Intervention gegen Islamisten:Malis schwache Helfer

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Sie stellen mehr als 3000 Mann, um dem Krisenland zur Seite zu stehen - und sind selber alles andere als stabil. Die Nachbarländer Malis haben oft mit religiösen und ethnischen Konflikten zu kämpfen. Die Geiselnahme mit vielen Toten in Algerien zeigt bereits, dass der Einsatz gegen die Islamisten die westafrikanischen Länder tief in den Kampf hineinziehen könnte.

Von Caroline Ischinger, Nakissa Salavati und Michael König

Seitdem Frankreichs Präsident François Hollande Truppen gegen Islamisten in Mali einsetzt, hat er auch die Sicherheitsvorkehrungen im eigenen Land verstärkt. Zu groß ist die Angst vor einem möglichen Racheakt.

Doch die wirkliche Bedrohung lieg offenbar näher am Kampfgeschehen. Am Mittwoch überfielen Islamisten in Malis Nachbarstaat Algerien ein Gasfeld und nahmen zahlreiche Menschen als Geiseln - aus Protest gegen den Einsatz. Bei der Befreiungsaktion durch algerisches Militär kam es zu zahlreichen Toten. Dabei engagiert sich Algerien gar nicht direkt an der Intervention. Andere Nachbarländer hingegen planen, mit eigenen Truppen zu intervenieren. Die teilweise instabilen Staaten könnten damit in den Konflikt hineingezogen werden. Wer sind diese relevanten Länder und was können und wollen sie an der Seite Frankreichs ausrichten? Ein Überblick.

Algerien

Bereits vor dem Einsatz Frankreichs in Mali hatte der algerische Präsident Abdelaziz Bouteflika damit gerechnet, dass Islamisten den Konflikt über die schwer zu sichernden Wüstengrenzen in der Sahara ins Land tragen. Aus diesem Grund blieb Algerien einem Einsatz in Mali gegenüber lange zurückhaltend, räumte Frankreichs Luftwaffe dann jedoch umfassende Überflugrechte ein. Algerien ist nicht Mitglied des Regionalbündnisses Ecowas, das Truppen nach Mali schicken will. Hollande jedoch sorgte dafür, dass sowohl Algerien als auch der Nachbarstaat Mauretanien indirekt helfen, indem sie die Grenzen zu Mali verriegeln, um islamischen Milizen keine Rückzugsmöglichkeit zu bieten. Die Geiselnahme zeigt jedoch, dass Algerien dies nicht vollständig leisten kann.

Die indirekte Unterstützung Frankreichs steht ganz im Sinne der Partnerschaft, die die beiden Länder mittlerweile verbindet - trotz der mehr als ein Jahrhundert währenden französischen Herrschaft über Algerien und einem fast zehn Jahre andauernden Unabhängigkeitskrieg in den fünfziger Jahren.

99 Prozent der etwa 37 Millionen Algerier sind Muslime. Ein Großteil davon sind Berber, Ureinwohner nicht-arabischen Ursprungs. Als Antwort auf die Aufstände des Arabischen Frühlings 2011 stieß die Regierung einige Reformen an und vermied, im Gegensatz zu anderen nordafrikanischen Staaten wie Ägypten und Tunesien, einen Umsturz des Regimes. Bei den Parlamentswahlen 2012 siegte erneut die sozialdemokratische Partei Front de Libération Nationale, während islamische Parteien schlecht abschnitten.

Am Montag rollten etwa 30 Panzerfahrzeuge und Truppentransporter über die Grenze der Elfenbeinküste nach Mali: Der französische Stützpunkt im Nachbarland versorgt Hollands Truppen mit Kampfmaterial für ihre Angriffe gegen die Islamisten. Das Verhältnis der Elfenbeinküste mit Frankreich ist getrübt: Bis 1960 war der afrikanische Staat als Kolonie den Franzosen unterworfen, nach der Unabhängigkeit erhielt das Land hohe Entwicklungshilfezahlungen aus Frankreich.

Der französische Einfluss ist noch immer groß: 2003 unterstützten französische Truppen die Elfenbeinküste bei der Überwachung des Waffenstillstands im Bürgerkrieg zwischen Rebellen und der Regierung. Der afrikanische Staat ist ethnisch tief gespalten. In der Savanne im Norden leben vorwiegend Muslime, sie machen mit etwa 39 Prozent der 22 Millionen Bürger die größte religiöse Gruppe aus. Im tropischen Süden hingegen leben vor allem Christen und Anhänger einheimischer Religionen.

Wie instabil die Elfenbeinküste ist, haben die Präsidentschaftswahlen im Winter 2010 gezeigt. Damals hatte der Staat plötzlich zwei vereidigte Präsidenten: Laurent Gbagbo auf der einen, Alessane Ouattara auf der anderen Seite. Das politische Patt entlud sich in Gewalt, nach UN-Angaben starben damals bis zu 3000 Menschen. Mit Hilfe des französischen Militärs und UN-Truppen brachte Ouattara das Land unter seine Kontrolle. Er ist derzeit außerdem Chef des westafrikanischen Bündnis Ecowas, das demnächst afrikanische Truppen nach Mali schicken will, um an Seite der Franzosen gegen die Islamisten zu kämpfen.

