Interne Untersuchungen:"Reichsbürger" bei der Polizei: Immer mehr Disziplinarverfahren

'Reichsbürger' schießt auf Polizisten

Nicht nur im Hinblick auf "Reichsbürger", sondern auch allgemein im Hinblick auf rechtsextremistische Äußerungen ist die Zahl der Disziplinarverfahren innerhalb der Polizei zuletzt steil angestiegen.

(Foto: dpa)
  • Die Zahl der Disziplinarverfahren gegen Polizisten, die im Verdacht stehen, der "Reichsbürger"-Szene nahezustehen, hat sich bundesweit in kurzer Zeit vervielfacht.
  • Die meisten Fälle meldet Bayern, wo Ende der vergangenen Woche ein 26-jähriger Beamter suspendiert wurde. Er ist bereits der sechste mutmaßliche "Reichsbürger" bei der dortigen Polizei.
  • Die Zunahme von Disziplinarverfahren könnte aber auch ein Zeichen dafür sein, dass Vorgesetzte inzwischen genauer hinsehen.

Von Ronen Steinke

Knapp zwei Wochen nach den tödlichen Schüssen eines selbsternannten Reichsbürgers auf Polizisten im bayerischen Georgensgmünd entdecken Polizeibehörden immer weitere Verdachtsfälle in ihren eigenen Reihen.

Die Zahl der Disziplinarverfahren gegen Polizisten, die im Verdacht stehen, ihrerseits der "Reichsbürger"-Szene nahezustehen, hat sich bundesweit in kurzer Zeit vervielfacht. Sie liegt aktuell bei 15, wie eine Umfrage der Süddeutschen Zeitung unter den Landesinnenministerien ergab. Die meisten Fälle meldet Bayern, wo Ende der vergangenen Woche ein 26-jähriger Beamter suspendiert wurde. Er ist bereits der sechste mutmaßliche "Reichsbürger" in der dortigen Polizei.

Die gesamte Szene besteht nach Schätzungen von Verfassungsschützern bundesweit nur aus wenigen Hundert Menschen. Die "Reichsbürger" erkennen die Bundesrepublik nicht an und glauben stattdessen an das Fortbestehen des Deutschen Reiches. Neben Bayern führt Sachsen-Anhalt derzeit vier Disziplinarverfahren gegen mutmaßliche "Reichsbürger" in der Polizei, drei von ihnen sind bereits vom Dienst suspendiert. Nordrhein-Westfalen prüft seit dem Ende vergangener Woche zwei neue Verdachtsfälle, womit sich die Zahl der entsprechenden Disziplinarverfahren dort auf vier verdoppeln könnte. In Berlin ist ein Polizist als "Reichsbürger" suspendiert. Die Bundespolizei führt derzeit zwei solche Disziplinarverfahren.

Nicht nur im Hinblick auf "Reichsbürger", sondern auch allgemein im Hinblick auf rechtsextremistische Äußerungen ist die Zahl der Disziplinarverfahren innerhalb der Polizei zuletzt steil angestiegen. Einschließlich der "Reichsbürger"-Fälle sind es mehr als vierzig solche Verfahren bundesweit. Vor drei Jahren waren es noch weniger als halb so viele.

Volksverhetzende Kommentare auf Facebook

Die Verdachtsfälle wegen rechtsextremistischer oder fremdenfeindlicher Äußerungen verteilen sich auf acht Bundesländer, vier neue und vier alte. Und auch in dieser Gesamtstatistik führt Bayern: Zu den sechs mutmaßlichen "Reichsbürgern" kommen derzeit sechs Fälle hinzu, in denen Polizeibeamte beispielsweise volksverhetzende Facebook-Kommentare gepostet haben sollen.

Einige der "Reichsbürger" in der Polizei sind nur durch Zufall entdeckt worden. In Berlin hatte der Beamte privat an einer entsprechenden Demonstration teilgenommen. Teils haben sie sich aber auch offensiv so geäußert. In Sachsen-Anhalt etwa hatte ein Polizisten-Paar dem Gebührenbescheid einer Behörde widersprochen mit der Begründung, das deutsche Recht gälte nicht; woraufhin die Behörde deren Vorgesetzten informierte. Die Zunahme von Disziplinarverfahren könnte eine Folge der allgemeinen Zunahme rechtsextremer Äußerungen sein, die sich auch in der Polizei bemerkbar macht. Sie könnte aber auch ein Zeichen dafür sein, dass Polizei-Vorgesetzte inzwischen genauer hinsehen.

Zum Gedenken an den in Georgensgmünd getöteten Beamten kamen am Samstag etwa 1000 Polizeibeamte aus ganz Deutschland zu einer Trauerfeier in Nürnberg zusammen.

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