25 Jahre WWW:Das Netz ist keine Waffe und kein Dämon

Netzwerkkabel

Immer an: Smart-Home-Geräte sind permanent mit dem Netzwerk verbunden. Das macht sich bei der Stromrechnung bemerkbar.

(Foto: Matthias Balk/dpa)

Das World Wide Web kann nichts für Datenskandale und Tech-Monopole. Die Menschheit wird das vernetzte Wissen der Welt brauchen, um zu überleben.

Kommentar von Karin Janker

Als das Fernsehen ungefähr so alt war wie das Internet heute, schrieb der Medienwissenschaftler Neil Postman einen Bestseller. "Wir amüsieren uns zu Tode" brachte 1985 auf den Punkt, was dem neuen Massenmedium vorgeworfen wurde: Verblödung, Entdemokratisierung, Kommerzialisierung, Manipulation. Die neue Medienmacht, in Händen weniger Entscheider, erschien als Bedrohung für den öffentlichen Diskurs.

An das wenig später aufkommende Internet knüpften sich auch deshalb große Hoffnungen: Als am 30 April 1993 das World Wide Web für die Öffentlichkeit freigegeben wurde, schien eine Infrastruktur geschaffen zu sein, die einen herrschaftsfreien Diskurs im Habermas'schen Sinne ermöglicht. So hoffte man. Der Erfinder des World Wide Web, der britische Physiker und Informatiker Tim Berners-Lee, träumte vom kostenlosen, offenen und freien Austausch von Information.

25 Jahre später scheint der Traum geplatzt; im Jahr 2018 überwiegt der Katzenjammer. Angesichts des twitternden US-Präsidenten, all der Facebook-Skandale und eines wachsenden Unbehagens gegenüber dem, was Alphabet alias Google im Halbverborgenen treibt, kippt die Stimmung. Im New York Magazine warnt Berners-Lee unter dem Titel "Das Internet entschuldigt sich" davor, wie leicht das Netz von den Tech-Konzernen als "Waffe" missbraucht werden könne. Und auch der Erfinder des Like-Buttons, Justin Rosenstein, schlägt sich an die Brust, als habe er die Büchse der Pandora geöffnet.

Die Ernüchterung kann heilsam sein. Sie dämpft die übermäßigen Erwartungen der Anfangszeit. Doch die Skepsis sollte rational bleiben. Das Netz ist keine Waffe und kein Dämon. Die Argumente vieler Kritiker (Verblödung, Entdemokratisierung, Kommerzialisierung, Manipulation) ähneln denen gegen das Fernsehen. Dabei wird das World Wide Web das Leben noch viel stärker verändern als der flimmernde Lagerfeuerersatz.

Das Netz kann helfen, die Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen

Angst muss man davor nicht haben, denn das Internet ist uns weniger fremd, als es zunächst erscheint; vielmehr ist das Netz die konsequente Weiterentwicklung dessen, was das Menschsein im Wesentlichen ausmacht: Kommunikation, Kooperation, Konnektivität. Was Menschen von Tieren unterscheidet, schreibt der Historiker Yuval Noah Harari, sind weder Gefühle noch Verstand - sondern die Fähigkeit, sich in großen Gesellschaften flexibel zu organisieren und zu kooperieren: Homo sapiens habe sich nicht dank geschickter Hände oder größerer Gehirne vom Mammutjäger zum Raumfahrer entwickelt, entscheidend war, "viele Menschen miteinander in Verbindung zu bringen".

Dies ermöglicht das Internet auf beispiellose Weise. Es birgt damit einen Schlüssel, um den globalen Herausforderungen der Zukunft zu begegnen. Das werden vor allem der Klimawandel und die Bekämpfung von Hunger und Armut sein. In weltweiter Vernetzung können Forscher künftig noch genauer Daten erfassen, auswerten und in Kooperation Lösungen entwickeln. Das vernetzte Wissen der Welt könnte der Menschheit das Überleben sichern. Was dieser Utopie derzeit im Weg steht, ist die Macht- und Marktkonzentration bei den Tech-Riesen. Die Politik sollte sich daran wagen, sie zu zerschlagen. Jenen Konzernen ihre Ideen allzu naiv ausgeliefert zu haben, ist das, was die Internetpioniere sich vorzuwerfen haben.

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