Internetsperren:Schaar kritisiert Vereinnahmung durch Politik

Der Bundestag will heute den Zugang zu Kinderpornos erschweren. Der Datenschutzbeauftragte fürchtet um die Glaubwürdigkeit seiner Behörde.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hat kritisiert, dass mit Hilfe seiner Behörde die geplanten Internetsperren von kinderpornographischen Seiten überwacht werden sollen. "Das hat nichts mit meinen Aufgaben zur Sicherung der Informationsfreiheit und des Datenschutzes zu tun", sagte Schaar der Berliner Zeitung. "Das ist vielmehr eine Aufgabe, die in einer strafrechtlichen Beurteilung besteht." Davon sei er nicht begeistert.

Schaar, AP

Kritisiert Regelung gegen Kinderpornographie: Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar.

(Foto: Foto: AP)

Die Sperrliste mit Hinweisen auf kinderpornographische Seiten, die das Bundeskriminalamt nach Plänen der großen Koalition zusammenstellen und Internetanbietern übermitteln wird, soll von einer unabhängigen Instanz kontrolliert werden. Dafür soll ein Gremium beim Bundesdatenschutzbeauftragten eingerichtet werden. Dadurch könne die Unabhängigkeit und die Glaubwürdigkeit der Behörde gefährdet werden, sagt Schaar. "Dies wäre der Fall, wenn das Gremium als Internet-Überwachungsinstanz gesehen wird."

Verfassungsklage angekündigt

Ähnlich wie heute schon in Skandinavien, den Niederlanden, Italien und anderen Staaten soll auch in Deutschland künftig ein rotes Stoppschild auf dem PC-Schirm erscheinen, wenn der Nutzer - absichtlich oder zufällig - eine zuvor vom Bundeskriminalamt (BKA) ausgespähte Seite mit kinderpornographischen Inhalten angewählt hat. Nach deutlichen Korrekturen am ursprünglichen Gesetzentwurf aus dem Bundeswirtschaftsministerium gilt die Verabschiedung durch die große Koalition am heutigen Donnerstag nunmehr als sicher.

Die Sperrung wird mit einem "Zugangserschwerungsgesetz" geregelt - und nicht wie zunächst geplant mit dem Telemediengesetz. Damit soll herausgestellt werden, dass es bei der Sperrung allein um kinderpornografische Inhalte geht - nicht aber etwa um politische Texte oder Aufrufe. Das Gesetz wird zunächst auf drei Jahre befristet und dann auf den Prüfstand gestellt. Anders als zunächst vorgesehen sollen Daten der Anwähler nicht zur Strafverfolgung genutzt werden.

Selten jedoch hat Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) in ihrer bisher steil verlaufenen Politkarriere so viel Gegenwind erfahren. Binnen sechs Wochen sammelten Internet-Fans 130.000 Unterschriften für eine Petition gegen das von ihr angestoßene Sperrvorhaben. "Zensursula" wurde von der Leyen auf Plakaten und in Blogs von einer protestierenden Internetgemeinde genannt. Mit der Massenpetition wird sich vermutlich aber erst der neue Bundestag nach der Wahl befassen können - wenn das Gesetz bereits in Kraft ist.

Die Initiatorin der Bundestags-Petition gegen Internetsperren erwägt derweil eine Verfassungsklage gegen das Gesetz. Sollte es in der geplanten Form den Bundestag passieren, könne sie sich vorstellen, zu klagen, sagte Franziska Heine der Wochenzeitung Der Freitag.

91 Prozent der Deutschen befürworten die Regelung

Die Mehrheit der Deutschen begrüßt dagegen die Maßnahmen der Bundesregierung gegen die Verbreitung von Kinderpornographie im Internet. Dies ergab eine aktuelle Umfrage des Instituts für Demoskopie Allenbach. Demnach befürworten 91 Prozent der Befragten die Regelungen, nur sechs Prozent halten sie nicht für effektiv. Für die Umfrage wurden insgesamt 1.832 Personen ab 16 Jahren interviewt.

89 Prozent der starken Internetnutzer empfinden laut Umfrage die Maßnahmen als positiv, lediglich drei Prozent von ihnen sehen durch sie das Grundrecht auf Informationsfreiheit eingeschränkt. Auch von den Gegnern des Gesetzesvorhabens befürchten nur 16 Prozent diese Beeinträchtigung, die übrigen Ablehnenden zweifeln an der technischen Durchführbarkeit und den Erfolgsaussichten der neuen Regelungen. Sie befürchten, dass hartnäckige Nutzer einen Weg finden werden, die Sperre zu umgehen.

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