gespräche offenzuhalten. Wenn wir uns bei diesem Thema auf das EU-Paket einigen könnten, wäre das eine wünschenswerte Lösung.

SZ: Der US-Botschafter bei den Vereinten Nationen, John Bolton, wird Ende des Jahres zurücktreten. Hoffen Sie auf eine weniger konfrontative Arbeit zwischen den USA und den UN?

Ban: Zunächst einmal freue ich mich darauf, mit dem neuen amerikanischen Botschafter zusammenzuarbeiten. Ich habe auch mit dem bisherigen Botschafter Bolton sehr eng zusammengearbeitet. Er hat viele Initiativen beigesteuert zum Reformprozess der Organisation.

Prinzipiell ist die aktive Teilnahme und volle Kooperation der USA sehr wichtig für beide Seiten. Ich werde als Generalsekretär an einer sehr harmonischen und kooperativen Beziehung zwischen den USA und den UN arbeiten.

SZ: Als früherer Außenminister Südkoreas waren Sie bereits betraut mit dem Nuklearkonflikt mit Nordkorea. Was planen Sie auf diesem Gebiet als Generalsekretär? Wie wollen Sie Nordkorea wieder an den Verhandlungstisch bringen?

Ban: Es wäre naheliegend, dass ich als Generalsekretär, der aus Südkorea kommt, eine besondere Rolle hier spielen kann. Zugleich liegt meine Rolle gerade darin, die Sechs-Parteien-Gespräche (Die sechs beteiligten Länder sind China, Südkorea, die USA, Japan, Russland und Nordkorea selbst, Anm. d. Red.) voranzubringen.

Wenn die Atomverhandlungen erwartungsgemäß demnächst aufgenommen werden, werde ich zunächst beobachten, wie die Parteien die Umsetzung der Beschlüsse vom September 2005 diskutieren. Darin hat sich Nordkorea verpflichtet, alle Atomprogramme aufzugeben, um im Gegenzug wirtschaftliche Hilfe und politische Zusagen zu erhalten.

Die Atomwaffen müssen so schnell wie möglich von der koreanischen Halbinsel verschwinden. Dafür werde ich auch meinen eigenen Beitrag leisten. So habe ich vor, einen Sondergesandten des Generalsekretärs zu benennen, der mir in dieser Frage assistiert.

SZ: Haben Sie schon jemanden im Sinn?

Ban: Ja, aber ich muss das erst mit demjenigen besprechen, an den ich denke. So viel will ich sagen: Es wird aber niemand sein aus einem Land, das an den Sechser-Gesprächen teilnimmt.

SZ: Also wird die Person nicht aus China kommen?

Ban: China spielt eine sehr konstruktive Rolle. Ich bin überzeugt, dass China diese Rolle weiter wahrnehmen wird. Aber was die Position des Sondergesandten anlangt, ist es besser, sie mit jemandem jenseits der Anrainer zu besetzen.

SZ: Könnten Sie sich vorstellen, selbst nach Pjöngjang zu reisen, um Kim Jong Il an den Verhandlungstisch zurückzubringen?

Ban: Ich werde erst einmal beobachten, wie sich die Situation entwickelt. Wenn ich es zu gegebener Zeit für angebracht erachte, dann werde ich selbst nach Pjöngjang reisen und versuchen, mich persönlich in den Dialog einzuschalten.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.654297
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 9.12.2006
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.