Die internationale Presse ist sich einig: Bei der Wahl zum Bundespräsidenten war Christian Wulff nur Nebensache. Die Konsequenzen des neunstündigen Wahlmarathons wird besonders Kanzlerin Angela Merkel zu spüren bekommen. "Die abtrünnigen Wahlmänner haben ein klares Signal ihrer Unzufriedenheit mit Merkels Koalition gesendet, die in weniger als einem Jahr an der Macht bekannter für ihre inneren Machtkämpfe ist, als für ihre politische Arbeit", schreibt die New York Times.
"Angela Merkel wurde wie nie zuvor gedemütigt", berichtet die italienische Tageszeitung Corriere della Sera. Weiter heißt es in dem rechtsliberalen Blatt: "Das Leben wird für sie in den kommenden Wochen nicht leicht sein: Es gab am Tag der Wahl Anzeichen des Wankens ihrer Regierungskoaltion." Ihre Kollegen von La Stampa werden deutlicher, sie sprechen von einer "schallenden Ohrfeige" und einer "beispiellosen Schmach" für die Kanzlerin.
Die österreichische Zeitung Der Standard mutmaßt, dass es bei der Nominierung von Ursula von der Leyen als Präsidentschaftskandidatin nicht so weit gekommen wäre. Stattdessen setzte die Kanzlerin auf Wulff - "nicht weil sie von seinen Qualitäten so überzeugt war, sondern weil sie ihn, ihren allerletzten Konkurrenten, nach Berlin wegloben wollte".
"Ein Teil ihrer Partei meuterte und im Streit mit dem Koalitionspartner FDP wurde eine weitere Front eröffnet", schreibt die polnische Rzeczpospolita.
Die zermürbende Wahl sei "das Ergebnis eines knallharten parteipolitischen Spiels zwischen Regierung und Opposition", fasst de Volkskrant in den Niederlanden zusammen.
Einsam im Plenarsaal des Berliner Reichstags: "Das Resultat ist ein Fiasko für die deutsche Regierung und speziell für Angela Merkel. Sie muss jetzt einsehen, dass ein großer Teil der eigenen Leute kein Vertrauen mehr in ihre Führungsqualitäten hat." (Jyllands Posten, Dänemark)
"Die Wahl war ein Ventil für kritische Christdemokraten und Liberale, die unglücklich sind über den Regierungsstil Merkels und die Gelegenheit nutzten, dies anonym, aber wirkungsvoll kundzutun." (Neue Zürcher Zeitung, Schweiz)
Erleichterung nach dem dritten Wahlgang: Wulff hat die Mehrheit erreicht. Zufrieden sein kann Merkel deshalb trotzdem nicht, findet die dänische Zeitung Information: "Es ist eigentlich eine politische Bagatelle. Aber die Wahl des neuen deutschen Bundespräsidenten endete als Drama, das Merkels schon zuvor wackelig gewordene Koalition an den Rand des Knockouts brachte. Die Wahl verkam zur Abstimmung über die Zukunft der Regierung, und das Resultat war alles andere als überzeugend. Die Opposition hatte Glück: Mit der Nominierung Gaucks hat sie die nachlassende Unterstützung von Merkels Führung und den Zwist innerhalb der Regierungsparteien deutlich gemacht."
"Auch wenn die Rolle des Bundespräsidenten weitestgehend symbolisch ist, so war die langwierige Wahl peinlich für Angela Merkel", schreibt die britische BBC.