Internationale Beziehungen:Türkei will Verhältnis zu Deutschland normalisieren

Außenminister Çavuşoğlu erwartet ein "viel besseres Jahr 2018" und bereitet sich auf einen Besuch bei "Freund" Gabriel vor.

Von Mike Szymanski, Berlin

Der geschäftsführende Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) geht im äußerst angespannten deutsch-türkischen Verhältnis einen großen Schritt auf Ankara zu. Er hat seinen türkischen Kollegen Mevlüt Çavuşoğlu offenbar zu sich in seine Heimatstadt Goslar eingeladen. Darüber informierte jedoch nicht das Auswärtige Amt als Erstes, sondern Çavuşoğlu in einem Interview mit der Nachrichtenagentur dpa. Ihr sagte der türkische Außenminister: "Ich werde Gabriel im Januar in seiner Heimatstadt Goslar besuchen. Er hat mich eingeladen." Das Auswärtige Amt in Berlin erklärte am Montag auf Anfrage der SZ, es bestätige noch keinen konkreten Termin.

Seit einigen Monaten sendet die Türkei immer wieder Signale aus, dass sie die Beziehungen zu Deutschland normalisieren will. So wurden beispielsweise der Berliner Menschenrechtler Peter Steudtner und die Übersetzerin und Journalistin Meşale Tolu aus türkischer Haft entlassen. Im Sommer hatte Gabriel den politischen Druck auf Ankara erhöht, vor Reisen in das Land gewarnt und mit wirtschaftlichen Härten gedroht. Deutsche in türkischer Haft wie der Welt-Korrespondent Deniz Yücel bezeichnete Gabriel als Geiseln. Im Hintergrund ließ er die Kontakte nach Ankara jedoch nicht abbrechen. Im November hatte er Çavuşoğlu zu einem informellen Gespräch im südtürkischen Ferienort Antalya getroffen. Es ist aber auch der Wahlkreis Çavuşoğlus.

Aus Kreisen des Auswärtigen Amtes verlautete bereits vor Weihnachten, es werde Zeit, auch der Türkei einen Schritt entgegenzukommen. Eine Einladung Çavuşoğlus nach Goslar wurde erwogen. Der türkische Außenminister betonte das Verhältnis zu Gabriel, besonders mit ihm pflege er "einen guten Dialog", Gabriel sei ein "persönlicher Freund".

Çavuşoğlu rechnet im neuen Jahr mit einer deutlichen Entspannung im Streit mit Deutschland. "Ich denke, dass beide Seiten bereit dazu sind, die Beziehungen zu normalisieren", sagte der türkische Außenminister. Er erwarte ein "viel besseres Jahr 2018". Deutsche Touristen rief er dazu auf, "zurückzukehren und die Urlaube zu genießen, die sie in den vergangenen Jahren genossen haben".

Was die konkreten Streitpunkte angeht, blieb Çavuşoğlu jedoch teilweise auf konfrontativem Kurs. Die von ihm und Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan im Frühjahr angestellten Nazi-Vergleiche wegen der Auftrittsverbote für türkische Regierungsvertreter in Deutschland und anderen EU-Staaten bereue er nicht, sagte er in dem Interview. "Was an diesen Tagen geschehen ist, erinnerte uns an das, was während der Nazi-Zeit geschah. Vielleicht ist es nicht einmal während der Nazi-Zeit geschehen. Ich glaube nicht, dass das Nazi-Regime solche Besuche oder Veranstaltungen stoppte." Im Fall des Welt-Journalisten Yücel sei er zwar "auch nicht sehr glücklich darüber", dass nach mehr als zehn Monaten in Untersuchungshaft noch immer keine Anklageschrift vorliege. Er fragt sich aber, warum Gefangene wie Deniz Yücel in Deutschland zu "Helden" werden.

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