Nigeria leitet die Truppen des westafrikanischen Regionalbündnisses Ecowas. 900 der etwa 3000 Mann sollen aus Nigeria kommen. Bereits im August 2012 hatte der Präsident des Landes, Goodluck Jonathan, auf einen Einsatz in Mali gedrängt.

Den Kampf gegen Islamisten führt Nigeria auch im eigenen Land: Die islamische Sekte Boko Haram kämpft im Norden des Landes für einen islamischen Gottesstaat und soll für zahlreiche Selbstmord- und Bombenanschläge verantwortlich sein. Bereits 1400 Menschen, vor allem Christen, kamen durch Attentate der Sekte ums Leben.

Trotzdem erlebt Nigeria eine vergleichsweise stabile Periode. Noch vor einigen Jahren waren die Präsidentschaftswahlen von ethnischen und religiösen Konflikten begleitet. Nigeria hat mehr als 170 Millionen Einwohner 250 unterschiedlicher Ethnien. So heterogen ihre Abstammung, so übersichtlich ist allerdings die Religionszugehörigkeit der Nigerianer. 50 Prozent ordnen sich dem Islam und 40 Prozent dem Christentum zu. Nur zehn Prozent der Bevölkerung sind Anhänger einheimischer Religionen.

Auch Senegal hat angekündigt, dem malischen Nachbarn im Osten mit 500 Soldaten zur Hilfe zu eilen. In die Krise Malis ist das Land seit Anfang an involviert, so floh etwa der gestürzte malische Präsident Amadou Toumani Touré im April vergangenen Jahres vor den Putschisten nach Senegal, mit seiner gesamten Familie und mehreren Leibwächtern.

Senegal gilt seit seiner Unabhängigkeit 1960 als stabile Demokratie, eine der wenigen in Westafrika. Letzter Test war die Präsidentschaftswahl im vergangenen Jahr: Macky Sall siegte über Abdoulaye Wade, der zuvor zwölf Jahre lang regierte hatte. Dass Wade überhaupt ein drittes Mal antreten wollte, hatte viele Senegalesen erzürnt, es kam zu Wahlunruhen, auch zu Toten - und am Ende dann doch zu einer friedlichen Machtübergabe. Wade räumte seine Niederlage zur Erleichterung vieler Beobachter nach der Stichwahl im März 2012 ein und gratulierte seinem Nachfolger.

Mit dem Aufflammen der Gewalt im Nachbarland verstärken sich nun die Sorgen um die Sicherheit, sogar die Furcht vor terroristischen Anschlägen geht um. Der Krieg in Mali füllt auch in den senegalesischen Medien die Titelseiten. Am Dienstag mahnte Präsident Macky Sall die religiösen Führer des Landes, ihre Gefolgsleute vor möglichen ausländischen Einflüssen zu schützen, und forderte die Bevölkerung auf, wachsam zu bleiben. Erstmals sprach der senegalesische Außenminister Mankeur Ndiaye laut einem Bericht des französischen Auslandssender RFI zudem offiziell von "Schläferzellen" in Senegal. 90 Prozent der Bevölkerung sind Muslime, der Umgang zwischen Christen und Muslimen ist von Respekt geprägt.

Mali und Niger teilen sich 821 Kilometer Grenze, die zum Ziel für immer mehr Malier werden. Sie fliehen vor der Gewalt in ihrer Heimat. Organisationen wie das Kinderhilfswerk Plan International bereiten sich angesichts der militärischen Intervention der Franzosen in Mali auf eine Flüchtlingswelle vor. Sie könnte schon bald in die grenznahen Lager Tabareybarey und Mangaize schwappen.

Dabei erwartet die Flüchtlinge in Niger, seit 1960 von Frankreich unabhängig, kaum eine bessere Zukunft. Das Land, eines der heißesten und ärmsten der Welt, ist schon jetzt damit überfordert, seine Einwohner zu versorgen. Vier Fünftel des Gebiets sind Wüste. Die 16 Millionen Nigrer leben hauptsächlich im Südwesten am Fluß Niger, wo auch die Haupstadt Niamey liegt. Ihr durchschnittliches Alter liegt bei 15 Jahren, nur etwa drei Prozent der Bevölkerung sind älter als 65. Hinzu kommt die fragile politische Lage.

Im Jahr 2010 stürzte das Militär den damaligen Präsidenten Tandja, der seine Amtszeit mit einem Verfassungsbruch 2009 ausgedehnt hatte. Es gelang der Armee, die Demokratie wiederherzustellen. Bei den Wahlen 2011, die von internationalen Beobachtern als fair eingestuft wurden, setzte sich der amtierende Präsident Issoufou als Sieger durch. Beobachter befürchten jedoch, der wachsende Einfluss von Islamisten könne das relativ stabile politische Klima gefährden. Ende 2007 hatte es Kämpfe zwischen Regierungstruppen und den Tuareg gegeben, die knapp zehn Prozent der weitgehend muslimischen Bevölkerung ausmachen. Auch die instabile Lage in Libyen bedroht den Frieden in Niger.

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