Integrationsgipfel:Deutsche Sprachblockade

Was als Integrationshilfe gedacht war, entpuppt sich zunehmend als Einwanderungsverhinderungsgesetz. Deutschland hat sich sprachlich eingemauert.

Elmar Jung, Berlin

Angela Merkel steht die Ernüchterung ins Gesicht geschrieben. Kein Schmunzeln, sondern eine ernste Miene. Auf dem dritten Integrationsgipfel spricht die Kanzlerin lieber von "Bemühungen" und "Herausforderungen" als von Erfolg. Was wohl daran liegt, dass die Zwischenbilanz zum Nationalen Integrationsplan nicht so positiv ausfällt, wie sich das die Bundesregierung gewünscht hätte.

Integrationsgipfel: Sehnsucht nach dem Gatten. Doch der Weg ist manchmal weit.

Sehnsucht nach dem Gatten. Doch der Weg ist manchmal weit.

(Foto: Foto: ap)

Die Probleme sind geblieben. Noch immer gibt es zu viele Schulabbrecher mit Migrationshintergrund. Die Anerkennung ausländischer Schulabschlüsse kommt nur schleppend voran. Die Kritik der Migrantenverbände zum Einbürgerungstest flaut nicht ab. Keine Frage: Die Euphorie von 2006 ist verflogen. Immerhin versicherten die etwa 140 Teilnehmer des Integrationsgipfels einander, für die Zukunft ihr Bestes geben zu wollen.

Ein Konfliktpunkt des Gipfels war der erschwerte Nachzug von Ehegatten. Seit einem Jahr müssen nachziehende Eheleute aus visumspflichtigen Ländern in ihrer Heimat Deutschkenntnisse nachweisen. Vor allem die türkischen Migrationsverbände sehen ihre Landsleute dadurch diskriminiert.

Das sehen nicht nur Türken so. Alina D. ist Deutsche, ihr Mann kommt aus Honduras. Sie will eigentlich seit diesem Sommer schon mit Mann und Kind in Deutschland leben. Die Entwicklungshelferin traf sie vor drei Jahren in dem südamerikanischen Land auf ihre große Liebe. Das Paar heiratete, bekam einen Sohn. Jetzt muss sie wieder zurück nach Deutschland.

Ihr Mann darf nicht mit. Er spricht kein Deutsch. Das Problem: Um dem Gesetz genüge zu tun, müsste er eine Deutschprüfung an einem Goethe-Institut ablegen. Das nächste ist in Mexiko-Stadt, über 2000 tausend Kilometer von seinem Heimatort enfernt.

Alina D. könnte die Kosten für die Reisen vielleicht noch tragen. In anderen Fällen fehlt den Eheleuten schlicht das Geld.

Geplant war das Gesetz, um den Neuankömmlingen bessere Startchancen zu ermöglichen. Inzwischen entpuppt es sich zunehmend als Zuwanderungsverhinderungsgesetz. So geht die Zahl der ausländischen Ehegatten, die nach Deutschland ziehen, seit der Einführung des verpflichtenden Deutschtests vor der Einreise weiter zurück. In den ersten neun Monaten dieses Jahres reduzierte sie sich im Vergleich zu den entsprechenden Vorjahresmonaten um 43 Prozent auf etwa 9500.

Der Sprachtest wird von den Migrantenvertretern als "unzumutbare Hürde" verstanden. Die Betroffenen vor Ort empfänden das Verhalten der Behörden oft als schikanös. Im vergangenen Jahr boykottierten die Türkische Gemeinde in Deutschland und die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) den Integrationsgipfel auch aus diesem Grund.

Sie werden das Gefühl nicht los, dass bei der Regelung mit zweierlei Maß gemessen wird. Dass es einen Unterschied macht, ob es sich um finanzkräftige und gebildete Paare aus den USA handelt. Oder ob der türkische Industriearbeiter seine Ehefrau aus Anatolien zu sich nach Deutschland holen will.

"Das ist so gewollt"

Schützenhilfe bekamen die Migrantenverbände jüngst vom Deutschen Gewerkschaftsbund, der die Verschärfungen beim Ehegattennachzug für "nicht akzeptabel" hält. Auf dem Gipfel selbst bekräftigten die Migrantenverbände ihre Kritik. Die Regelung, für Ehegatten verpflichtende Sprachtests schon vor der Einreise einzuführen, "sollte überdacht werden".

Merkel reagierte verhalten auf diese Forderung und meinte lediglich, dass das Thema in Zukunft sicher noch politisch kontrovers diskutiert werde. Noch aber wolle sie abwarten. Es entsteht der Eindruck, die Bundesregierung hat mit der Verschärfung der Zuzugsregelung genau jenen Rückgang der Einbürgerungen bezweckt, wie er schon seit vielen Monaten zu beobachten ist.

Den SPD-Innenexperten Dieter Wiefelspütz überrascht diese Entwicklung kaum. Mehr noch: "Das ist so gewollt", sagte er schon im Juli. Stellte aber eine Überprüfung der Regelung in Aussicht: "Wir wollen keine Mauer aufbauen, die dauerhaft kaum zu überwinden ist." Konkrete Änderungen wird es in dieser Sache also erst einmal nicht geben.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: