Integrationsgipfel:Steter Strom der warmen Worte

Das Kabinett zieht Bilanz zum Nationalen Integrationsplan. So viel steht fest: Er hat nicht gehalten, was Bund und Länder versprochen haben.

R. Preuß

Staatsministerin Maria Böhmer pflanzte am Mittwoch einen Apfelbaum mit Kindern einer Weddinger Grundschule, von denen 97 Prozent ausländische Wurzeln haben. Ein schönes Bild ist das und passend zu dem Gipfel im Kanzleramt, wo Böhmer an diesem Donnerstag die Ernte aus zwei Jahren Arbeit am Nationalen Integrationsplan ausstellen will.

Integrationsgipfel, AP

"Integration kann nicht verordnet werden" - ein schöner Satz im gemeinsamen Pakt zwischen Staat und Migranten. Doch die Innenpolitiker der Koalition bewiesen das Gegenteil.

(Foto: Foto: AP)

An Aufwand hat es nicht gemangelt: Jedes Jahr nimmt der Bund nun 750 Millionen Euro in die Hand, um Zuwanderern Deutsch beizubringen, sie in Lehrstellen zu vermitteln oder Migranten-Stadtteile aufzuwerten. Dazu gab es Kanzlerempfänge und einen steten Strom der warmen Worte - vom Dank der Integrationsbeauftragten Böhmer an die Gastarbeiter und ihre Leistung bis hin zum Versprechen auf Chancengleichheit in Bildung und Arbeit.

Für derart viel Dünger und Pflege allerdings ist die Ernte dürftig ausgefallen. Offenbar wird dies schon an den blanken Zahlen: Nach wie vor gibt es gut doppelt so viele Schulabbrecher unter Migranten wie unter den übrigen Jugendlichen, junge Deutsch-Türken haben in den vergangenen Jahren noch seltener eine Lehrstelle angetreten als zuvor, die Zahl der Einbürgerungen ist gesunken. Und die beginnende Wirtschaftskrise lässt nichts Gutes erwarten. Ausländer werden nach aller Erfahrung besonders schnell entlassen und geraten damit noch leichter ins Abseits. Die Integrationskatastrophe setzt sich hier fort.

Das großartige Symbol, sich im Kanzleramt mit Deutschland-Zuwanderern an einen Tisch zu setzen, verblasst. Bund und Länder haben dazu auch selbst fahrlässig beigetragen. Sie haben den Nationalen Integrationsplan in den vergangenen zwei Jahren ausgehöhlt durch ihre eigenen Gesetze.

Kaum hatten Staat und Migranten in dem gemeinsamen Pakt den schönen Satz formuliert, "Integration kann nicht verordnet werden", bewiesen ihnen die Innenpolitiker der Koalition das Gegenteil. Sie schrieben vergangenes Jahr ein Bußgeld für Integrationsverweigerer fest und drohen arbeitslosen Migranten, sie auszuweisen.

Ausbürgerung statt Brückenbau

Auch die harte Linie beim Doppelpass nagt an der anfänglichen Euphorie. Während Böhmer um Einbürgerungen wirbt, zwingen die Gesetze junge Deutsch-Türken zur Entscheidung für nur einen Pass und damit zu einem künstlichen Bruch entweder mit ihrer Vergangenheit oder einem Rückfall in den Status als "Ausländer".

So betreibt man Ausbürgerung, aber keinen Brückenbau in die neue Heimat. Natürlich kann Integration nicht darin bestehen, es nur den Migrantenverbänden recht zu machen, das wäre allzu einfach. Und doch fällt auf, dass die Koalition fast sämtliche Kernanliegen der Zuwanderervertreter abprallen ließ und damit Entfremdung hervorrief.

Die Bundesregierung hat es so bisher nicht vermocht, eine neue Stimmung zu erwecken. Die Furcht vor dem Fremden ist geblieben, die Angst der Migranten vor Assimilation eher noch gewachsen. Das liegt nicht am Nationalen Integrationsplan selbst, sondern oft am fehlenden Mut.

Dieser Mut aber wäre nötig gewesen, um dem Plan seinen Geist einzuhauchen, um bei Deutschlands Zuwanderern der bisherigen Erfahrung, nicht gewollt zu sein, ein Willkommen entgegenzusetzen. Stattdessen hat man zugelassen, dass abermals das Bild vom gefährlichen Ausländer an die Wand gemalt wurde:

Wo waren Böhmer oder Kanzlerin Angela Merkel, als Hessens Ministerpräsident Roland Koch Anfang des Jahres pauschal von "zu vielen kriminellen jungen Ausländern" faselte? Wo war ihr klarer Widerspruch, als sich in vielen Städten erbitterter Widerstand gegen Moscheebauprojekte formierte?

Es blieb anderen wie der ehemaligen CDU-Ministerin Rita Süssmuth überlassen, dem öffentlich entgegenzutreten, was den Integrationsplan torpediert. Böhmer wird für ihr Apfelbäumchen kämpfen müssen - auch gegen ihre Parteifreunde.

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